[16] Plastische Operationen (Physioplastik, Dermatoplastik, Anaplastik, Autoplastik), chirurgische Operationen, durch die entstellende Schäden, besonders des Gesichts, durch Hautüberpflanzung ausgebessert werden. Den organischen Wiederersatz der Nase nennt man Rhinoplastik (s. Abbildung), den der Augenlider Blepharoplastik, den der Lippen Cheiloplastik, den der Wangen Meloplastik, den des Gaumens Uranoplastik, den des Ohrs Otoplastik.
Die Rhinoplastik stammt aus Indien, wo manche Verbrechen durch Abschneiden der Nase, der Ohren und der Lippen bestraft wurden; man bildete dort den zum Ersatz der Nase nötigen Hautlappen aus der Stirnhaut. Um die Mitte des 15. Jahrh. übte die Rhinoplastik in Sizilien eine Familie Branca, von der sie sich nach Kalabrien verbreitete. Mit dem Ende des 16. Jahrh. ging sie hier verloren. Zu gleicher Zeit aber ward sie von Tagliacozzi in Bologna wieder ausgeübt und beschrieben. Tagliacozzi bildete den Ersatzlappen aus der Haut des Armes, der nach einer langwierigen Vorbehandlung an den gewünschten Ort verpflanzt wurde. Aus Indien gelangte die Rhinoplastik nach England, wo sie mit Erfolg zuerst von Carpue 1814 verrichtet wurde. Gräfe (1816) vereinigte den aus der Armhaut gebildeten Lappen, ohne seine völlige Überhäutung an der innern Fläche abzuwarten, mit dem aufgefrischten Stumpf der Nase (deutsche Methode). Er fand zahlreiche Nachfolger, und die plastischen Operationen wurden bald auch zur Wiederherstellung andrer Teile angewendet (Dieffenbach, B. v. Langenbeck, G. Simon). Später wurde der Ersatz durch einen Hautlappen in der Nähe allgemein vorgezogen. Schneidet man ein Hautstück aus der Stirn aus und läßt es durch einen genügend breiten Stiel mit der übrigen Stirnhaut in Verbindung, so kann es durch die Blutgefäße des Stieles das zu seinem Leben erforderliche Nahrungsmaterial zugeführt erhalten. Dreht man nun das fragliche Hautstück an seinem in der Gegend der Nasenwurzel liegenden Stiel um und legt die Wundränder des ausgeschnittenen Stückes auf die wund gemachte Fläche des Nasenstumpfes, so kann der Stirnlappen mit jenem gerade so verwachsen, wie die Ränder einer gewöhnlichen Hautwunde, wenn sie aneinander gehalten werden, sich bleibend vereinigen. Dann wird das transplantierte Hautstück nicht bloß von den Gefäßen in seinem Stiel, sondern auch von den Gefäßen des Nasenstumpfes her ernährt. Sobald der letztere Ernährungsweg sichergestellt ist, kann man den Stiel abschneiden. Um den Hautdefekt an der Stirn auszugleichen, zieht man die Ränder zusammen und vereinigt sie durch Nähte, bis die Ränder miteinander verwachsen sind. Ist die Spannung der Haut zu groß, so macht man seitliche Einschnitte in die Haut in der Längsrichtung des ersten Hautverlustes. Hierdurch tritt Entspannung ein, und die seitlichen Einschnitte verheilen nachträglich durch Granulationsbildung. Die zurückbleibende Stirnnarbe ist im Verhältnis zu dem ausgeschnittenen Lappen unbedeutend zu nennen. Die auf diese Weise gebildeten Nasen ermangeln des knöchernen Gerüstes, fallen daher zusammen und schrumpfen. Um diesem Übelstand abzuhelfen, nahm König von der Stirn nicht nur einen Hautlappen, sondern einen aus der Haut, der Knochenhaut und der obersten Knochenlamelle des Stirnbeins gebildeten Lappen und erhielt so eine festere Nase. Bei der Lippen- und Augenlidbildung läßt man gewöhnlich das transplantierte Hautstück an einem verhältnismäßig breiten Stiel sitzen und verschiebt nur das abgelöste Hautstück auf die zu ersetzende Stelle, läßt das Stück hier einheilen, schneidet aber den Stiel nicht durch und ersetzt den Verlust an der Stelle, von wo das transplantierte Stück herstammt, auf ähnliche Weise wie die Stirnwunde bei der Rhinoplastik.
Das Gebiet der Plastiken hat mit der Ausgestaltung der Chirurgie eine bedeutende Erweiterung erfahren. Unter dem Schutz der Asepsis deckte man Defekte in der Haut, am Skelett etc. durch Material (Haut, Knochen), das man ganz entfernten Körperregionen entnahm, d. h. völlig aus seinem Verband löste. So benutzt man z. B. vom Schienbein abgetrennte Knochenstücke zur Deckung von Schädeldefekten. Aus dem Ohr gelöster Knorpel wird in die Nasenflügel eingeheilt, wenn die stützende Masse hier durch Krankheit zerstört ist, etc. Die Asepsis gewährleistet die völlige Einheilung. Man läßt auch dem menschlichen Organismus fremde Substanzteile zur Deckung von Lücken einheilen und benutzt z. B. Zelluloidplatten zur Ausfüllung umfangreicher Defekte im Schädeldach, auch die Einpflanzung von silbernen Prothesen an Stelle des wegen Krankheit entfernten Hodens, um die psychische Depression, die sich manchmal solcher Operierter bemächtigt, auszuschalten; die Prothese zwingt die Betreffenden in die ihnen sehr willkommene Täuschung, daß das Organ der Mannbarkeit noch vorhanden sei.[16]
Vielleicht ein wirklicher Fortschritt ist die Verwendung von Paraffinprothesen. Das Paraffin wird mittels besonderer Spritzen im flüssigen Zustand unter die Haut gebracht, hier deponiert, um nach der Erstarrung hier befindliche Unebenheiten auszugleichen. Diese Methode dient namentlich zur Verbesserung verunstalteter Nasen, z. B. wenn durch Lupus, Syphilis u. a. eine Sattelnase entstanden ist, ferner zur Ausfüllung andrer Defekte im Gesicht, zum Ersatz operativ entfernter weiblicher Brüste, zum Ersatz geschwundener Gewebsteile, die, wie am Beckenboden, am Blasenhals, stützende Funktionen haben, und deren Schwund (bei alten Frauen) z. B. Harnträufeln zur Folge haben kann. Zu den kosmetischen Operationen gehört auch die operative Verkleinerung zu großer, auffallender Nasen (Hakennasen). Es werden dabei die Weichteile unversehrt von den unterliegenden Knochen abgetrennt, dieser durch Wegnahme des Überflüssigen verkleinert und die Weichteile wieder zur Deckung des Knochens verwendet. Die Entnahme von einzuheilenden Gewebstücken von einem andern Individuum (Heteroplastik) wird wegen der schlechten Ernährungsbedingungen des völlig losgelösten Teiles nur in der Form ausgeübt, daß man zwecks der Überhäutung zahlreiche kleine Hautstückchen auf große Wundflächen überträgt. Auch Knochenstücke können mit gutem Erfolg durch Heteroplastik übertragen werden.