[350] Hebräer oder Ebräer, d.h. die von Jenseits, war der gemeinschaftliche Name aller Nachkommen Abraham's, welcher von jenseit des Euphrat aus dem Lande Mesopotamien nach Palästina einwanderte. Dieses Land wurde nach den Schriften des A. T. durch göttliche Verheißung den Nachkommen des Abraham als Wohnung und Eigenthum zugesagt und hieß daher das Land der Verheißung oder das gelobte Land. Abraham verehrte den alleinigen Gott, der sich ihm offenbart hatte, und dieser Glaube ging auf seine Nachkommen über, welche sich von den heidnischen Völkern, unter denen sie lebten, noch durch ein äußerliches Zeichen, nämlich durch die von Abraham eingeführte Beschneidung, unterschieden. Abraham hatte einen Sohn Isaak und dieser [350] einen Sohn Jakob, der mit seinen beiden Frauen Lea und Rahel und deren Mägden zwölf Söhne zeugte: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Dan, Naphtali, Gad, Asser, Isaschar, Sebulon, Joseph, Benjamin. Nach diesen nannten sich die Stämme der Hebräer, nur daß zwei Stämme: Ephraim und Manasse, nach den Söhnen Joseph's benannt wurden. Von seinen Brüdern an reisende Kaufleute verkauft, kam Joseph nach Ägypten. Seine Tugend brachte ihn ins Gefängniß, seine Klugheit aus diesem in die Nähe des Throns. Er wurde vornehm und mächtig und zog seinen Vater mit 70 Kindern, Enkeln und Urenkeln nach dem fruchtbaren Lande Gosen in Ägypten. Hier blieben die Hebräer 430 Jahre und mehrten sich zu einem Volke von 21/2 Millionen. Die ägypt. Könige fürchteten die zahlreichen Fremdlinge, drückten sie und gaben sogar, um die weitere Vermehrung derselben zu verhindern, das grausame Gesetz, daß alle männlichen neugeborenen Kinder getödtet werden sollten. Da trat Moses, durch Zufall errettet und am kön. Hofe erzogen, ein gottbegeisterter Mann, unter den Hebräern auf und befreiete sein Volk aus der ägypt. Knechtschaft. Er führte sie durch das rothe Meer dem gelobten Lande zu. Den Zug schützten 600,000 streitbare Männer. In der Knechtschaft war das Volk sittenlos geworden und Moses sah ein, daß es vor Allem durch den Glauben an den Einen wahren Gott und durch eine auf diesen Glauben sich gründende Gesetzgebung gebessert werden müsse, ehe es in dem Lande der Verheißung nach Besiegung der heidnischen Bewohner desselben feste Wohnsitze fassen dürfe. Darum gab Moses dem Volke Religion und Gesetze und führte es 40 Jahre in der Wüste umher, sodaß Diejenigen, welche endlich das heilige Land betraten, einem neuen, in besserer Zucht und Sitte erwachsenem Geschlecht angehörten. Moses selbst erreichte das gelobte Land nur mit seinen Augen, er starb im Anblick desselben, nachdem er Josua zum Führer der Hebräer ernannt hatte. Dieser eroberte Palästina und das Land ward an die Stämme vertheilt. Der dem Gottesdienst geweihete Stamm Levi lebte in 48 Städten unter die übrigen Stämme vertheilt. Noch längere Zeit hatten die Hebräer gegen die theils vertriebenen, theils unterdrückten bisherigen Einwohner Palästinas zu kämpfen und auch untereinander geriethen sie in Händel, welche mehrmals zu blutigen Entscheidungen führten. Ost sogar verließ das Volk den Glauben an Gott und trieb Abgötterei. Der Zusammenhang der Stämme untereinander war mehr religiöser als politischer Art, denn nur durch die Priesterclasse wurden alle zusammengehalten und der Hohepriester bildete das Oberhaupt. Derselbe war aus der Familie des Aaron, Moses' Bruder, und regierte im Namen Gottes, Jehovah's, als dessen bevorzugtes Volk sich die