[689] Benzol (Phenylwasserstoff, Steinkohlenbenzin), Mol.-Gew. 78, der Grundkohlenwasserstoff der aromatischen Reihe, besitzt die Zusammensetzung C6H6 und die nebenstehende Konstitution. Es ist eine farblose, leicht bewegliche und stark lichtbrechende Flüssigkeit von eigentümlichem Geruch, die bei 80,5° siedet und in der Kälte zu rhombischen Kristallen erstarrt, die bei 4,5° schmelzen. Es ist leicht entzündlich und brennt mit leuchtender und stark rußender Flamme. Wie die Kohlenwasserstoffe überhaupt, ist es in Wasser kaum löslich, wohl aber in Alkohol, Aether, Chloroform u.s.w. Es ist ein vortreffliches Lösungsmittel für Jod, Schwefel, Phosphor, Fette, Harze, verschiedene Alkaloide und viele andre organische Verbindungen. Sein spez. Gew. ist bei 0° 0,900 und bei 15° 0,8841.
Bei innerlichem Genuß von Benzol bildet sich im tierischen Organismus phenylschwefelsaures Salz, das im Harn abgeschieden wird. Es ist ein Anästhetikum; sein Dampf verursacht Schwindel, Ohrensausen, Brech- und Hustenreiz. In Fabriken, in denen Zeuge durch Benzol entfettet werden, rufen die Dämpfe bei den Arbeitern den Zustand der Trunkenheit hervor. Reduktions- wie Oxydationsmittel wirken nur schwierig auf das Benzol ein. Beim Erhitzen auf 280° mit Jodwasserstoffsäure, die bei 0° gesättigt ist, bildet sich Hexahydrobenzol C6H12 Bei der Oxydation von Benzol mit Braunstein und Schwefelsäure entstehen neben andern [689] Produkten Ameisensäure, Benzoesäure und Phthalsäure, wobei man als intermediäre Produkte Diphenyl (C6H5)2 und Diphenylbenzol C6H4(C6H5)2 anzunehmen hat, bei der Einwirkung von Chlor oder Brom je nach den Bedingungen Additions- oder Substitutionsprodukte. Läßt man die Halogene aber in Gegenwart von solchen Substanzen auf Benzol einwirken, die Ueberträger der Halogene sind, also Jod in Gegenwart von Jodsäure, Chlor oder Brom in Gegenwart von Jod, Antimonchlorid u.s.w., so bilden sich nur Substitutionsprodukte. Salpetersäure allein oder ein Gemenge von Salpeter- und Schwefelsäure erzeugt in der Kälte nur Mononitrobenzol, beim Erwärmen die drei Dinitrobenzole, von denen die Metaverbindung vorwiegt. Durch Behandlung mit konzentrierter Schwefelsäure allein erhält man je nach den Bedingungen die Mono- bezw. die Disulfosäure des Benzols. Das Benzol in die Stammsubstanz der sogenannten aromatischen Verbindungen. Wie ungemein groß die Reihe derselben ist und welche Bedeutung sie für die Entwicklung chemischer Theorien und chemischer Industrie besitzen, wurde unter Aromatische Verbindungen auseinandergesetzt. Von den Bildungsweisen des Benzols ist theoretisch namentlich die durch Erhitzen von Acetylen wichtig; umgekehrt zerfällt Benzol, wenn man seinen Dampf durch eine glühende Röhre leitet, unter Abscheidung von Kohle, in Wasserstoff, Acetylen und verschiedene hochmolekulare aromatische Kohlenwasserstoffe. Acetylen wird auch erhalten, wenn man den Induktionsfunken durch Benzol schlagen läßt. Eine weitere Entstehungsweise des Benzols ist die trockene Destillation aller nur CO2H-Seitenketten enthaltenden Benzolkarbonsäuren. Diese Methode kann man benutzen, um sich völlig reines Benzol zu verschaffen: reine, vorher geschmolzene und dann feingepulverte Benzoesäure (1 Teil) wird mit gelöschtem Kalk (3 Teilen) innig gemischt und das Gemenge aus flachen, kupfernen Retorten destilliert. Das Destillat wird durch Schütteln mit Kalilauge von etwa mitgerissener Benzoesäure befreit, mit Wasserdampf destilliert, abgehoben, getrocknet und rektifiziert. Das Benzol aus Harz- oder Harnbenzoesäure ist vollkommen rein. Da das Benzol bei der Zersetzung organischer Substanzen durch starke Hitze entsteht, so ist es im Steinkohlenteer bis zu 2% und somit auch im Leuchtgas enthalten. Das in der Technik zur Verwendung gelangende Benzol wird bei der