[294] Heuschrecken (Grashüpfer, Graspferdchen, Heupferde, Grillen, Sprengsel, Orthoptera saltatoria Latr.), Insektengruppe aus der Ordnung der Geradflügler, umfassend die Familien der Grabheuschrecken, Laubheuschrecken und Feldheuschrecken. Die Feldheuschrecken (Acrididae) haben einen seitlich zusammengedrückten Körper, senkrecht stehenden Kopf, meist Nebenaugen, kurze Fühler, eine sehr große, in der Mitte eingeschnittene Oberlippe und dreigliederige Tarsen. Die Flügeldecken sind fast durchweg schmäler, aber ebenso lang wie die Hinterflügel. Mit den Schenkeln der meist verlängerten Hinterbeine geigen die Männchen an den Flügeldecken und erzeugen dadurch schrillende, wenig anhaltende Töne. Die Legescheide des Weibchens ist kurz, nicht hervorragend. Am Hinterleib liegt beiderseits dicht hinter dem Metathorax eine von einem hornigen Ring umgebene und mit einer zarten Membran überspannte Grube, die als Gehörorgan gedeutet wird. Alle H. sind äußerst gefräßig, leben nur von Pflanzen und werden oft den Saaten verderblich. Im Herbst legt das Weibchen in Klümpchen vereinigte Eier an Grashalme oder flach unter die Erde. Die flügellosen Larven kriechen im Frühjahr aus, wachsen unter mehrmaligen Häutungen bis Juli oder August heran und sterben nach der Begattung und dem Ablegen der Eier. Die Wanderheuschrecke (Oedipoda migratoria L. s. Tafel »Geradflügler II«, Fig. 6), 5 cm lang, ist oben graugrün bis braun- oder grasgrün, unten fleischrötlich bis rot oder gelb, an der Innenseite der Hinterschenkel blau mit zwei dunkeln Querbinden; die bräunlichen Flügeldecken sind dunkel gefleckt, die Flügel innen gelblichgrün, sonst glashell. Das Weibchen legt etwa 150 Eier in 23 Klümpchen meist 4 cm tief in die Erde; die anfangs gelblichweißen Larven häuten sich fünfmal. Die Wanderheuschrecke ist in Südeuropa, in der Tatarei, in Syrien und Kleinasien heimisch. Die Nordlinie ihrer Verbreitung geht von Spanien durch Südfrankreich, die Schweiz, Bayern, Thüringen, Sachsen, die Mark, Posen, Polen, Wolhynien, Südrußland, Südsibirien bis zum nördlichen China. Vereinzelte Züge wurden auch in Schweden, England und Schottland beobachtet. Die Wanderheuschrecke richtet großartige Verwüstungen im Süden und Südosten an, oft sind aber auch Schwärme in Deutschland eingefallen. Erfolgreiche Bekämpfung ist nur durch gemeinsames Vorgehen ganzer Dörfer, ja Provinzen möglich. Schon bei Plinius ist von Gesetzen die Rede, nach denen die Bewohner von Kyrene jährlich dreimal gegen die Wanderheuschrecken zu Felde ziehen mußten. Solche Gesetze sind auch in Frankreich und Preußen erlassen worden. Man hat die die Eier bergenden Erdklümpchen zu sammeln, zur Zerstörung der Larven Gräben zu ziehen, Fallöcher in deren Sohle anzubringen, die Brut hineinzutreiben und zu töten. Versuche, unter den H. durch Pilzsporen eine Krankheit zu erzeugen, haben bisher nicht zu befriedigenden Resultaten geführt. Beim Hereinbrechen von Schwärmen bleibt nichts übrig, als die Feldfrüchte, deren Erntezeit nahe ist, so schnell wie möglich[294] einzubringen, um wenigstens etwas zu retten. Mit dem Auftreten der H. erscheint oft der Rosenstar, dessen bevorzugte Nahrung die H. bilden. Andre Feinde der Wanderheuschrecken sind auch Regenpfeifer, Schakale, Füchse, viele Pflanzenfresser und Insekten sowie manche Schmarotzerpilze. Die osteuropäische Wanderheuschrecke ist von manchen als besondere Art (O. einerascens Fab., s. Tafel »Geradflügler II«, Fig. 66) unterschieden worden. Auch in Amerika und besonders in Afrika treten gleich gefährliche Arten auf. Schriftsteller des Altertums erzählen von heuschreckenessenden Völkern (Akridophagen); auch Moses erwähnt die H. als Speise, und noch gegenwärtig werden sie von den Arabern und in Südafrika gegessen, auch füttert man damit die Pferde. In Deutschland leben noch mehrere Arten mit blauen oder roten, schwarz gesäumten Hinterflügeln. Die kleinen auf Wiesen und Grasplätzen lebenden H. gehören zur Gattung Gomphocerus Burm. und von diesen soll G. pratorum Fisch. bisweilen auf Wiesen, Gersten- und Haferfeldern Schaden anrichten. Die italienische Heuschrecke (Caloptenus italicus Burm.), am Körper und auf den Flügeldecken schmutziggelb, braun gesprenkelt, am Innenrande der Hinterflügel und an der Innenseite der Hinterschenkel rosenrot, zeigt sich vesonders in Wäldern und wird vorzugsweise den Bäumen und der Weinblüte nachteilig. Sie findet sich in Italien, Rußland, auch in Österreich und Deutschland. Vgl. Gerstäcker, Die Wanderheuschrecke (Berl. 1876); de Saussure, Prodrome des Oedipodiens (Genf 1884, Ergänzungen 1888); Munro, Locust plague and its suppression (Lond. 1900); Sander, Die Wanderheuschrecken und ihre Bekämpfung in unsern afrikanischen Kolonien (Berl. 1902). Die Dornschrecke (Tetrix subulata L., s. Tafel »Geradflügler II«, Fig 3), mit sehr kleinem Kopf, stark vorspringenden Augen, nach hinten sehr stark verlängertem Prothorax, schuppenförmigen Flügeldecken, ohne Zirpvermögen, 11 mm lang, graubraun, mit hell gelber Längsbinde auf Kopf und Thorax, ist überall sucht setten.
