[956] Zirkularpolarisation (kreisförmige Polarisation, Rotationspolarisation). Bringt man eine senkrecht zur optischen Achse (s. Doppelbrechung) geschnittene Platte eines einachsigen Kristalls in einen Polarisationsapparat mit parallelem Licht (z. B. zwischen zwei Nicolsche Prismen), so zeigen sich, weil in der Richtung der optischen Achse keine Zerlegung der Schwingungen statt findet, beim Drehen des Analyseurs nur jene Abwechselungen von Helligkeit und Dunkelheit, die auch ohne die Kristallplatte stattfinden würden. Eine senkrecht zur optischen Achse geschnittene Quarzplatte erscheint dagegen im Polarisationsapparat gefärbt, und ihre Farbe ändert sich beim Drehen des Analyseurs nach der Reihenfolge Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett (r, o, g, gr, b, i, v). Zerlegt man das aus dem Analyseur austretende farbige Licht durch ein Prisma, so gewahrt man im Spektrum einen dunkeln Streifen, der während der Drehung die Farben des Spektrums der Reihe nach austilgt. Der Analyseur kann aber nur solche Schwingungen auslöschen, die senkrecht zu seiner Schwingungsebene erfolgen. In dem vom Polarisator kommenden weißen Licht haben alle Faroen ein und dieselbe (in Figur 1 durch einen Pfeil angedeutete) Schwinoungsrichtung und würden daher, wenn die Quarzplatte nicht vorhanden wäre, durch den gekreuzt gestellten Analyseur sämtlich ausgelöscht werden.
Bei Gegenwart der Quarzplatte aber verschwindet nur je eine Farbe, und zwar muß man, wenn die Platte 3,75 m dick ist, den Analyseur um 60° aus der gekreuzten Stellung herausdrehen, damit die roten Strahlen ausgelöscht werden und die Platte die entsprechende grüne Ergänzungsfarbe zeigt. In[956] dem aus der Quarzplatte kommenden Licht muß demnach die Schwingungsrichtung der roten Strahlen senkrecht stehen zur gegenwärtigen Stellung der Schwingungsebene des Analyseurs; sie ist also durch die Einwirkung des Quarzes um einen Winkel von 60° gedreht worden und nimmt jetzt die Lage r r' (Fig. 1, obere Hälfte) ein. Ebenso finden wir, daß die Schwingungsebene der gelben Strahlen eine Drehung von 90° (g g') und diejenige der violetten eine solche von 165° (v v') erlitten hat. Die Wirkung der Quarzplatte besteht also darin, daß sie der Schwingungsebene der polarisierten Strahlen eine Drehung (Rotation) erteilt, die vom Rot zum Violett zunimmt. Durch diese Auseinanderlegung der Farben nach verschiedenen Schwingungsrichtungen wird eine Zerlegung des weißen Lichtes in seine farbigen Bestandteile bewirkt (Rotationsdispersion). Für eine und dieselbe einfache Farbe ist die Drehung der Dicke der Platte proportional. Wenn man daher für eine bestimmte Dicke die Drehungswerte kennt, so kann man sie für jede andre Dicke sofort angeben. Für die den hauptsächlichsten Fraunhoferschen Linien entsprechenden einfachen Farben bringt eine 1 mm dicke Quarzplatte die folgenden Drehungen hervor:
Bei manchen Bergkristallen muß man, damit der dunkle Streifen im Spektrum vom roten zum violetten Ende wandere, das Polariskop rechts herumdrehen; bei andern Exemplaren, um denselben Erfolg zu erzielen, links herumdrehen (Fig. 1, untere Hälfte).
Erstere heißen rechts-, letztere linksdrehende Kristalle; man kann sie schon äußerlich unterscheiden an dem Auftreten gewisser hemiëdrischer Flächen n (Fig. 2), die an dem Kristall oben rechts oder oben links sich zeigen, je nachdem das Exemplar rechts- oder linksdrehend ist.
Versetzt man ein Pendel Q O (Fig. 3) in Schwingungen längs A B und erteilt ihm, sobald es seine äußerste Lage A erreicht, einen Stoß in der zu A B senkrechten Richtung A a, der das Pendel, falls es sich nur in dieser Richtung bewegen könnte, ebenso weit von A nach seitwärts treiben würde, als es im Augenblick des Stoßes von der Gleichgewichtslage O entfernt war, so beschreibt der Pendelkörper mit gleichförmiger Geschwindigkeit einen Kreis A C B D A in der Richtung der gebogenen Pfeile.
