[375] Herder (Joh. Gottfried von), einer der vielseitigst gebildeten und geachtetsten deutschen Schriftsteller, wurde am 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen geboren, wo sein Vater Cantor und Mädchenschullehrer war.
Unter den ungünstigsten Umständen entwickelte sich sein Geist, sodaß H. bald Gönner fand, durch deren Unterstützung es ihm möglich wurde, eine höhere Ausbildung sich zu verschaffen. Zunächst nahm sich ein Prediger in seiner Vaterstadt seiner an, indem er ihm erlaubte, an dem Unterrichte Theil zu nehmen, welchen er seinen Söhnen in den alten Sprachen ertheilte. H. machte schnelle Fortschritte, und als ihn ein russ. Wundarzt im Hause jenes Predigers kennen lernte, gefiel diesen des Jünglings aufgewecktes Wesen und anständige Haltung so wohl, daß er sich erbot, ihn in Königsberg und später in Petersburg Wundarzneikunst studiren zu lassen. H. begab sich nun 1762 nach Königsberg, konnte aber hier den chirurgischen und medicinischen Studien so wenig Geschmack abgewinnen, daß er sich entschloß, dieselben aufzugeben, um sich der Theologie zu widmen. Er hatte sich auch in Königsberg bald wohlwollende Freunde erworben, und diese verschafften ihm eine kleine Anstellung im Friedrichscollegium. Es wurde ihm nämlich die Aufsicht über einige Kostgänger übertragen, und einige Zeit nachher erhielt er eine Lehrerstelle.
In dem Amte, welches seine Existenz sicherte, behielt H. noch Zeit genug, mit angestrengtestem Eifer den Wissenschaften sich widmen zu können. Er beschäftigte sich nicht nur mit Theologie, sondern auch mit Philosophie, Sprachen, Literatur, Naturwissenschaften und Geschichte. Er benutzte eifrig die akademischen Vorträge des großen Kant (s.d.) und schloß sich mit freundschaftlicher Zuneigung an Hamann (s.d.) an. Schon 1764 erhielt er eine Anstellung als Collaborator an der Domschule zu Riga und mußte neben der Verwaltung dieses Amts auch predigen. Seine Schul- und Kanzelvorträge fanden so großen Beifall, daß ihm 1767 die russ. Regierung eine bedeutendere Stellung in Petersburg anbot. Er aber schlug nicht allein diesen Ruf aus, sondern legte auch in Riga seine Stelle nieder, um sich in die Welt zu begeben, die er kennen zu lernen und welcher nützlich zu werden er sich sehnte. In Frankreich ward er Begleiter des Prinzen von Holstein-Eutin und sollte diesem auf einer Reise durch Frankreich und Italien Gesellschaft leisten. Ein Augenübel, welches ihn schon in seiner Jugend heimgesucht hatte, nahm indeß einen bedenklichen Charakter an und zwang ihn, in Strasburg zurückzubleiben. Hier lernte er Göthe (s.d.), der in Strasburg seine juristischen Studien vollendete, kennen und beide große Geister traten einander bald näher. H.'s allseitig gebildete Kenntniß der Menschen und der Literatur blieb nicht ohne Einfluß auf die Ausbildung Göthe's. H. war bereits als kritischer Schriftsteller aufgetreten, und die Gewandtheit und Mächtigkeit seines Geistes hatte öffentliche Anerkennung gefunden. Eine Folge derselben war, daß er als Superintendent und Consistorialrath nach Bückeburg berufen wurde, welche Stelle er 1771 antrat. Er trat nun auch als theologischer Schriftsteller mit Erfolg auf und war im Begriff, eine Berufung als Professor der Theologie nach Göttingen anzunehmen, ließ sich aber durch Schwierigkeiten, welche ihm in den Weg gelegt wurden, bestimmen, die Stelle eines Hofpredigers, Generalsuperintendenten und Oberconsistorialraths in Weimar, wo sich damals die ausgezeichnetsten Schriftsteller der deutschen Nation zusammenfanden, vorzuziehen. Er kam 1776 hierher, wo er bis an seinen am 18. Dec. 1803 erfolgten [375] Tod, verehrt von dem ganzen deutschen Volke, von seinem Fürsten geschätzt, geliebt und mit Gunstbezeugungen überhäuft, blieb und mit Wieland, Göthe und Schiller zum Ruhme des kleinen Staats, der so viele geistige Größe beherbergte, beitrug. Segensreich war seine Wirksamkeit nicht nur durch seine Schriften für die ganze Mit-und Nachwelt, sondern auch im engern Kreise, in seiner amtlichen Stellung, indem ihm 1793 die Stelle eines Vicepräsidenten und 1801 die eines Präsidenten des Oberconsistoriums anvertraut wurde. In Anerkennung seiner Verdienste wurde H. von dem Kurfürsten von Baiern in den Adelstand erhoben. Der Großherzog von Sachsen-Weimar, der während des Lebens sein Beschützer und Gönner gewesen war, ließ ihm 1819 eine Gedächtnißtafel von Gußeisen mit der einfachen Inschrift: »Licht, Liebe, Leben« auf das Grab legen. Das herrlichste Denkmal H.'s sind aber seine vielseitigen Schriften, welche 1806–20 in 45 und 1827 in 60 Bänden erschienen sind und in drei Abtheilungen zerfallen: Schriften zur schönen Kunst und Literatur, Schriften zur Religion und Theologie und Schriften zur Philosophie und Geschichte. Als Dichter hat sich H. besonders durch seine Balladen vom Cid, seine Legenden und seine Volkslieder ausgezeichnet, am meisten aber wirkte er auf die Ausbildung seiner Zeit durch seine belehrenden Schriften, in denen er, die Richtung seines ganzen Strebens und seines eignen Wesens aussprechend, auf harmonische Ausbildung des im edelsten Sinne rein Menschlichen, auf Förderung wahrer Humanität, ausging. In dieser Beziehung sind als sein vollendetstes und erhabenstes Werk seine »Ideen zur Geschichte der Menschheit« anzuerkennen. »Erinnerungen an H.'s Leben« erschienen von seiner 1750 geborenen und 1815 gestorbenen Gattin, Marie Karoline, geb. Flachsland. – Herder (Siegmund Aug. Wolfg., Freiherr v.), sächs. Oberberghauptmann, ist der Sohn des ebenerwähnten großen Dichters und wurde 1776 zu Bückeburg geboren. Nach einer vortrefflichen Erziehung und ausgezeichneten Vorbildung in allen den Bergbau betreffenden Wissenschaften trat er 1802 in sächs. Dienste, in denen er bald einen hohen Rang einnahm. Er hat sich nicht allein um den sächs., sondern um den Bergbau überhaupt, sowie auch als Gelehrter und Staatsmann außerordentliche Verdienste erworben. Die sächs. Silberausbringung wurde durch seine weisen Maßregeln von 47,300 auf 60,000 Mark jährlich gehoben. Auch um den poln. Bergbau machte sich H. 1809 und in den folgenden Jahren verdient und seine geographisch-bergmännischen Reisen nach Schweden und Norwegen 1818 und 1836–37 auf den Wunsch des Fürsten Milosch nach Serbien sind sowol für die Wissenschaft als für jene Länder von großem Vortheil gewesen. Die Fürsten der Länder, um welche sich H. Verdienste erworben, haben ihm ihre Erkenntlichkeit durch Ertheilung von Orden und andern Ehrenbezeigungen an den Tag gelegt und der König von Sachsen hat ihn in den Freiherrnstand erhoben.