Konservieren

[413] Konservieren (lat., »bewahren«), leicht verderbliche Stoffe in solcher Weise zurichten und aufbewahren, daß sie sich lange unverändert erhalten. Die Zersetzungsprozesse, vor denen die betreffenden Stoffe geschützt werden sollen, sind Gärung, Fäulnis und Verwesung, und die gewöhnlichen Mittel, durch die man das Eintreten derselben verhindert, sind Kälte, Austrocknung, hohe Temperatur, Luftabschluß und antiseptische Mittel. Kälte wird sehr häufig angewendet, um Fleisch lange Zeit frisch zu erhalten; die Fäulnis wird durch niedrige Temperatur sehr stark verzögert, und es ist durch Anwendung von Kälte gelungen, frisches Fleisch in genießbarem Zustand aus Südamerika und Australien nach Europa zu bringen. In den Kühlanlagen (s. Kälteerzeugungsmaschinen) kann Fleisch bis 6 Wochen, Weinbeeren, Pfirsiche bis 3 Wochen, Birnen 1–2 und Äpfel 6 Monate aufbewahrt werden. Das durch Kälte konservierte Fleisch verdirbt aber schneller als frisches, sobald es wieder die gewöhnliche Temperatur annimmt. Gärung, Fäulnis und Verwesung verlaufen nur bei Gegenwart von Wasser, und daher werden selbst leicht veränderliche Stoffe vollkommen konserviert, wenn man sie schnell und vollständig austrocknet. Dies geschieht mit Fleisch, Obst, Gemüse, Kartoffeln etc. Häufig vertragen aber die zu trocknenden Gegenstände keine hohe Temperatur, und in solchem Falle muß man das Trocknen bei niederer Temperatur durch Verdünnung der Luft beschleunigen. Sehr vorteilhaft werden die getrockneten Gegenstände zusammengepreßt und dadurch der Einwirkung der Luft entzogen (komprimierte Gemüse). Darf beim Trocknen Hitze angewendet werden, so wird auch das Eiweiß koaguliert und dadurch weniger fäulnisfähig, aber auch weniger leicht verdaulich. Vegetabilische Substanzen trocknen leichter nach dem Abbrühen, weil dadurch die Zellen geöffnet werden. Völliges Austrocknen ist nicht immer notwendig, weil Säfte und Lösungen bei sehr hoher Konzentration die Neigung, sich zu verändern, mehr oder weniger verlieren. Zur Extraktkonsistenz verdampfte Säfte, Milch etc. sind sehr haltbar. Denselben Zweck erreicht man durch Auflösen von hinreichenden [413] Mengen Zucker in der nicht verdampften Flüssigkeit. Bestreut man frische Früchte mit viel Zucker, so löst er sich im Fruchtsaft, und die starke Zuckerlösung ist nicht mehr gärungsfähig. Ähnlich wirken Salz und Alkohol. Indem aber das Salz z. B. dem Fleisch Wasser entzieht, verursacht es auch das Austreten wichtiger Nahrungsstoffe, die in dem Fleisch gelöst sind, und diese Stoffe gehen mit der nicht benutzten Pökelbrühe verloren. Höchst günstig wirkt auf die Erhaltung der Stoffe der Abschluß der Luft, weil durch die Luft die Keime von Organismen zugeführt werden, welche die Zersetzungsprozesse einleiten. Da völliger Abschluß der Luft nicht immer erreichbar ist, so begnügt man sich oft mit einem Zusammenpressen der zu konservierenden Gegenstände. Sehr einfach erreicht man den Abschluß der Luft, indem man z. B. eine Frucht in geschmolzenes Paraffin taucht oder in Öl legt, oder Fleisch mit geschmolzenem Fett umgießt oder dasselbe in Gelatine einbettet. Die Poren der Eierschalen verschließt man durch Fett, Wasserglas, Kalk, Gummi. Auf Wein gießt man eine Schicht Öl etc. Viel sicherer wirksam ist Abschluß der Luft, wenn man vorher in den aufzubewahrenden Stoffen vorhandene Keime der Fäulnisorganismen durch Erhitzen getötet hat. Hierauf beruht die am häufigsten angewendete Appertsche Konservierungsmethode, nach der man die zu konservierenden Substanzen in Gefäße bringt, die bis auf eine kleine Öffnung verschlossen sind, die Gefäße anhaltend auf Siedetemperatur erhitzt und sie luftdicht verschließt, sobald durch den Wasserdampf die Luft vollständig ausgetrieben ist. Hierzu werden gewöhnlich Blechbüchsen angewendet, die man nach dem Kochen verlötet, und die Haltbarkeit der darin aufbewahrten Stoffe hat der Konservenindustrie eine ungemein große Ausdehnung verschafft (vgl. Konserven). Schiller in Godesberg verschließt Glashäfen durch einen Porzellandeckel und einen einfachen Bügel. Zwischen den Rand des Hafens und den Porzellandeckel wird ein ringförmig geschlossenes Gummirohr gelegt, das sich den beiderseitigen Unebenheiten genau anschmiegt und dadurch einen vollkommen luftdichten Verschluß herbeiführt. Bei Schillers Kapselverschluß wird auf den Rand des Hafens ein Gummiring gelegt und dann eine Blechkapsel aufgesetzt, die federnd über eine Wulst des Hafenhalses schnappt und dabei sich an den Gummiring preßt. Zum Kochen dient ein Blechtopf, der Häfen von verschiedener Größe in fester Lage aufnimmt, so daß die bisher übliche lästige und bedenkliche Packung in Heu oder Stroh fortfällt. Weck in Öflingen (Baden) benutzt Gläser mit geschliffenem Rand und entsprechende Deckel, legt zwischen beide einen Gummiring, stellt die gefüllten und verschlossenen Gefäße in einen Apparat, in dem die Deckel durch eine Feder an die Gefäße gedrückt werden, stellt den Apparat in einen mit Wasser gefüllten Kochtopf, in dem sich die Gefäße völlig unter Wasser befinden, und kocht je nach dem Inhalte der Gefäße längere oder kürzere Zeit. Nach dem Erkalten ergibt der Luftdruck einen völlig dichten Verschluß, und die Sterilisierung ist so vollkommen, daß sich die Konserven lange Zeit unverändert erhalten. Hierher gehört auch das K. von Wein, Bier, Milch etc. durch Erwärmen (Pasteurisieren). Antiseptische Mittel kommen in großer Anzahl zur Anwendung. Man benutzt hauptsächlich Spiritus, Essig, starke Zucker- und Salzlösungen, Salpeter, Glyzerin, Kreosot und Karbolsäure (beim Räuchern), ätherische Öle (in den Gewürzen), schweflige Säure, Salizylsäure, Borsäure etc. Diese Chemikalien kommen in sehr zahlreichen Mischungen unter den verschiedensten Namen in den Handel. Sind aber schon die reinen Chemikalien mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln, da bei vielen noch keineswegs sicher feststeht, ob lange fortgesetzter Genuß auch kleiner Mengen völlig unschädlich ist, so ist den oben genannten Mitteln gegenüber doppelte Vorsicht geboten. Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. Febr. 1902 ist die Anwendung von Konservierungsmitteln, wie Borsäure und ihre Salze, Formaldehyd, Alkali- und Erdalkalihydroxyde und Karbonate, Unterschwefligsäuresalze, Fluorwasserstoffsäure und ihre Salze, Salizylsäure und ihre Verbindungen, Chlorsäuresalze, Schwefligsäuresalze, verboten.