Rechnen wir einen Hin- und Hergang als eine ganze Schwingung, so hatte das Pendel bereits eine Viertelschwingung zurückgelegt, als es den Antrieb in der Richtung A a empfing. Es ergibt sich also, daß zwei zueinander senkrechte geradlinige schwingende Bewegungen, von denen die eine der andern um eine Viertelschwingung voraus ist, sich zu einer kreisförmigen Bewegung zusammensetzen. In dem durch die Zeichnung versinnlichten Falle geht die kreisförmige Bewegung in der Richtung des Uhrzeigers (oder rechts herum) vor sich. Wird dagegen der Stoß in entgegengesetzter Richtung erteilt, oder wird das Pendel zuerst nach O C in Schwingung versetzt und ihm sodann, sobald es in C angekommen ist, ein Stoß in der zu O A parallelen Richtung C c gegeben, so entsteht eine Kreisbewegung links herum. Wird der Stoß mehr oder weniger kräftiger geführt, als vorhin angenommen wurde, oder erfolgt derselbe, während das Pendel zwischen A und O unterwegs ist, so durchläuft der Pendelkörper eine elliptische Bahn. Dagegen kommt eine geradlinige Bewegung zustande, wenn der seitliche Stoß in dem Augenblick erfolgt, in dem das Pendel gerade durch seine Gleichgewichtslage O hindurchgeht, wenn also die eine Bewegung entweder gar nicht oder um eine Anzahl halber Schwingungen vor der andern voraus ist.
Diese Bewegungszustände eines Pendelkörpers lassen sich bei den Lichtschwingungen verwirklichen mit Hilfe dünner Kristallblättchen, insofern die elektrischen Wellen, als welche die Lichtschwingungen aufzufassen sind, als pendelnde Bewegungen von Elektronen gedacht werden können (s. Dielektrische Polarisation). In diesem Sinne kann dabei von Schwingungen der Ätherteilchen gesprochen werden, doch würde man richtiger von wellenartigen Änderungen der elektrischen und magnetischen Kraft (Feldstärke) reden. Bringt man ein dünnes Glimmerblättchen derart in den Polarisationsapparat, daß die Schwingungsrichtungen a b und c d (Fig. 4) der beiden Strahlen, die sich in ihm vermöge seiner Doppelbrechung (s. d.) mit ungleicher Geschwindigkeit fortpflanzen, Winkel von 45° bilden mit der Schwingungsrichtung R S des Polarisators, so treten aus dem Blättchen zwei gleich helle Strahlen, von denen der eine nach a b, der andre nach c d schwingt.
Das in O an der Austrittsfläche des Blättchens liegende Ätherteilchen wird sonach wie der Pendelkörper gleichzeitig von zwei zueinander senkrechten Antrieben erfaßt und vollführt eine kreisförmige, elliptische oder geradlinige Bewegung, je nach dem Betrag des Vorsprungs, den die eine Schwingung gegenüber der andern besitzt. Beträgt dieser Vorsprung eine Viertelschwingung, was der Fall ist, wenn der eine Strahl vermöge seiner größern Fortpflanzungsgeschwindigkeit dem andern um eine Viertelwellenlänge voraus ist, so nimmt das Teilchen eine kreisförmige Bewegung an, rechts oder links herum, je nachdem der nach a b oder der nach c d schwingende Strahl voraneilt; diese Bewegung teilt sich den längs der Strahlrichtung folgenden Ätherteilchen mit; jedes bewegt sich, indem es seinen Umlauf etwas später beginnt als das vorhergehende, in einem Kreise, dessen Ebene zum Strahle senkrecht steht, um diesen herum, so daß, wenn man in irgendeinem Augenblick alle gleichzeitigen Lagen der Ätherteilchen durch eine krumme Linie verbunden denkt, eine Wellenlinie o'a''b''c''d' (Fig. 5, S. 958) entsteht, die sich schraubenförmig um den Strahl AB herumwindet, indem jeder Wellenlänge (o' d' = o d) ein voller Umgang der Schraube entspricht. Einen Lichtstrahl von dieser Beschaffenheit[957] nennt man kreisförmig oder zirkular polarisiert und bezeichnet zum Unterschied die sonst kurzweg so genannten polarisierten Strahlen, deren Schwingungen in geraden, zur Strahlrichtung senkrechten Linien und in einer bestimmten durch den Strahl gelegten Ebene vor sich gehen, als geradlinig polarisiert. Ein kreisförmig polarisierter Lichtstrahl kann, da seine Beschaffenheit ringsherum die gleiche ist, nach verschiedenen Seiten kein verschiedenes Verhalten zeigen wie ein geradlinig polarisierter Strahl; er verhält sich, mit dem Analyseur untersucht, anscheinend wie ein natürlicher Lichtstrahl. Schickt man ihn jedoch durch ein Viertelwellen-Glimmerblättchen, so wird er, weil dadurch der vorhandene Gangunterschied der beiden Schwingungen a b und c d (Fig. 4), der 1/4-Wellenlänge beträgt, entweder aufgehoben, oder auf 1/2-Wellenlänge gebracht wird, in geradlinig polarisiertes Licht verwandelt, während das natürliche Licht unter diesen Umständen als solches fortbesteht.
