[818] Kekule von Stradonitz, 1) Friedrich August, Chemiker, geb. 7. Sept. 1829 in Darmstadt, gest. 13. Juli 1896 in Bonn, habilitierte sich 1856 als Privatdozent in Heidelberg, wurde 1858 Professor in Gent und 1865 in Bonn, wo er auch die Direktion des chemischen Instituts übernahm. K. hat durch zahlreiche Untersuchungen namentlich die organische Chemie gefördert, vor allem aber legte er durch seine Arbeit über die Vieratomigkeit des Kohlenstoffs (1858) das Fundament zu den neuen Ansichten über den Aufbau der chemischen Verbindungen. Diese Arbeit gab der organischen Chemie eine neue Richtung und gilt mit Kekules 1865 veröffentlichter Benzoltheorie als das Wichtigste, was auf spekulativem Gebiet für die Chemie in neuester Zeit geleistet wurde. Er schrieb »Lehrbuch der organischen Chemie« (Erlang. 186167, 3 Bde.) und »Chemie der Benzolderivate« (das. 1867), beide unvollendet. 1890 übergab eine Vereinigung deutscher chemischer Großindustrieller sein von Angely gemaltes Bildnis der Nationalgalerie in Berlin. Seit 1895 führte er den alten Familiennamen K. von Stradonitz. 1903 wurde ihm in Bonn ein Denkmal (von Everding) errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Chemiker II« (Bd. 3, S. 913).
2) Reinhard, Archäolog, Verwandter des vorigen, geb. 6. März 1839 in Darmstadt, studierte seit 1857 in Erlangen, Göttingen und Berlin, hielt sich 186368 in Italien und Griechenland auf, habilitierte sich dann in Bonn, wurde 1869 Konservator des Museums in Wiesbaden und 1870 außerordentlicher, 1873 ordentlicher Professor in Bonn. 1889 wurde er zum Direktor der Abteilung der antiken Skulpturen in dem königlichen Museum zu Berlin ernannt, wo er[818] zugleich ordentlicher Professor an der Universität ist. 1894 erhielt er den Titel Geheimer Regierungsrat, und 1898 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er schrieb unter anderm: »Hebe, eine archäologische Abhandlung« (Leipz. 1867); »Die Balustrade des Tempels der Athena Nike« (das. 1869); »Die antiken Bildwerke im Theseion« (das. 1869); »Die Gruppe des Künstlers Menelaos in Villa Ludovisi« (das. 1870); »Das akademische Kunstmuseum zu Bonn« (Bonn 1872); »Über die Entstehung der Götterideale der griechischen Kunst« (Stuttg. 1876); »Das Leben Friedr. Gottl. Welckers« (Leipz. 1880); »Über den Kopf des Praxitelischen Hermes« (Stuttg. 1881); »Zur Deutung und Zeitbestimmung des Laokoon« (das. 1883); »Über eine weibliche Gewandstatue aus der Werkstatt der Parthenongiebelfiguren« (Berl. 1894) und veröffentlichte einige umfangreiche Bilderwerke, wie: »Griechische Tonfiguren aus Tanagra« (Leipz. 1878), »Die antiken Terrakotten«, Bd. 1: Pompeji (mit v. Rohden, das. 1880); Bd. 2: Sizilien (das. 1884); Bd. 3: Die Typen der figürlichen Terrakotten (mit F. Winter, das. 1903); »Die Reliefs an der Balustrade der Athena Nike«, nach neuen Zeichnungen und Entwürfen von Otto (das. 1881); »Ausgewählte griechische Terrakotten im Antiquarium der königlichen Museen in Berlin« (das. 1903).
3) Stephan, Sohn von K. 1), deutscher Staatsrechtslehrer, Genealog und Heraldiker, geb. 1. Mai 1863 in Gent, studierte 188384 in Bonn und Straßburg Naturwissenschaften, betrat die militärische Laufbahn und war 188589 Artillerieoffizier, studierte 188992 von neuem zu Berlin an der Universität und am Seminar für orientatische Sprachen, wurde 1893 Kammergerichtsreferendar, schied jedoch 1897 aus dem Justizdienst und lebt, Rechtsbeistand des fürstlich Schaumburg-lippischen Hauses im lippischen Thronstreit geworden, als Privatgelehrter in Großlichterfelde. Außer seiner philosophischen (1892) und seiner juristischen Dissertation (1894) und zahlreichen Abhandlungen schrieb er: »Die staatsrechtliche Stellung der Grafen zu Dohna am Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts« (Berl. 1896); »Untersuchungen zur lippischen Thronfolgefrage« (das. 1897,3 Hefte); »Über die Akten des Karl Philipp von Unruh« (das. 1899); »Goethe als Genealog« (das. 1900); »Über den gegenwärtigen Stand der Unruh-Frage« (2. Aufl., das. 1904); »Ausgewählte Aufsätze aus dem Gebiete des Staatsrechts und der Genealogie« (das. 1905). Sein Hauptwerk ist der »Ahnentafel-Atlas. Ahnentafeln zu 32 Ahnen der Regenten Europas und ihrer Gemahlinnen« (Berl. 18981904).