Besondere Bedeutung hat die Konservierung von Fleisch durch Kälte. Soll frisches Fleisch bis zu 6 Wochen aufbewahrt werden, so hängt man es frei an Haken in geeigneten Räumen auf, in denen durch Kältemaschinen und Ventilation eine Temperatur von+2 bis 3° und ein relativer Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 70–75 Proz. erhalten wird. Kühlanlagen dieser Art bestehen zahlreich im Anschluß an die städtischen Schlachthöfe. Soll das Fleisch längere Zeit, jahrelang, konserviert werden, so muß es in hart gefrornem Zustand erhalten werden. Man bringt es, frei an Haken hängend, in Räume mit -10 bis -20° und schichtet es, wenn es vollständig gefroren ist, in den Magazinen bei -5 bis -10° auf. In den großen Schlächtereien der Hafenplätze Südamerikas, Australiens und Neuseelands wird Hammel- und Ochsenfleisch in angegebener Weise magaziniert, in mit Kältemaschinen versehenen Schiffen nach England und in den dortigen Hafenstädten wieder in Gefrieranlagen gebracht. Auch kleinere Gefrieranlagen für Wild, Geflügel und Fische kommen immer mehr in Gebrauch.

Auch die landwirtschaftlichen Futtermittel werden vielfach konserviert. Kartoffeln, Rüben etc. bewahrt man in Mieten auf, die, weil es sich um lebende Pflanzen handelt, der Lüftung bedürfen. Grünfutter wird an der Luft getrocknet (Heu), Kartoffeln trocknet man in besondern Apparaten. Bei der Süßfutterbereitung durch Trockenpressung der frischen Pflanzen entstehen starke Verluste an organischer Substanz, an Eiweiß und stickstofffreien Nährstoffen. Vorteilhafter ist die Einsäuerung der frischen Futterstoffe, die ein nahrhaftes und bekömmliches Futter liefert (vgl. Futterbereitung). Über die Konservierung von Holz s. d. (S. 494 f.), von Häuten s. Häute, von Leichen s. Einbalsamieren. Vgl. Mierzinski, Die Konservierung der Tier- und Pflanzenstoffe (Berl. 1878); Hausner, Die Fabrikation der Konserven und Kanditen (3. Aufl., Wien 1898); Heinzerling, Die Konservierung des Fleisches (Halle 1883); Bach, Die Verwertung und Konservierung des Obstes und der Gemüse (2. Aufl., Stuttg. 1898); Baumer, Das K. der Früchte (Wien 1890); Plagge u. Trapp, Die Methoden der Fleischkonservierung (»Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militärsanitätswesens«, Heft 5, Berl. 1893); Andès, Das K. der Nahrungs- und Genußmittel (Wien 1894); Koller, Die Konservierung der Nahrungsmittel und die Konservierung in der Gärungstechnik (Stuttg. 1901); »Veröffentlichungen des Vereins deutscher Konserven- und Präservenfabrikanten« (Leipz. 1902 f.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 413-414.
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