Ein andres Mittel, das Licht kreisförmig zu polarisieren, bietet die totale Reflexion dar; unterwirft man ihr einen geradlinig polarisierten Lichtstrahl, dessen Schwingungsebene unter 45° zur Reflexionsebene geneigt ist, so erlangen die beiden parallel und senkrecht zur Reflexionsebene polarisierten Strahlen, in die man den einfallenden Strahl zerlegt denken kann, einen Gangunterschied, dessen Betrag von der Beschaffenheit der total reflektierenden Substanz und von dem Einfallswinkel abhängt. Für Glas von St.-Gobain fand Fresnel, daß dieser Gangunterschied ein Maximum wird, wenn der Einfallswinkel = 54°30' ist, und daß er alsdann 1/8-Wellenlänge beträgt.
Eine zweimalige innere Reflexion unter diesen Umständen erzeugt demnach einen Gangunterschied von 1/4-Wellenlänge; dieselbe wird realisiert durch Fresnels Parallelepiped (a b c d, Fig. 6); stellt man dasselbe so auf das Glastischchen des Nörrenbergschen Polarisationsapparats, daß seine Reflexionsebene mit der Schwingungsebene des Polarisators einen Winkel von 45° bildet, so ist das auf dem Wege b p s d austretende Licht kreisförmig polarisiert, und zwar selbst bei Anwendung von weißem Licht in vollkommener Weise, da für sämtliche homogene Farben der hervorgebrachte Gangunterschied genau eine Viertelwelle beträgt. Durch Reflexion an Metalloberflächen wird das natürliche Licht elliptisch polarisiert. Über technische Anwendung von zirkularpolarisiertem Licht zur unmittelbaren Abbildung der neutralen Faser bei Biegung durchsichtiger Körper vgl. Hönigsberg, Internationaler Verband für die Materialprüfungen der Technik, Brüsseler Kongreß 1906.
Empfängt ein Pendelgewicht, während es sich in der Entfernung O A (Fig. 7) von seiner Gleichgewichtslage O befindet, gleichzeitig zwei entgegengesetzte gleich kräftige Stöße nach A a und A a', von denen jeder für sich im Verein mit dem Antrieb, den das Pendel in der Richtung A O bereits besitzt, eine Kreisbewegung, der eine rechts herum, der andere links herum, hervorbringen würde, so wird das Pendel, da die beiden Stöße sich aufheben, entlang der geraden Linie A B hin und her schwingen. Erfolgt der zweite Stoß später, nachdem der Pendelkörper vermöge des ersten bereits den Kreisbogen A r zurückgelegt hat, so entsteht ebenso eine geradlinige Bewegung längs r r'. Überträgt man diese Betrachtung auf die Lichtschwingungen, so erkennt man, daß aus dem Zusammenwirken zweier entgegengesetzt kreisförmig polarisierter Lichtstrahlen von sonst gleicher Beschaffenheit ein geradlinig polarisierter Lichtstrahl hervorgeht, und daß umgekehrt jeder geradlinig polarisierte Lichtstrahl in zwei gleich helle, entgegengesetzt kreisförmig polarisierte Strahlen zerlegt oder durch sie ersetzt werden kann. Diese in den allgemeinen Bewegungsgesetzen begründete Vorstellung würde ohne praktische Bedeutung bleiben, wenn es nicht Körper gäbe, die auf rechts kreisförmiges Licht in andrer Weise wirken als auf links kreisförmiges. Ein solcher Körper ist der Quarz. Die durch ihn bewirkte Drehung der Schwingungsebene erklärt sich nämlich daraus, daß sich längs der Achse eines Bergkristalls entgegengesetzt kreisförmig polarisierte Strahlen mit verschiedener Geschwindigkeit fortpflanzen. Ein geradlinig polarisierter Lichtstrahl muß sich alsdann beim Eintritt in eine Bergkristallplatte in zwei entgegengesetzt kreisförmige zerlegen, die sich, nachdem sie die Platte mit ungleicher Schnelligkeit durchlaufen haben, bei ihrem Austritt wieder zu einem geradlinig polarisierten Strahl vereinigen, dessen Schwingungsebene nach rechts oder nach links von derjenigen des einfallenden Strahles abweicht, se nachdem in der Quarzplatte der rechts oder der links kreisförmige Antrieb voraneilt und die an der Austrittsfläche gelegenen Ätherteilchen früher erfaßt.
