[929] Unkräuter (hierzu Tafel »Unkräuter I und II«), Pflanzen, die entgegen dem Kulturzweck zwischen angebauten Pflanzen erscheinen, im allgemeinen nur als schädlich in Betracht kommen, zum Teil aber nutzbar sind (als Grünfutter etc.), ja sogar für sich angebaut werden, wie denn auch manche Kulturpflanzen, wenn sie am unrichtigen Ort erscheinen, zu den Unkräutern gezählt werden müssen. Die U. nehmen den angebauten Gewächsen Raum weg, beeinträchtigen deren Entwickelung, und oft zeigen U. stärkeres Entwickelungsvermögen als die Kulturpflanzen, zwischen denen sie wachsen. Enthält 1 kg Rotkleesamen nur 10,000 Körner Wegerich (Plantago media) oder 6000 Körner Disteln (Fig. 10), so nimmt das Unkraut nahezu die Hälfte des Areals für sich in Anspruch. Manche Schlingpflanzen (Convolvulus arvensis [Fig. 4] und sepium, Polygonum convolvulus und dumetorum, Lathyrus tuberosus und Vicia-Arten) verflechten sich mit Halmfrüchten zu einer unentwirrbaren Masse, ziehen sie nieder und bringen sie zur Lagerung. Die U. verringern auch den Luft- und Lichtzutritt und entziehen dem Boden erhebliche Mengen von Kali, Stickstoff und Phosphorsäure. Manche U. sind Wurzelparasiten (Orobanche, Lathraea, Monotropa, Thesium, Melampyrum, Euphrasia, Alectorolophus, Odontites) oder schmarotzen auf oberirdischen Organen (Cuscuta, Viscum), andre übertragen parasitische Pilze. So lebt das Äcidium des Fleckenrostes auf Berberitze, das des Kronenrostes auf Faulbaum und Kreuzdorn, das des Streifenrostes auf Ranunculus-Arten, Nessel (Fig. 11) auf verschiedenen Borragineen, auch überwintert die Uredoform des Kronenrostes auf Holcus lanatus. Auch die Brandpilze werden durch U. verbreitet (Convolvulus arvensis, Rumex acetosella [Fig. 2], Phleum pratense), und der Mutterkornpilz entwickelt sich vielleicht auf allen Gräsern. Viele U. sind Giftpflanzen und werden, dem Grünfutter beigemengt, oft sehr schädlich, von andern gehen die Samen in das Getreidemehl über. Hauptsächlich kommen hier in Betracht: Bromus secalinus, Lolium temulentum, Colchicum autumnale, Polygonum hydropiper und minus, viele Solanazeen, Gratiola officinalis, Alectorolophus hirsutus, Cicuta virosa, Aethusa Cynapium, Conium maculatum, mehrere Ranunkulazeen, Papaver Argemone und dubium, Agrostemma Githago, die Euphorbiazeen etc. Manche U. sind insofern nützlich, als sie ohne große Ansprüche an den Boden diesen bedecken und vor zu schnellem Austrocknen schützen, wie Vogelknöterich (Fig. 5), Hederich (Fig. 7 u. 8) u. a. Das massenhafte Auftreten der U. erklärt sich aus der enormen Samenproduktion vieler Arten. Eine einzige Pflanze von Senecio vernalis (Fig. 9) besaß 273 Blütenköpfchen, jedes mit 145, zusammen 39,585 Früchten, ein Exemplar von Erigeron canadense (Fig. 3) mit 2263 Köpfchen lieferte 110,000 Samen, und wenn es sich hier um sehr kräftige Pflanzen handelte, so werden doch auch von andrer Seite angegeben: für Agrostemma Githago 2590, Papaver Rhoeas 50,000, Sinapis arvensis (Fig. 8) 4000, Sonchus arvensis 19,000 Samen. Von diesen Samen geht wohl der bei weitem größte Teil zugrunde, immerhin erhalten sich sehr viele und erwarten im Boden die günstige Gelegenheit zur