[499] Feuerdienst (Feuerverehrung, Pyrolatrie), die Verehrung des Feuers als einer geheimnisvollen Macht (Urelement, Daseinsprinzip) an sich oder als Symbol und Erscheinungsform übersinnlicher Wesen. Die erhellende, die Finsternis und ihre Mächte vertreibende Kraft der Flamme, ihr Nachobenstreben, ihre reinigende, vernichtende Macht erhoben sie zu einem Symbol des Göttlichen. In niedrigster, an den Fetischdienst streifender Gestalt, bei der sie als ein lebendiges, bald wohltätiges, bald zerstörendes Wesen betrachtet wird, fand sich diese Verehrung bei den meisten Naturvölkern. Man sucht das verzehrende Element, damit es nicht die Wohnungen zerstöre, zu versöhnen und bei guter Laune zu erhalten, indem man ihm Fettstoffe etc. zur Nahrung bietet. Eine mehr veredelte Form stellt der auf die meisten indogermanischen Völker übergegangene F. der alten Arier dar: hier ist die Flamme der Gott Agni (Ignis) selbst, der, durch Reiben und Quirlen zweier Hölzer zur Erde herabgerufen, in der Hütte der Hirten erscheint, mit tiefer Verehrung empfangen wird und, nachdem er mit Butter erquickt, die Gebete der Frommen entgegennimmt, um sie als Mittler zwischen Menschen und Göttern, als Freund beider, emporzutragen. Kinder werden bei der Geburt um das Herdfeuer getragen (Amphidromien der Griechen) oder, in Altirland, durch das Feuer gereicht; ebenso umwandelt das junge Ehepaar dreimal den Herd; bei den römischen Palilien und den nordischen Oster- und Johannisfeuern durchschritt Mensch und Vieh die reinigenden, gesund und fruchtbar machenden Feuer. Immer noch an die Herdflamme, der auch bei den Griechen stets das erste Opfer galt, wendet sich der griechisch-römische Kult des Feuers als des weltschöpferischen und kulturbringenden Elements, die Verehrung der Gottheit des häuslichen Herdes und des Erdfeuers (Hestia oder Vesta), des göttergleichen Prometheus, der das Feuer dem Menschen vom Himmel gebracht, d. h. das Feuererzeugen gelehrt hatte. Als weiteres, sekundäres Erzeugnis der menschlichen Phantasie treten uns dann die im Rate der übrigen Götter sitzenden Personifikationen des Feuers als allgemeinen Naturprinzips entgegen, wobei bald die eine Erscheinungsform, bald die andre in den Vordergrund tritt, soz. B. der Vulkanismus und das Schmiedegewerbe beim Hephästos und Vulkan, die Sonnenglut im Dienste des altmexikanischen und peruanischen Feuergottes, das Blitzfeuer im Zeus- und Donarkult etc. Hierher gehören der ägyptische Pytha, der Baal zu Tyrus, der Moloch der Kanaaniter etc., die oft als die ältesten oder Hauptgötter bezeichnet wurden, wie man sich bei den Aino in allen Angelegenheiten zuerst an den Feuergott wendet, der Feuer-Manitu der Delawaren über allen andern Manitus steht etc. Wenn daher auch dem Feuergott als dem furchtbarsten meist die wertvollsten Opfer dargebracht wurden (dem Moloch Menschenopfer) und er bei der Reformation der meisten ältern Kulte in einen feindseligen, aus dem Himmel geworfenen und darum hinkenden, in der Erde angeschmiedeten Dämon verwandelt wurde, wie Ahriman der Perser, Ahi der Inder, Loki der Skandinavier, Luzifer der Christen, so hafteten auch in den Religionen, die sich zum mehr oder weniger reinen Monotheismus aufgeschwungen haben, dem höchsten Gott fast stets einige Züge des alten Feuergottes an. So erscheint Ormuzd als Feuer und spricht aus der Flamme wie Jehova, als er die zehn Gebote gab; Jupiter erscheint auf Bitten der Semele als verzehrendes Feuer etc. Die ewigen Feuer der Perser, Ägypter, Chaldäer, Phöniker, Juden etc. in den Tempeln ihrer höchsten Götter erklären sich hiernach von selbst. Auch im Parsismus (s.d.) wird die Flamme ausdrücklich nur als Symbol des Ormuzd angesehen und nur als solches von den Feueranbetern verehrt. In allen Teilen der Erde, in Mexiko wie in Peru, in Indien wie in Deutschland und Gallien, in Griechenland und Rom, überall ging der F. in gleichen, für seinen Ursprung tief bedeutsamen Formen vor sich; überall nämlich durfte das heilige Feuer des Altars nicht von anderm Feuer genommen werden, sondern wurde durch Quirlen trockner Hölzer, im spätern Rom auch mit Hilfe von Brenngläsern, als »jungfräuliches Urfeuer« erzeugt, und diese Flamme mußte dann mit keuschen Händen gepflegt werden, damit sie nicht erlösche bis zum nächsten Jahresfest, wo unter denselben Zeremonien die Erneuerung vorgenommen wurde. Die Parsen benutzen brennbare Gase und Erdöldünste, die dem Boden entsteigen, als vorzugsweise heiliges Material für solche ewige Feuer und haben an Stätten, wo derartiger Brennstoff dem Boden entquillt, Tempel errichtet, wie z. B. zu Baku auf der Halbinsel Apscheron, wo die ewigen Feuer, weithin leuchtend, aus den Kuppeln der Gebäude hervorbrechen. Mit der größten Sorgfalt wird dieses Feuer vor Verunreinigung gehütet; es darf z. B. nicht mit dem Munde angeblasen werden, und der Priester nähert sich ihm nur mit einem Tuch vor dem Munde. Bei den Römern wurde das Verlöschenlassen des Vestafeuers, das angeblich die Unkeuschheit ihrer Hüterin bezeugte, sogar durch Lebendbegrabenwerden bestraft (vgl. Vestalinnen). In Deutschland haben sich Spuren der jährlichen Erneuerung des Opferfeuers in dem durch Reibung von Hölzern entzündeten Oster- und Johannisfeuer sowie dem sogen. heilenden Notfeuer (s.d.), einer an den uralten F. der Inder erinnernden Zeremonie, bis in unser Jahrhundert erhalten. Vgl.[499] auch Schlangendienst; Preuner, Hestia-Vesta (Tübingen 1864); Kuhn, Die Herabkunft des Feuers und des Göttertranks bei den Indogermanen (2. Abdruck, Berl. 1886).