Obst

[321] Obst ist die gemeinsame Benennung aller genießbaren Früchte von Bäumen und Gesträuchen, sowol im frischen Zustande als in mehren, zur Aufbewahrung derselben gebräuchlichen Zubereitungen. Die Kenntniß, Unterscheidung und Bestimmung der vorhandenen und etwaiger neuer Obstsorten, ihr Anbau, d.h. ihre Vermehrung, Veredlung, Pflege und Cultur, sowie ihre Benutzung ist die Aufgabe der Pomologie oder Obstbaum- und Obstkunde. Sie berührt bei Unterscheidung der Obstpflanzen zwar auch das Gebiet der allgemeinen Pflanzenkunde oder Botanik, allein während diese z.B. Kirschen, Pflaumen und Aprikosen blos als Arten einer Ordnung oder eines Geschlechts, die Sorten derselben aber nur als Abarten betrachtet, macht die Pomologie daraus auf den Grund der natürlichen Anschauung ihre verschiedenen Hauptgattungen, deren Arten dann nach Form, Größe, Färbung, Beschaffenheit und Stand des Blütenknopfes und des Stieles, nach der Beschaffenheit der Schale, des Fleisches, der Kerne, nach Geruch, Geschmack, Dauer und Nutzbarkeit in Sorten geschieden werden. Dazu kommt endlich noch eine sorgfältige Beschreibung der Obstpflanze in allen ihren Theilen, ihres Wachsthums und der zu ihrem Gedeihen günstigen Erfodernisse. Auf diesem Wege vorzüglich hat man in neuerer Zeit versucht, bestimmte und allgemein gültige Namen für die verschiedenen Obstsorten einzuführen, von denen besonders die, welche deutschen Ursprungs sind, nicht nur in verschiedenen Gegenden auch verschiedene Namen haben, sondern selbst an einem Orte oft unter mehren Namen bekannt sind. Nach der natürlichen Beschaffenheit unterscheidet man zuvörderst wildes Obst, das ohne Pflege in den Wäldern wächst und veredeltes; ferner: Kernobst oder Baumfrüchte mit vier- und fünffächeriger Samenkapsel, welche von eßbarem Fleische und einer dünnen Schale umschlossen ist, wie Äpfel, Birnen und Quitten; Beerenobst, welches in sehr saftigem und zartem Fleische viele kleine Kerne enthält, wie Erdbeeren, Heidel- und Weinbeeren; Steinobst, welches in genießbarem Fleische nur einen Stein, Kern oder eine steinartige Nuß enthält, wie Kirschen, Pflaumen und Pfirschen; Kapselobst oder Steinobst mit ungenießbarer Fleischhülle, von dem nur der innere Nußkern eßbar ist, wie bei Mandeln und wälschen Nüssen. Hinsichtlich der Verwendung des Obstes heißen Tafelobst die mit vorzüglich einladender Form den feinsten Geschmack verbindenden Sorten, welche deshalb zum Nachtisch oder Dessert beliebt sind; zum Wirthschaftsobst rechnet man das reichlich tragende und zum Kochen und Backen vorzüglich geeignete; zum Handelsobst solche ausgesuchte Sorten, welche frisch weit und breit verführt werden, wie die ital. Rosmarinäpfel, die Borsdorfer, die rothen stettiner Äpfel, sowie das durch seine vorzügliche Reise und zweckmäßige Bereitung ausgezeichnete franz. gebackene Obst. Nach der Zeit der Reise spricht man von Sommerobst, das im Jul. und Aug. völlig reist und ohne sehr haltbar zu sein, meist vom Baume weg genossen wird; das Herbstobst reist von Anfang Sept. bis Mitte Oct., muß aber einige Wochen liegen, ehe es völlig mürbe wird und hält sich länger; das harte oder Winterobst aber reist bis zu Anfang Dec., bleibt so lange wie möglich am Baume, hält sich den ganzen Winter und wird erst durch langes Liegen am schmackhaftesten.

