Herkomer

[211] Herkomer, Hubert, Maler, geb. 26. Mai 1849 zu Waal bei Landsberg in Bayern, von wo sein Vater, ein geschickter Holzschnitzer, 1851 nach den Vereinigten Staaten auswanderte. 1857 begab er sich nach England und ließ sich in Southampton nieder. Der Sohn wurde mit 13 Jahren auf die dortige Kunstschule geschickt und erhielt schon, ehe ein Jahr vergangen war, eine Medaille. 1865 begleitete er seinen Vater nach München, wo dieser eine Reihe von Figuren nach Peter Vischer schnitzen sollte und der Sohn durch den Maler Echter in seinen Studien sehr gefördert wurde. 1866 trat er in die Schule von South Kensington, mußte aber schon fünf Monate darauf nach Southampton zurückkehren. 1868 ließ er sich in dem kleinen Dorfe Hythe nieder und malte in dürftigen Umständen zwei Bilder, die 1869 in der Dudley-Galerie ausgestellt wurden. Dann ging er 1870 nach London und begann durch die erstaunliche Wahrheit und Schärfe der Charakteristik seiner Bilder immer mehr Beifall zu ernten, insbes. mit den für das Journal »The Graphic« gelieferten Kompositionen und mit dem in der Normandie gemalten Bild: Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz. 1871 trat er in die Gesellschaft der Aquarellmaler und stieg durch seine Bilder: die Ruhe, am Brunnen, das Abendbrot, der Käsekrämer, die Müdigkeit u. a. zu immer größerm Ansehen. In die Ausstellung der Akademie sandte er 1873 das Bild: nach des Tages Lasten, 1874: im Wald, 1875: die Verhaftung des Wilddiebes und den Gottesdienst der alten Invaliden im Hospital zu Chelsea, von denen besonders das letzte durch höchste Naturwahrheit ausgezeichnet ist. Es brachte ihm auf der Pariser Weltausstellung von 1878 die Ehrenmedaille ein. 1876 stellte er das melancholische Bild: an der Tür des Todes, 1877 das Porträt Richard Wagners und eine Prozession in Bayern aus und 1878 ein meisterhaft durchgeführtes Bild: Tee trinkende alte Frauen in einem Arbeitshaus.[211] Von seinen nächsten, durch große Kraft der Darstellung und Energie der Charakteristik ausgezeichneten Bildnissen sind noch die der Dichter R. Browning und Tennyson sowie von Archibald Forbes und das einer jungen Engländerin (Grant) zu nennen, das ihm auf der Berliner Ausstellung von 1886 die große goldene Medaille eintrug. Als Seitenstück zu diesem unter dem Namen die »Dame in Weiß« bekannt gewordenen Bildnis malte er 1888 die »Dame in Schwarz«. Es folgten die Bildnisse seines Vaters, Stanleys, Ruskins, des Pianofortefabrikanten Bechstein, Salisburys, Max Müllers, des Malers G. F. Watts, des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern, des Generals Booth u. a., die Versammlung der Kuratoren im Charterhaus (1889), das ländliche Idyll: unser Dorf (Ansicht von Dyreham mit Figuren) und Während des Streiks (1891). Alle seine frühern Werke übertraf er an Energie und Mannigfaltigkeit der Charakteristik durch das figurenreiche Bild: Eine Magistratssitzung in Landsberg am Lech (1893), aus seiner Heimat, das er der Stadt Landsberg zum Geschenk machte, die Porträtgruppe: das Bureau der Direktoren, die ergreifende Schilderung der Ankunft von Auswanderern in New York und ein Hoch der Königin! (die Invaliden bei der Feier des 60jährigen Jubiläums der Königin Viktoria). Seit 1898 widmete er sich auch der Emailmalerei auf Metall, die er für das zum Ausdruck seiner koloristischen Absichten geeignetste Mittel hält, und führte in dieser Technik unter anderm sein Selbstbildnis, einen 11/2 m langen Prunkschild: der Triumph der Stunde, mit allegorischen Darstellungen, das symbolische Bild: das Alter der Schönheit und ein lebensgroßes Bildnis des Kaisers Wilhelm II. aus. 1885 wurde er zum Mitglied der Berliner Akademie ernannt und erhielt die Slade-Professur in Oxford, und 1899 wurde er vom Prinz-Regenten von Bayern geadelt. H. ist auch ein vortrefflicher Radierer (Bildnisse der Miß Grant, der Dame in Schwarz und zahlreiche Originalradierungen). Die in Oxford gehaltenen Vorlesungen gab er u. d. T. »Etching and mezzotint engraving« (Lond. 1892) heraus. Er lebt in Dyreham (Bushey). Vgl. Baldry, Hubert von H., a study (Lond. 1901); Pietsch, Herkomer (Bielef. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 211-212.
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