Rossini

[749] Rossini (Gioachimo), der berühmteste und fruchtbarste von allen lebenden Operncomponisten ist 1789 zu Pesaro im Kirchenstaate von unbemittelten Ältern geboren, indem der Vater herumziehender Musiker, die Mutter eine untergeordnete Sängerin an kleinen Theatern war. Beispiel und älterliche Anleitung entwickelten jedoch das früh sich kundgebende Talent R.'s für Musik und Gesang, und als Knabe schon sang er mit seiner Mutter auf dem Theater zu Bologna, wo auch später vorzüglich der Pater Mattei seine musikalische Ausbildung einige Zeit leitete. Indessen scheint ihn weniger die Theorie der Musik selbst als deren Anwendung in den Werken der Neuern und namentlich von Haydn und Mozart beschäftigt zu haben, und 1812 schon ward in Rom seine erste Oper »Demetrio e Politio« aufgeführt. Neben vielen andern Compositionen hat R. seit 1813 über 40 Opern geliefert, von denen »Tankred«, »Die Italienerin in Algier«, »Der Barbier von Sevilla«, »Othello«, »Die diebische Elster«, »Moses«, »Aschenbrödel«, »Die Jungfrau vom See«, »Die Belagerung von Korinth«, »Graf Ory«, und »Wilhelm Tell« die berühmtesten sind. Von 1816–22 war er bei der ital. Oper des Unternehmers Barbaja in Neapel angestellt und erwarb sich durch die Compositionen, welche er im Auftrag für alle ital. Opernbühnen lieferte, in kurzer Zeit einen außerordentlichen Ruf. Dieser nahm fortwährend zu, nachdem R. mit Barbaja's Operngesellschaft und der mit ihm verheiratheten Sängerin Colbran im J. 1822 Wien und dann Paris und London besucht und überall Opern von sich mit dem glänzendsten Erfolge aufgeführt hatte. Er ward hierauf 1824 als Director der ital. Oper in Paris angestellt, verweilte aber mit Ausnahme von Besuchen in Italien meist auf seinem Landsitze in der Nähe der franz. Hauptstadt in künstlerisch belebter Muße, welche ihm der zu einen ansehnlichen Vermögen angewachsene Ertrag seiner Werke gewährt, die zum Theil auf allen Theatern der europ. gebildeten Welt gegeben worden sind. An vielen seiner Werke wird der Mangel an Gründlichkeit und musikalisch-charakteristischer Ausführung getadelt, dagegen sind sie an wohlklingenden und schnell vom Ohr festgehaltenen Melodien und reizenden Verzierungen derselben ausnehmend reich und lassen deutlich wahrnehmen, daß R. selbst ein ausgebildeter ital. Sänger ist. Doch leiden seine Singstücke häufig auf Kosten des von ihm überhaupt vernachlässigten einfach Ausdrucksvollen, an Überladung und Manier der Verzierung. Dazu kommen noch Unrichtigkeiten im mustkalischen Satze, die aber mit andern Schwächen von der Genialität seiner musikalischen Gedanken und vielem wahrhaft Ergreifenden und Trefflichen weit überragt werden. In der ital. Opernmusik namentlich ist durch R. eine reichere und dramatisch wirksamere Begleitung und Instrumentation eingeführt und das Beispiel seiner letztern Werke hat dazu beigetragen, daß die sonst die Hauptpartien der Oper bildenden Arien und Duetten mit den vielstimmigen Sätzen mehr ins Gleichgewicht gebracht worden sind, wodurch die Musik im Ganzen dramatischer geworden ist. Nachtheilig haben R.'s Werke aber dadurch gewirkt, daß über ihre einschmeichelnde Weise der weniger musikalisch ausgebildete Geschmack den Werth tieferer und treffender Auffassung vergessen lernte; ebenso gehören Wiederholung eigner und Benutzung fremder musikalischer Gedanken zu den Mängeln des freilich mitunter beispiellos leicht und schnell arbeitenden R.'s, und sind mit allen seinen Schwächen in noch weit höherm Grade seinen Nachahmern eigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 749.
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