[18] Kindesmord (Kindestötung, Infanticidium), die vorsätzliche Tötung eines unehelichen Kindes durch dessen Mutter in oder gleich nach der Geburt. Während die frühere Gesetzgebung und namentlich die peinliche Gerichtsordnung Karls V. (die sogen. Carolina) den K. als Mord bestrafte, zog die gemeinrechtliche Praxis unter dem Einfluß der naturrechtlichen Literatur und die moderne Gesetzgebung die besondern Tatumstände dieses Verbrechens in mildernde Berücksichtigung, namentlich die Aufregung der Mutter zur Zeit der Tat, die Furcht vor Entdeckung ihres Fehltritts und vor einer traurigen Zukunft. Dagegen unterscheidet das englische Recht ebensowenig wie das französische den K. von den sonstigen Fällen des Mordes und bestraft denselben daher wie den Mord mit dem Tode. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand der Kindestötung folgender: 1) Objekt des Verbrechens ist ein uneheliches Kind; sei es auch von einer Ehefrau, jedoch im Ehebruch, empfangen und geboren. Dasselbe muß aber gelebt haben, gleichviel, ob es zum Fortleben geeignet war. Ob dies der Fall gewesen, ist nötigenfalls durch Sachverständige, namentlich durch Anwendung der sogen. Atemprobe (s. Lungenprobe) festzustellen. 2) Subjekt der Tat kann nur die außereheliche Mutter selbst sein, indem bei andern Tätern, Anstiftern oder Gehilfen jene oben hervorgehobenen mildernden Umstände nicht in Anbetracht kommen, daher für diese lediglich die Strafbestimmungen über Mord und Totschlag maßgebend sein können. 3) Die Handlung selbst muß vorsätzlich geschehen; bei fahrlässiger Kindestötung sind die Grundsätze über fahrlässige Tötung überhaupt entscheidend; sie muß auch in oder gleich nach der Geburt geschehen. Das Reichsstrafgesetzbuch (§ 217, 43 ff.) und das österreichische Strafgesetzbuch (§ 139) stellen jedoch keine solche Grenze auf; die Tat wird als K. bestraft, wenn sie in oder gleich nach der Geburt, d. h. während des durch den Geburtsakt hervorgerufenen Stadiums der Erregtheit der Mutter, erfolgt ist. Die Strafe der Kindestötung ist eine geringere als die des Mordes und des Totschlags, nämlich Zuchthausstrafe von 315 Jahren und, wenn mildernde Umstände vorhanden, Gefängnis von 25 Jahren. In Österreich ist, wenn der Mord an einem ehelichen Kinde geschah, lebenslänglicher schwerer Kerker zu verhängen. War das Kind unehelich, so tritt im Falle der Tötung 1020jährige, wenn aber das Kind durch Unterlassung des bei der Geburt nötigen Beistandes umkam, 510jährige schwere Kerkerstrafe ein. Auch der Versuch wird bestraft. Verschieden vom K. ist die Abtreibung eines Kindes (s. Abtreibung der Leibesfrucht). Vgl. v. Fabrice, Die Lehre von der Kindesabtreibung und vom K. (Erlang. 1868); Wehrli, Der K (Frauenfeld 1889).