Bei den Laubheuschrecken (Locustidae) tritt der Scheitel zwischen den halbkugeligen Augen meist spitzig hervor, Nebenaugen fehlen meist; die Fühler sind sehr lang, dünn, borstenförmig, und die Oberlippe ist kreisrund. In dem Hinterfeld der rechten untern Flügeldecke liegt bei dem Männchen eine rundliche, glashelle, von einem hornigen Ring eingefaßte Membran, in dem der linken Flügeldecke dagegen eine kräftige, gekerbte Querader, mit welcher der Ring gewetzt werden kann. Hierdurch entsteht das Zirpen, das durch die Schwingung der Membran verstärkt wird. Die Hinterbeine sind verlängert, die Tarsen viergliederig. Die Legescheide ist meist groß, säbelförmig. Das Gehörorgan liegt an der Basis der Vorderschienen und besteht aus paarigen Spaltöffnungen, die durch eine innen ausgespannte Membran verschlossen sind (s. Abbildung). Die meist grünen Laubheuschrecken sind über die ganze Erde verbreitet und leben vielleicht vorwiegend von tierischer Kost. Der Warzenbeißer (großes braunes Heupferdchen, Decticus verrucivorus L., s. Tafel »Geradflügler II«, Fig. 2), 3 cm lang, bräunlichgrün, besonders auf den Flügeldecken braun gefleckt, unterseits heller, mehr gelblich, legt etwa 100 Eier zu je 68 in die Erde, findet sich in Nord- und Mitteleuropa häufig auf Wiesen und Kleefeldern, beißt so stark, daß die Haut mit Blut unterläuft, und läßt dabei einen braunen Saft ausfließen. Das große grüne Heupferd (Locusta viridissima L.), 2,5 cm lang, hell grasgrün, mit den Hinterleib überragenden Flügeldecken, deren Hinterfeld gebräunt ist, am Scheitel und Thorax mit rostroter Längsbinde, auf letzterm zugleich mit zwei hellgelben Flecken, findet sich überall in Europa in Getreidefeldern, nach der Ernte auf Bäumen und Gesträuch, wird wegen seines Gesanges von Kindern in kleinen Drahthäuschen gehalten. Systella Rafflesi, s. Tafel »Geradflügler I«, Fig. 7.
Die Grabheuschrecken (Gryllidae) haben einen walzigen Körper, einen dicken Kopf, elliptische Augen, oft keine Nebenaugen, borstenförmige Fühler, eine fast kreisrunde Oberlippe, fast horizontal liegende Flügeldecken, beim Männchen zuweilen mit einem Stimmorgan, dicht gefaltete, die Flügeldecken peitschenförmig überragende Hinterflügel, oft Grabbeine, dreigliederige Tarsen und zwei lange, gegliederte Raife an der Spitze des Hinterleibes. Das Stimmorgan besteht aus einer gekerbten Querader der rechten Flügel decke, die gegen eine Ader der linken Flügeldecke gestrichen wird. Sie legen Höhlungen und Gänge unter der Erdoberfläche an, die ihnen als Zufluchtsort, zum beständigen Aufenthalt und zum Ablegen der Eier dienen. Die Nahrung ist vorwiegend tierisch. Hierher gehören die Maulwurfsgrille (s. d.) und die Feldgrille (Gryllus campestris L. s. Tafel »Geradflügler II«, Fig. 1). Diese ist 2 cm lang, glänzend schwarz, mit braunen, an der Basis gelben Vorderflügeln, kürzern Hinterflügeln, an der Unterseite blutroten Hinterschenkeln und beim Weibchen auch blutroten Hinterschienen. Sie lebt einsam auf sandigen Feldern in Gängen und Höhlungen, und das Männchen lockt an der Mündung seines Baues das Weibchen durch Zirpen herbei.
Letzteres legt gegen 300 Eier. Die Larven kriechen schon im Herbst aus und überwintern, um sich im Frühjahr weiter zu entwickeln. Die Nahrung besteht aus Wurzeln. Die Hausgrille (Heimchen, G. domesticus L., s. Tafel »Geradflügler II«, Fig. 5), 2 cm lang, lederbraun, mit gelbem Kopf und brauner Querbinde auf demselben, zwei dreieckigen braunen Flecken auf dem Halsschild, lichtgelben Beinen, lebt gesellig in Häusern an warmen Stellen und zirpt oft die ganze Nacht hindurch. Sie legt ihre Eier in Schutt, Kehricht oder lockeres Erdreich und überwintert als Larve. Zusammengesperrt fressen Haus- und Feldgrillen einander auf.
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