Oranjefluß-Kolonie

[93] Oranjefluß-Kolonie (s. die Karten »Südafrika« bei Artikel »Kapkolonie« u. »Südafrikanischer Krieg«), britisch-südafrikan. Besitzung seit 24. Mai 1900 (endgültig seit dem Frieden vom 31. Mai 1902), bis dahin eine freie, von holländischen Buren gegründete Republik (s. den folgenden Artikel). An der Spitze steht ein Leutnant-Gouverneur (unter dem Gouverneur für O. und Transvaal), ihm zur Seite ein Rat für die Exekutive und einer für die Legislative (außer dem Leutnant-Gouverneur sechs ernannte Mitglieder), weitere Maßregeln sind vorbehalten. 125,200 qkm groß, zerfällt O. in 24 Distrikte seit 1903, indem zu den ursprünglich 18 neu hinzukamen: Vredefort, Frankfort, Lindley, Senekal, Ficksburg und Edenburg (Moroka heißt jetzt Thabanchu); es scheinen aber noch durch weitere Abtrennung Jagersfontein und Kossyfontein neu geschaffen zu werden. Die Bevölkerung beträgt (1904) 385,045 Einw. (143,419 Weiße und 241,626 Farbige) und ist gegen 1890 (207,503 Einwohner) um 85,56 Proz. gewachsen. Der Religion nach überwiegen Niederländisch-Reformierte; außerdem gibt es Wesleyaner, Anglikaner, Lutheraner, Katholiken und Juden. Der Unterricht wird seit der Okkupierung englisch erteilt; es gab 1903: 42 Stadtschulen (7380 Kinder) und Farmschulen; das Grey College (300 Schüler) bereitet für die Universität in Kapstadt vor. Die Ausgaben beliefen sich 1902/03 auf 795,981, die Einnahmen auf 800,000 Pfd. Sterl.; für 1903/04 sollten sie mit 500,000 Pfd. Sterl. balancieren. Militärisch zerfällt die O. in zwei Distrikte: Bloemfontein (mit dem Unterdistrikt Kroonstad) und Harrismith. Die Beschäftigung der Bewohner ergibt sich aus der Beschaffenheit des Landes. Ein 1300–1400 m hohes, gegen S. und W. sich senkendes Tafelland, aus dem einzelne Tafelberge aufragen, hat grasreiche Ebenen. Östlich zu den Drakens-, Witte- und Roodebergen ansteigend, besteht der Boden aus Ablagerungen der Karruformation (s. Afrika, S. 137), Schiefertonen, Konglomeraten u. Sandsteinen (kohleführend), die durch Diabase unterbrochen sind. Der Oranje-, Vaal-, Caledon-, Modderfluß u.a. durchziehen das Land, doch ist keiner schiffbar. Bei gesundem Klima (16,2° Jahresmittel) sind die Winter oft kalt, die Sommer weniger heiß als im Kapland. Die Vegetation, sonst im allgemeinen spärlich, zeigt Weideland mit üppigem Graswuchs, oft von Antilopen, Gnus, Quaggas, Elenantilopen, Rhinozerossen und Elefanten belebt. Daher überwiegt die Viehzucht den Ackerbau, der allerdings durch ausgedehnte Bewässerungssysteme gehoben werden soll. Die Landverteilung nach dem Krieg ist noch im Fluß. Der Viehbestand wies Ende 1902 annähernd 142,500 Hornvieh, 13,880 Ochsen, 49,980 Pferde, 7700 Maulesel. 805,230 Schafe und 110,700 Ziegen auf. Die Diamantproduktion (besonders um Kimberley, in Westgriqualand) betrug in den Bergwerken der de Beers-Gesellschaft 1902/03: 5,241,172 Pfd. Sterl. Der Handel hat sich gehoben; die Einfuhr (Schnittwaren, Kleidung, Baumwollwaren, Nahrungsmittel, Holz- u. Eisenwaren) betrug 1901–03: 671,000, 1,070,000, 2,460,000 Pfd. Sterl.; die Ausfuhr in gleichen Zeiträumen: 45,185, 16,979, 285,000 Pfd. Sterl. (von dieser 1903: 187,000 nach Kapland, 31,000 nach Natal, 9000 nach Transvaal, 58,000 nach Basutoland). An Eisenbahnen (jetzt mit der niederländischen Transvaalbahn zu dem Netz der Central South African Railways vereinigt) bestehen 750 km (weitere 700 km sind geplant oder im Bau), an Telegraphenlinien 2380 km; Bloemfontein ist mit der Kapkolonie, Natal, Transvaal und Basutoland telegraphisch verbunden. Geld, Gewicht und Maße (der einheimische Morgen = 21/10 Acres) sind englisch. Hauptstadt ist Bloemfontein (6000 Einw.). Vgl. Klössel, Die südafrikanischen Republiken (2. Aufl., Leipz. 1890); Silver, Handbook to South-Africa (4. Aufl., Lond. 1891); Brown, Guide to South Africa (das. 1900); Proksch, Die Landwirtschaft auf dem Hochlande des Oberen Oranje (Oranje-Freistaat und Südtransvaal) (Wien 1906); Karte: Map of Transvaal and Oranje Free State 1:250,000 (Southampt. 1900 ff.) und Literatur bei den Artikeln »Britisch-Südafrikanische Gesellschaft« und »Kapkolonie«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 93.
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