Gutes Obst gehört unter die einfachsten und zuträglichsten Nahrungsmittel, und ist auch für den Menschen ohne weitere Zubereitung genießbar; die letztere erhöht theils seine Genießbarkeit, theils vermehrt sie die Haltbarkeit desselben. Dahin gehört das Einmachen des Obstes mit Zucker oder Essig, das Sieden oder Kochen von Pflaumen und Beeren zu Mus, das Trocknen des an Schnüre gereihten Obstes an der Sonne und Luft, welches dann gewelktes heißt zum Unterschiede von dem beim Feuer getrockneten, gedörrten oder sogenannten gebackenen Obste, das häufig in Backöfen oder in dazu besonders bestimmten Einrichtungen, Obstdarren genannt, abgetrocknet wird. Frisch aufzubewahrendes Obst sollte stets bei trockener Witterung und mit so viel Sorgfalt abgenommen werden, daß es von Druck und Verletzung frei bleibt, weil jede solche Stelle die Fäulniß begünstigt; bessere Sorten müssen daher immer mit dem Stiele abgepflückt werden und wer recht sorgfältig sein will, berührt das zum Einmachen bestimmte, ausgewählte Obst nicht mit der bloßen Hand, sondern trägt dabei Handschuhe. Auch beim Einbringen und Aufschütten des Obstes muß mit möglicher Behutsamkeit verfahren und Alles irgend schadhafte von dem bessern gesondert werden. So lange es vor Frost sicher ist, läßt man die Obstvorräthe am besten auf dem Boden liegen, muß aber sorgen, daß sie in den Keller oder einen andern vor dem Eindringen der Kälte sichern Ort kommen, bevor es gefriert. Edlere Sorten verwahrt man am besten in dazu geeigneten Obstkammern, welche rings an den Wänden mit breiten Stellagen versehen sind, in deren Fächer das Obst auf trockenem Moos, Laub, Häcksel oder Kleien einzeln, mit dem Stiel nach oben eingelegt wird. Ist bei großer Kälte das Eindringen des Frostes zu besorgen, so muß es durch eine Decke von trockenem Laub, Moos oder dergleichen oder durch gelindes Heizen dagegen geschützt werden. In Fässern und Kisten läßt sich das mit trockenem Moos, geruchlosem Werg, Häcksel oder Kleien schichtweise verpackte Kernobst noch länger aufbewahren; doch darf natürlich der Frost nicht dazu kommen können und die Aussonderung der faulenden Stücke muß ebenfalls regelmäßig vorgenommen werden. Äpfel, Pflaumen, Pfirschen halten sich auch viele Wochen, wenn sie einzeln ganz mit sehr seinem, mit Weingeist befeuchtetem Sande in irdene Gefäße geschichtet werden. Aus Äpfeln und zwar gewöhnlich aus Holzäpfeln, sowie aus Pflaumen wird auch Branntwein, hauptsächlich aus Äpfeln und Birnen der Cider oder Obstwein bereitet, weil deren Saft einer geistigen Gährung am fähigsten ist. Sie werden zu Mus zerrieben, dann ausgepreßt und die Gährung des erhaltenen Saftes in kleinen Fässern abgewartet, worauf derselbe in größere aufgefüllt wird. In England vorzüglich, allein auch in Frankreich, in der Schweiz und in einigen Gegenden Deutschlands wird viel [321] solcher Obstwein bereitet, man macht aber auch sogenannten Kirsch-, Johannisbeer- und Himbeerwein, den man jedoch blos dadurch erhält, daß man die Säfte dieser Früchte mit Weinmost oder Wein von Neuem gähren läßt und der also kein eigentlicher Cider ist. Durch Destillation erhält man aus dem Cider Branntwein und durch die saure Gährung wird Essig gewonnen. Vergl. Fr. Pohl, »Anleitung zur Bereitung des Obstweins« (Lpz. 1823); »Der untrügliche Obstweinfabrikant« (Quedlinb. 1825).

In Hinsicht der Erziehung und Pflege der Obstbäume und Sträucher verbindet sich die Pomologie mit der Landwirthschaft und Gartenkunst. Es gilt dabei zuerst die Erziehung der Pflanzen selbst aus Samen, Wurzelausläufern, Zertheilung der Wurzeln, aus Schnittlingen, durch Anhäufeln, sodann deren Veredlung durch Pfropfen, Oculiren (s.d.), Copuliren (s. Copula), auch Abfäugeln oder Ablactiren, wobei die zu veredelnden Stämmchen so nahe zu dem edeln Stamme gebracht werden, daß die abgefäugelten und mit dem Wildlinge vereinigten Edelreiser bis zu ihrer Verwachsung mit demselben, auch noch mit dem Mutterstamme in Verbindung bleiben können. Noch eine Art der Veredlung ist das Pfeifeln oder Röhreln, wobei man ein Stück des Edelreises vorsichtig zu einer Art Röhre aushöhlt und dasselbe auf ein genau hineinpassendes Reis des Wildlings schiebt. Fast alle diese Verrichtungen geschehen in der Obstbaumschule (s. Baum), wo bei der Pflege der Stämmchen auch zugleich ihre künftige Gestalt berücksichtigt wird, d.h. ob sie hochstämmig, zu Niederstämmen oder sogenannten Franzbäumen oder zu Halbstämmen gezogen werden sollen, welche zwischen den vorhergehenden die Mitte halten. Zu den vorzüglichsten Baumschulen in Deutschland gehören: die zu Herrnhausen bei Hanover; die potsdamer und berliner; die des auch als Schriftsteller um Verbreitung der zum Obstbau erfoderlichen Kenntnisse verdienten Oberpfarrers Christ zu Kronenberg; die der Gebrüder Nathusius in Althaldensleben und Hundisburg bei Magdeburg; die flottbecker Baumschulen von James Booth und Söhne; die im großen Garten zu Dresden; das Joanneum vom Erzherzog Johann in Östreich; die Centralbaumschule zu Grätz in Steiermark.

