[369] Martinique (spr. -nīk'), eine der Kleinen Antillen (s. Karte »Westindien etc.«), der Gruppe der »Inseln über dem Winde« zugehörig und die wichtigste Besitzung der Franzosen in Westindien, zwischen Santa Lucia und Dominica, unter 14°30' nördl. Br. und 65°40' westl. L., 988 qkm groß. Die Küste ist im O. von Korallenbänken umsäumt und durch zahlreiche Baien stark zerschnitten, bei der durch den herrschenden Nordostpassat verursachten starken Brandung aber gefährlich und schwer zugänglich. An der Westseite greift die große und tiefe Bucht von Fort-de-France in den Inselkörper ein und bildet den besten Naturhafen, den die Kleinen Antillen besitzen, während die Reede von St.-Pierre, weiter nördlich, ganz offen liegt und gegen S. und W. keinerlei Schutz bietet, nichtsdestoweniger aber von Handelsschiffen bis zu der Katastrophe von St.-Pierre am meisten benutzt wurde. Bis auf geringfügige Strecken im S. und SO., wo tertiäres Schichtgestein (besonders Kalkstein) zutage tritt, besteht M. aus vulkanischen Aufschüttungen (Andesittuss, Breccie, Lava, Diorit, Dacit, Basalt), die im N. der Insel am jüngsten sind und sich dort im Mont Pelé (1902: 1350 m) und in den Pitons de Carbet (1207 m) am höchsten emportürmen. Nur der Mont Pelé (s. d.) hatte aber in historischer Zeit Ausbrüche, 1762 und 1851 schwache und vom 8. Mai 1902 ab in einem merkwürdigen Zusammenspiel mit der Soufrière von St.-Vincent und verschiedenen mittelamerikanischen Vulkanen sehr starke, bei denen die blühende Hafenstadt St.-Pierre mit 3040,000 Bewohnern vernichtet und ihre reiche Umgebung verwüstet wurde, der Vulkan aber seine Höhe und Gestatt[369] vielfach veränderte, besonders durch das Herauswachsen und Zusammenstürzen einer großartigen Felsnadel (aiguille) von etwa 700 m Höhe. Im Zusammenhang mit dem jungen Vulkanismus sind auch heiße Quellen zahlreich und Erdbeben häufig. Unter den vielen kleinen Flüssen, welche die Insel bewässern, sind die Riviére Lézarde und Rivière Salée die stattlichsten. Das Klima ist tropisch warm (St.-Pierre mit 22° absoluter Minimal- und 32,5° Maximaltemperatur), durch den Passatwind aber für Europäer erträglich. In der Regenzeit (Juni bis November) gehen sehr starke Güsse nieder, während die winterliche Trockenzeit nicht selten in Dürre ausartet. Fort-de-France erhält im Jahresmittel 2380 mm Regen. Furchtbare Orkane (1891 und 1903) verheerten die Insel wiederholt. Der Pflanzenwuchs ist üppig, mit schönen Bau- und Nutzhölzern in den dichten Waldungen, die nur auf den höchsten Bergspitzen zu Gestrüpp verkümmern. Das Tierreich bietet Wild (Aguti), Schildkröten, Krabben, Schlangen, darunter die sehr giftige Lanzenschlange (Trigonocephalus lanceolatus), unzählige und sehr lästige Ameisen, Moskitos etc. Die Bevölkerung betrug 1901: 207,011 Seelen, meist Neger und Mulatten und nur etwa 8000 Weiße. Für den Unterricht sorgten 1901 ein Lyzeum in St.-Pierre, eine Rechtsschule in Fort-de-France, zwei Seminare, 76 öffentliche Schulen mit 12,180 Kindern und verschiedene Privatschulen. Ein Bischof residiert in Fort-de-France. Hauptbeschäftigung ist Landbau. Von der Oberfläche sind 30 Proz. angebaut, 19 Proz. Weide, 18 Proz. Wald. Mit Zuckerrohr waren 1899 bepflanzt 10,116 Hektar, mit Kakao 1784 Hektar, mit Kaffee 349 Hektar, mit Baumwolle 18 Hektar, mit tropischen Nährfrüchten (Maniok, Yams, Bataten) 15,067 Hektar. Der Mango- und der Orangenbaum und alle Südfrüchte gedeihen. Für Vanille- und Kochenillezucht scheint das Klima zu feucht zu sein. An Vieh zählte man 1883: 4875 Pferde, 4480 Esel und Maultiere, 21,210 Rinder, 21,290 Schafe, 5545 Ziegen u. 19,185 Schweine. Die Industrie beschränkt sich in der Hauptsache auf Zucker- u. Rumfabrikation, Töpferei u. Kalkbrennerei; auch der Fischfang ist ohne Bedeutung. Der Handel geht vorwiegend nach Frankreich, hat aber durch die Vulkanausbrüche von 1902 und den Orkan von 1903 schwer gelitten. Die Einfuhr betrug 1901: 21,578,750, 1903: 16,311,650 Mk., die Ausfuhr 1901: 19,213,320, 1903: 12,093,250 Mk., die Zuckerausfuhr 1901: 12,578,720 Mk. (39,748 Ton.), 1903: 7,174,600 Mk. (29,035 Ton.); die Kakaoausfuhr, die seinerzeit besonders aus der Umgebung des Mont Pelé stammte, 1901: 704,000 Mk. (9273 Ztr.), 1903: 386,500 Mk. (6339 Ztr.); die Rumausfuhr 1901: 3,384,000, 1903: 2,492,000 Mk. An der Einfuhr von Lebensmitteln und Manufakten nimmt die nordamerikanische Union starken Anteil. Der Schiffsverkehr (1903: 651,652 Ton.) erfolgt zur größern Hälfte unter englischer, zur kleinern unter französischer Flagge, während nebenher italienische und norwegische Schiffe am stärksten vertreten sind. M. wird von einem Gouverneur regiert, dem ein Geheimer Rat von 9 Mitgliedern und ein Allgemeiner Rat von 12 vom Gouverneur und 12 von den Gemeinderäten ernannten Mitgliedern zur Seite stehen. Einkünfte und Ausgaben 1890 je 3,992,564 Fr. Es bestehen ein Appellhof, 2 Tribunale zweiter Instanz und 9 Friedensgerichte. Das Militär (koloniale Gendarmerie und Marineartillerie) zählt 30 Offiziere und 618 Mann. Hauptort ist Fort-de-France, Mittelpunkt des Handels war St.-Pierre (s. d.), beide an der Westseite. Die Insel wurde 1493 von Kolumbus entdeckt, aber nicht in Besitz genommen. Erst 1635 ließen sich 150 französische Kolonisten von der Insel St.-Christoph im südwestlichen Teil von M. nieder, denen Colbert die Insel 1664 für 60,000 Livres abkaufte. Admiral Ruyter griff M. 1672 vergebens mit einer holländischen Flotte an; auch die Engländer versuchten 1693 umsonst, die Insel zu nehmen. Dagegen war sie von 176163 und ebenso von 17941802 und 18091814 in englischem Besitz; erst der Pariser Friede gab sie an Frankreich endgültig zurück. Die Negersklaven wurden 1848 freigegeben. Vgl. Pardon, La M. depuis sa découverte (Par. 1877); H. Rey, Étude sur la colonie de la M. (Nancy 1881); Guët, Origines de la M., 1625 á 1720 (das. 1894); Garaud, Trois aus à la M. (5. Aufl., das. 1902); »Annuaire de la M.« (Fort-de-France).