Hebräer betrachteten. Zur Zeit der Gefahr thaten sich Helden hervor, welche an die Spitze der Kriegsheere traten und auch im Frieden auf Recht hielten. Sie werden Richter genannt, und man rechnet zu ihnen namentlich Gideon, Jephta, Simson und das, heldenmüthige Weib Debora. Samuel, ein wahrer Prophet, war zuletzt Richter, denn als er alt war und seine von ihm zu Richtern bestellten Söhne sich habsüchtig und ungerecht zeigten, foderte das Volk von ihm einen König. Samuel gab ungern nach und salbte um 1080 v. Chr. den Saul (d.h. der Verlangte) zum Könige. Er war ein Sohn Kis aus dem Stamme Benjamin, durch Körperstärke ausgezeichnet, aber von unbedeutender Herkunft. Er besiegte die Feinde seines Volks und schaffte sich allgemeine Anerkennung, wurde. aber durch selbständige Eingriffe dem Samuel misfällig, der auf Geheiß Jehovah's David (s.d.), den Sohn Isai's, aus dem Stamme Juda, zum Könige salbte. Dieser regierte 1055–15 v. Chr. ruhmvoll und weise, schloß Handelsverbindungen, verbesserte die Verfassung des Staats und der Gottesverehrung und hob sein Volk auf eine höhere Bildungsstufe. In seinem Geiste regierte anfangs auch sein Sohn Salomo (s.d.) 1015–975 v. Chr., welcher den prachtvollen Tempel zu Jerusalem erbaute. Das hebr. Volk gelangte unter diesem Könige zu einer Blüte, welche es nie zuvor erreicht hatte. Salomo war aber prachtliebend und verschwenderisch und neigte sich ausländischen Sitten zu, und als nach seinem Tode sein Sohn Rehabeam die Stämme, welche um Milderung der drückenden Abgaben baten, mit den übermüthigen Worten zurückwies: »Mein Vater hat euch mit Ruthen gegeißelt, ich aber werde euch mit Skorpionen peitschen«, trennten sich zehn Stämme ab, bildeten das Reich Israel und wählten den Jerobeam zum Könige, sodaß Rehabeam nur in den Stämmen Juda und Benjamin, welche von nun an zusammen das Reich Juda hießen, König blieb. Israel, in welchem Samaria Hauptstadt war, ergab sich bald dem Götzendienste und 19 Könige aus verschiedenen Geschlechtern herrschten nacheinander unter entsetzlichen Greuelthaten, sodaß das Reich schon 722 v. Chr. eine Beute der Assyrer wurde, deren König Salmanassar die Israeliten in die medischen Gebirge verpflanzte. Juda mit der Hauptstadt Jerusalem und dem Salomonischen Tempel hielt fester am Glauben der Väter, doch griff unter schlechten Königen auch hier die Abgötterei um sich und der Mangel an Zusammenhalt zwischen den feindlichen Reichen Israel und Juda wurde Ursache, daß sie ihren gemeinschaftlichen Feinden nicht gemeinsamen kräftigen Widerstand leisteten. Wie Israel untergegangen war, so fiel endlich auch Juda, nachdem noch 20 Nachkommen David's regiert hatten, unter denen einige im Sinne dieses Königs zur Erhaltung bei der wahren Religion thätig gewesen waren 586 v. Chr. in die Hand Nebukadnezar's, Königs von Babylon, welcher Jerusalem eroberte, den Tempel plünderte und verbrannte und die Angesehenen aus dem jüd. Volke nach Babylon bringen ließ. Dadurch, daß die alte Hauptstadt Jerusalem mit dem Tempel und den Heiligthümern beim Reiche Juda geblieben war, sowie durch den Umstand, daß sich dieses Reich länger als das Reich Israel hielt, und endlich darum, weil nach Beendigung der babylon. Gefangenschaft die Wiedererstehung des Volks vom Wiederaufbau des Tempels zu Jerusalem ausging, trat in der Folge der Name der Juden an die Stelle der alterthümlichen Bezeichnung Hebräer, und die weitere Geschichte dieses Volks ist daher in dem Art. Juden mitzutheilen.