Waitz

[318] Waitz, 1) Georg, Geschichtsforscher, geb. 9. Okt. 1813 in Flensburg, gest. 24. Mai 1886 in Berlin, studierte die Rechte und Geschichte, wurde Mitarbeiter an den »Monumenta Germaniae historica«, besuchte für diesen Zweck viele Bibliotheken und Archive und gab mehrere mittelalterliche Chroniken heraus. 1842 Professor in Kiel geworden, trat W. 1846 ale Abgeordneter der Universität in die holsteinischen Provinzialstände und gehörte 1848 der Frankfurter Nationalversammlung an. 1849 nach Göttingen berufen, gründete W. durch eifrige Lehrtätigkeit eine historische Schule, deren Mitglieder in der kritischen Durchforschung des deutschen Mittelalters ihre Aufgabe erblickten. Nach der Reorganisation der »Monumenta« trat W. 1875 an die Spitze dieses Unternehmens und siedelte nach Berlin über, wo er als Mitglied der Akademie auch an der Universität lehrte. Von seinen zahlreichen durch Scharfsinn der Forschung ausgezeichneten Werken sind hervorzuheben: »Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König Heinrich I.« (Berl. 1837; 3. Aufl., Leipz. 1885); »Über das Leben und die Lehre des Ulfila« (Hannov. 1840); »Deutsche Verfassungsgeschichte« (Bd. 1–8, bis zur Mitte des 12. Jahrh., Kiel 1844–78; Bd. 1–3 in 3. Aufl. 1880–1883; Bd. 4 in 2. Aufl. 1883–84; Bd. 5 u. 6 in 2. Aufl. bearbeitet von Zeumer und Seeliger, 1893–1896); »Das alte Recht der salischen Franken« (das. 1846); »Schleswig-Holsteins Geschichte« (Götting. 1851–54, 2 Bde.); »Lübeck unter Jürgen Wullenweber« (Berl. 1855–56, 3 Bde.); »Grundzüge der Politik« (Kiel 1862); »Zum Gedächtsnis an Jakob Grimm« (Götting. 1863); »Über die angeblichen Erbansprüche des königlich preußischen Hauses an die Herzogtümer Schleswig-Holstein« (das. 1864); »Urkunden zur deutschen Verfassungsgeschichte im 11. und 12. Jahrhundert« (Kiel 1871; u. Aufl., Berl. 1886). An den seit 1860 bestehenden »Forschungen zur deutschen Geschichte« war W. beteiligt. Auch besorgte er eine Neubearbeitung (3.–5. Aufl.) von Dahlmanns »Quellenkunde zur deutschen Geschichte« und veröffentlichte in zwei Sammlungen die Briefe von Karoline Schelling, geborne Michaelis (s. Schelling 2). Von seinen »Gesammelten Abhandlungen« erschien der 1. Band (hrsg. von K. Zeumer, Götting. 1896). Vgl. Steindorff, Bibliographische Übersicht über Georg Waitz' Werke (Götting. 1886); Kluckhohn, Zur Erinnerung an Georg W. (Hamb. 1887).

2) Theodor, Psycholog und Anthropolog, geb. 17. März 1821 in Gotha, gest. 21. Mai 1864 in Marburg, studierte in Leipzig und Jena Philologie, Mathematik und Philosophie, habilitierte sich 1844 als Dozent in Marburg und wurde hier 1848 außerordentlicher Professor der Philosophie. W. ging von der Herbartschen Schule aus und näherte sich allmählich dem Empirismus, als dessen reifste Frucht sein umfassendes Werk über die »Anthropologie der Naturvölker« (Bd. 1–4, Leipz. 1859–64; Bd. 5 u. 6: Die Völker der Südsee, bearb. von Gerland 1870–71; Bd. 1 in 2. Aufl. von demselben, 1876) erscheint. Außerdem schrieb er: »Grundlegung der Psychologie« (Hamb. 1846, 2. Ausgabe 1878), »Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft« (Braunschw. 1849), »Allgemeine Pädagogik« (das. 1852; 4. Aufl. mit W.' kleinern pädagogischen Schriften hrsg. von Willmann, 1898) und gab eine kritische Ausgabe des »Organon« von Aristoteles (Leipz. 1844, 2 Bde.) heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 318.
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