[453] Naturalĭen, alle Naturkörper in ihrem der Form nach möglichst unveränderten Zustand, z. B. Mineralien, Gebirgsarten, Pflanzen und Tiere. Man stellt von solchen für Unterrichtszwecke und zum Selbststudium Naturaliensammlungen (Naturalienkabinette, naturwissenschaftliche Museen) zusammen. Eine solche Sammlung enthält die Gegenstände entweder ganz roh und unbearbeitet (manche Mineralien, Kristalle, Versteinerungen) oder so, daß sie für ' den Unterricht zubereitet sind, um bequemer, handlicher und lehrreicher, z. B. ihrem innern Bau nach, zu werden. Zu diesem Zwecke gibt man Gesteinsarten, Hölzern etc. gleichmäßige Formen, um sie bequem in handliche Kasten zu legen, Pflanzen werden zwischen Papier getrocknet oder in konservierenden Flüssigkeiten (Weingeist etc.) aufbewahrt. Von sehr zarten oder durch einen lehrreichen innern Bau ausgezeichneten Mineralien, Tier- und Pflanzenteilen macht man Dünnschliffe oder seine Schnitte und hebt die letztern zwischen Glasplättchen in einer passenden Flüssigkeit auf (mikroskopische Präparate). Von größern Tieren wird die Haut, von Vögeln und Fischen der befiederte oder beschuppte Balg ausgestopft. Die Kunst des Ausstopfens (Taxidermie) besteht im wesentlichen in dem Abbalgen oder in der Entfernung aller fäulnisfähigen Weichteile aus dem Hautsack, Anfüllen desselben mit trocknem Sand oder Ausstopfen des Balges mit entsprechend geformten Körpern aus Werg, Stroh, Heu und Trocknen des soweit hergerichteten Tieres in einer möglichst natürlichen Stellung. Bei größern Tieren zieht man, um die nötige Festigkeit zu erzielen, Drähte oder Eisenstäbe durch das Werg, bildet auch wohl den Körper oder nur einzelne Teile desselben aus festem Stoff nach und überzieht ihn dann mit der Haut. Der Erfolg ist wesentlich von der genauen Beachtung der anatomischen Verhältnisse abhängig. und eine verbesserte Methode, die Dermatoplastik, geht hierin am weitesten, indem sie die Gestalt des Tieres vor dem Überziehen der Haut durch plastischen Ton naturgetreu nachbildet. Um der Beschädigung der ausgestopften Tiere durch Insekten vorzubeugen, benutzt man Arsenikseife, auch Kampfer mit Seife und Koloquintentinktur und ähnliche Mittel. Raupen und Eier werden ausgeblasen, und neuerdings wird besonderer Wert auf entwickelungsgeschichtliche Folgen (z. B. Eier, Larven, Puppen, Kokons bei Insekten) gelegt. Alle Naturgegenstände aus dem Tier- und Pflanzenreich müssen (mit Ausnahme der Spirituspräparate und der mikroskopischen Objekte) vergiftet, d.h. mit Quecksilbersublimat, Arsenik oder mit stark riechenden Substanzen präpariert werden, um sie vor den Nachstellungen kleiner Tiere und Pflanzen (Schimmel) zu sichern. Von Wirbeltieren pflegt man die Skelette frei zu präparieren, zu bleichen und ganz oder in Teile zerlegt aufzubewahren (anatomische Präparate). Niedere Tiere setzt man in Spiritus und bewahrt nur die etwa vorhandenen festen Teile, soz. B. die Gehäuse der Muscheln und Schnecken, trocken auf. Für Objekte, deren Farbe oder Substanz sehr leicht leidet, sind anstatt des Weingeistes vielerlei Mischungen empfohlen worden, unter denen sich die Wickersheimersche Flüssigkeit (s. d.) in neuerer Zeit einen Namen gemacht hat, weil sie die Objekte vor dem Eintrocknen schützt und ihnen eine bleibende Biegsamkeit verleiht, die für viele Studienzwecke von Wert ist. Die geflügelten Insekten werden zum Teil mit ausgespannten Flügeln auf gefirnißte Nadeln gespießt, die man in weicher Unterlage (Kork oder Torf) befestigt. Für das Studium wären natürlich überall Sammlungen lebender Tiere und Pflanzen vorzuziehen, doch können sie nicht entfernt die Vollständigkeit von naturhistorischen Museen erreichen. Die richtige Benennung und leicht erkennbare Anbringung der Namen bei jedem Objekt gelten als erste Erfordernisse solcher Sammlungen. Die Anordnung einer Naturaliensammlung muß zwar soviel wie möglich nach wissenschaftlichen Prinzipien geschehen, indessen ist die leichte Orientierung bei weitem die Hauptsache. Neben der wissenschaftlichen Sammlung stellt man auch eine Schausammlung für die nicht fachmännischen Besucher zusammen. Größere Naturaliensammlungen von wissenschaftlichem Wert sind erst seit Ende des 18. Jahrh. entstanden. Vgl. Naumann, Taxidermie (2. Aufl., Halle 1848); Eger, Der Naturaliensammler (6. Aufl., Wien 1897); Martin, Die Praxis der Naturgeschichte (neue Aufl., Weimar 187682, 3 Bde.; Bd. 1: Taxidermie, 4. Aufl. 1897); Hinterwaldner, Wegweiser für Naturaliensammler (Wien 1889); Schmeling, Das Ausstopfen und Konservieren der Vögel und Säugetiere (15. Aufl., Berl. 1900); Flöricke, Praktische Anweisung zum Ausstopfen der Säugetiere (Leipz. 1897); Grotrian, Praktische Anweisung zum Ausstopfen von Vögeln und Säugetieren (5. Aufl., das. 1897); Vögler, Der Präparator und Konservator (2. Aufl., Magdeb. 1903); A. und G. Ortleb, Der Naturaliensammler (Berl. 1901); Mühl, Taxidermie (Bühl 1901); »Der Präparator«, Organ des Internationalen Präparatorenvereins (Chur, seit 1899).