Im Ganzen ist die naturgemäße Behandlung, zu der auch die Bekämpfung der den Obstbäumen schädlichen Raupen und anderer Insekten gehört, der zuverlässigste Weg, einen nachhaltigen Ertrag davon zu erhalten. Für einzelne besondere Fälle hat man aber auch noch einige andere Mittel, um Obstbäume fruchtbar zu machen. Sie laufen meist auf künstliche Beschränkung des Umlaufes der Baumsäfte hinaus und werden auch wol Obstkünste genannt. Ein nützliches und erst in neuerer Zeit erfundenes Mittel, um in möglichst kurzer Zeit Versuche über die Erzeugung neuer Obstsorten aus Kernen anzustellen, ist die sogenannte Obstorangerie oder die Erziehung fruchttragender Obstbäumchen in Töpfen oder Kübeln. Sie tragen oft schon im zweiten und dritten Jahre, erlauben die Erzeugung neuer Obstsorten durch künstliche Befruchtung, die Vereinigung und die bequeme Beobachtung zahlreicher Obstsorten auf kleinem Raume und liefern Pfropfreiser und Augen zur Vermehrung der edelsten und seltensten Obstarten. Der um die Unterscheidung und Bestimmung der Obstsorten verdiente nassauische Hofrath Diel hat auch die Obstorangerie wesentlich vervollkommnet und eine »Anweisung Obst in Scherben zu ziehen« geschrieben. – Begründet wurde der Obstbau in Deutschland durch Kaiser Karl den Großen, und die Römerzüge deutscher Kaiser sowie die Kreuzzüge machten die Deutschen noch mehr mit den schönen Früchten wärmerer Länder bekannt. Die Versuche zur Übersiedelung derselben wurden durch die Handelsverbindungen der süddeutschen Reichsstädte erleichtert, die schon im 16. Jahrh. ansehnliche Obstgärten aufweisen konnten, und später wurden einzelne deutsche Fürsten besondere Beförderer des Obstbaues. Zu ihnen gehörte auch der Kurfürst August von Sachsen, der ein selbst verfaßtes »Künstlich Obst- und Gartenbüchlein« herausgab, auf allen seinen Reisen Obstkerne zur Vertheilung mitführte und gesetzlich bestimmte, daß jedes neue Ehepaar im ersten Jahre nach seiner Verbindung ein Paar Obstbäume anpflanzen mußte. Doch erst durch die Verbreitung der als Franzobst aus Frankreich erhaltenen edlern Sorten kam die Obstcultur in Deutschland auf eine höhere Stufe und ist in neuerer Zeit durch gemeinnützige Schriften, Beispiel und Bestrebungen Einzelner, sowie mehrer pomologischer Vereine und dadurch fortwährend gehoben worden, daß man die Obstbaumzucht zu einem Gegenstande des Unterrichts in Landschulen zu machen anfängt. Eine vortreffliche Schrift in letzterer Beziehung ist »Unterricht in der Obstbaumzucht für die Landjugend in Böhmen« (mit bildlichen Darstellungen, Prag 1835). Zu den allgemein belehrenden Schriften dieses Gebietes gehören: Raschig, »Obstbaumzucht im Großen und Kleinen« (Berl. 1827); Schmidberger, »Gründlicher Unterricht in der praktischen Obstbaumzucht« (2. Aufl., Münch. 1830); Christ, »Handbuch der Obstbaumzucht und Obstlehre« (4. Aufl., Frankf. a. M. 1819); Hempel, »Abhülfsbüchlein der Raupennoth« (2. Aufl, Lpz. 1832, mit Kpfrn.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 321-322.
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