Destillation des Steinkohlenteers (s. Teer) gewonnen, und zwar aus dem Vorlauf und namentlich aus dem sogenannten leichten Oel vom Siedepunkt 110210°. Dasselbe wird mehrere Male in den Leichtölblasen rektifiziert und der zwischen 80150° siedende Anteil auf Benzol und seine Homologen Toluol und Xylol verarbeitet. Zur Entfernung von Basen, Olefinen und andern Kohlenwasserstoffen wird es zunächst mit 5% konzentrierter Schwefelsäure behandelt, dann mit Wasser gewaschen und mit Natronlauge mittels einer Rührwelle durchgearbeitet, wodurch die Phenole in Lösung gehen. Zur Fraktionierung der so erhaltenen, neutralen Oele sind die kupfernen Kolonnenapparate (Coupiersche Apparate) in Benutzung, die in der Weingeiftfabrikation allgemein üblich, nach der Größe des Betriebes jedoch nach Größe und Anordnung der einzelnen Apparate verschieden sind. Das so abgeschiedene, bei 8082º siedende Benzol ist zur technischen Verwendung genügend rein. Um es jedoch vollkommen zu reinigen, läßt man es in einer Kältemischung gefrieren und befreit es durch Abpressen in der Kälte von den flüssiggebliebenen Anteilen (kristallisierendes Benzol). Dieses enthält jetzt noch eine Substanz, die dem Benzol in seinen Eigenschaften so ähnlich ist, daß es durch Destillation nicht entfernt werden kann, seine Anwesenheit aber durch eine Braunfärbung verrät, wenn man das technische oder das kristallisierende Benzol mit Schwefelsäure schüttelt, eine Reaktion, die völlig reines Benzol nicht zeigt. Es ist dies das von V. Meyer entdeckte Thiophen (s.d.). Schüttelt man thiophenhaltiges Benzol mit konzentrierter Schwefelsäure, in der ein Körnchen Isatin (s. Farbstoffe, pflanzliche) aufgelöst wurde, so erhält man eine prachtvolle Blaufärbung. Zur Entfernung des Thiophens aus dem Benzol schüttelt man daher das letztere mit konzentrierter Schwefelsäure so lange, bis es die Isatinreaktion nicht mehr zeigt, wäscht mit Wasser bis zur neutralen Reaktion, trocknet und rektifiziert aus dem Wasserbade. Unter dem Namen Benzol oder seltener Benzi η sind vier Produkte im Handel, deren reinstes fast nur aus Benzol mit sehr geringen Mengen Thiophen und mit mehr oder weniger Petroleumkohlenwasserstoffen besteht. Die drei übrigen Sorten werden als 30, 50 und 90prozentige Handelsware unterschieden. Hierbei wird die Menge Kohlenwasserstoff, die unter 100° destilliert, als Benzol angesehen, und der Gehalt daran in Volumprozenten ausgedrückt. Ein 50prozentiges Benzol ist also ein solches, von dem 50 Volumprozente unter 100° überdestillieren. Diese Sorten sind natürlich Gemische von Benzol mit seinen Homologen, Toluol und Xylol, Petroleumkohlenwasserstoffen, Thiophen und auch Schwefelkohlenstoff. Das reinste Handelsbenzol wird zur Darstellung von Nitrobenzol, Dinitrobenzol und Benzoldisulfosäure, resp. der daraus erzeugten Basen Anilin, Phenylendiamin u.s.w. und Resorzin gebraucht. Die Verwendung dieser Substanzen als Ausgangsmaterial für eine große Anzahl von künstlichen Farbstoffen ist bekannt. Das rohe Benzol findet Anwendung zum Karburieren von Leuchtgas und von Wassergas. In den chemischen Reinigungsanftalten findet es als Fleckenwasser ausgedehnte Verwendung, indem man es entweder mit alkoholischem Ammoniak vermischt oder es als Benzolmagnesia, eine aus trockener, kohlensaurer oder gebrannter Magnesia und Benzol bereitete feuchte Masse, benutzt. Ferner dient es zur Bereitung von Lacken und Firnissen und als Lösungsmittel von Fetten, Harzen, Guttapercha, Kautschuk, Alkaloiden u.s.w. (s.a. Aromatische Verbindungen).
Literatur: Schultz, G., Die Chemie des Steinkohlenteers, 3. Aufl., 1. Bd., Braunschweig 190001; Lunge-Köhler, Die Industrie des Steinkohlenteers, Braunschweig 1900.
Bujard.
Buchempfehlung
Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.
30 Seiten, 3.80 Euro