Entwickelung. Aus einer Bodenprobe vom Rand eines Teiches, die kaum eine gewöhnliche Kaffeetasse füllte, erzielte Darwin 537 Keimlinge, und Putensen ermittelte auf einem Acker pro QMeter auf 37,5 cm Tiefe 42,556 Unkrautsamen. Zur Bekämpfung der U. genügen bei ein- und zweijährigen Pflanzen (etwa 80 Proz.) Jäten, Abweiden, Untergraben, Unterpflügen vor der Samenreife; von ausdauernden Unkraütern müssen die Wurzelstöcke nach tiefem Pflügen ausgeeggt werden. Bei manchen Unkräutern ist aber auf diese Weise nichts zu erreichen, und dann sind durch Drainieren, Mergeln etc. die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Bodens so zu ändern, daß[929] die U. weniger gut oder gar nicht mehr gedeihen. Gegen Hederich erweist sich sehr wirksam das zweimalige Bespritzen mit einer 15proz. Lösung von Eisenvitriol vor der Blüte des Hederichs; Hafer, Gerste, Sommerweizen werden dadurch nicht geschädigt. Auch durch die Art der Kultur lassen sich manche U, beseitigen. Schlingpflanzen und andre im Getreide wachsende U. verschwinden, wenn einige Jahre hindurch vorwiegend Hackfrüchte gebaut werden. Equisetum arvense (Fig. 1) verträgt nicht eine geschlossene Grasnarbe, Von größter Bedeutung ist die Reinheit des Saatgutes, und in der Tat ist seit allgemeiner Anwendung der Getreidereinigungsmaschinen das Unkraut auf dem Acker bedeutend zurückgedrängt worden. Diese Reinigung muß möglichst weit getrieben werden, denn 1 Proz. Verunreinigung bedeutet bei Lein 1950, bei Rotklee 5500, bei französischem Raigras 8000 Körner fremder Samen in 1 kg. Überall, wo die Unkrautsamen erreichbar sind, sollte ihre Keimfähigkeit durch geeignete Behandlung zerstört werden, denn wo dies nicht geschieht, gelangen sehr viele keimfähige Samen durch den Mist zurück auf den Acker. Manche Unkrautsamen ertragen die Temperatur des sich erhitzenden Düngers und wochenlanges Liegen in Jauche. Bei der großen Verbreitungsfähigkeit vieler Unkrautsamen durch Federkronen (Flöhkraut, Huflattich [Fig. 6], Frühlingskreuzkraut, Ackerdistel [Fig. 10] etc.) ist der einzelne im Kampf gegen die U. oft machtlos, nur gemeinsames Vorgehen kann Erfolge erzielen, und daher haben sich mehrfach obligatorische Flurgenossenschaften gebildet, die im Juni die Grundstücke auf das Vorhandensein von Unkraut besichtigen und für Ausrottung desselben Sorge tragen. In ähnlicher Weise sind mehrfach Polizeiverordnungen erschienen, um übermäßige Verbreitung von Chrysanthemum segetum, Senecio vernalis und Galinsoga parviflora (Fig. 12) zu verhindern. Vgl. Ratzeburg, Die Standortsgewächse und U. Deutschlands und der Schweiz (Berl. 1859); Nobbe, Handbuch der Samenkunde (das. 1876); Thaer, Die landwirtschaftlichen U. (3. Aufl., das. 1905); Danger, U. und pflanzliche Schmarotzer (Hannov. 1887); Eisbein, Das Unkraut und die Mittel zu seiner Vertilgung (Berl. 1891); Preiß, Die Bekämpfung des Unkrauts durch zweckentsprechende Fruchtfolge und Kultur (2. Aufl., Neidenburg 1895); Burchard, Die Unkrautsamen der Klee- und Grassaaten (das. 1900); Flugblatt 23 der Biologischen Abteilung des kaiserlichen Gesundheitsamtes (Berl. 1904); Maier-Bode, Die Bekämpfung der Ackerunkräuter (Stuttg. 1908).