Die festen Körper, die Z. (optische Aktivität) zeigen, d. h. die Schwingungsebene des geradlinig polarisierten Lichtes drehen, sind durchweg Kristalle und gehören als solche entweder der tetartoedrischen Abteilung des regulären Kristallsystems an, wie das chlorsaure Natrium, bromsaure Natrium, essigsaure Uranoxydnatrium, oder gewissen hemiëdrischen und tetartoëdrischen Abteilungen des hexagonalen und tetragonalen Kristallsystems, wie Quarz, Zinnober, Kaliumlithiumsulsat, unterschwefelsaures Kali u. a. Von den meisten dieser Substanzen gibt es sowohl rechts-als linksdrehende Kristalle (optische Antipoden, geometrisch-isomere Modifikationen). Die Lösungen einiger zeigen ebenfalls Z., soz. B. die Lösung des schwefelsauren Strychnins (diese besitzt aber ein bei weitem [24mal] geringeres Drehungsvermögen als die Kristalle), von andern, z. B. von chlorsaurem Natrium, überjodsaurem Natrium. sind dagegen die Lösungen optisch inaktiv. Von vielen Substanzen sind anderseits überhaupt nur die Lösungen optisch aktiv, und die Kristalle zeigen, selbst[958] wenn sie im regulären, tetragonalen oder hexagonalen System kristallisieren, gar keine Z. Man hat hieraus geschlossen, daß das offenbar in dem Bau des Moleküls begründete Drehungsvermögen, das sogen. molekulare Drehungsvermögen, der optisch aktiven Körper durch den Aufbau derselben zu Kristallen geändert oder auch vollständig kompensiert werden kann, in ähnlicher Weise wie (nach Rensch) wendeltreppenartig übereinander geschichtete Glimmerblättchen Drehung der Polarisationsebene bewirken. Hiernach wären das Drehungsvermögen in Lösung und die Z. der Kristalle als zwei voneinander unabhängige Erscheinungen zu betrachten. Die Derivate einer rechtsdrehenden Verbindung können teils wieder rechtsdrehend, teils aber auch linksdrehend sein. Mischungen gleicher Mengen optischer Antipoden geben in aktive Modifikationen, von denen diejenigen, die sich durch gewisse Mittel, z. B. organische Fermente, welche die eine Komponente zum Verschwinden bringen, in die beiden Komponenten zerlegen lassen, als Racemkörper bezeichnet werden.
Unter spezifischer Drehung versteht man den Winkel, um den eine Lösung die in 1 ccm 1 g aktive Substanz enthält, in einer Schicht von 1 dcm Länge die Polarisationsebene dreht. Die Differenz der Drehungen für rote und violette Strahlen heißt Rotationsdispersion. Als molekulares Drehvermögen oder Molekularrotation bezeichnet man das Produkt von spezifischer Drehung und Molekulargewicht. Gewöhnlich wird allerdings der 100ste Teil dieses Produkts so bezeichnet, d. h. die Drehung einer Losung, die in 1 ccm 1 Grammolekül des aktiven Stoffes enthält und deren durchstrahlte Dicke 1 mm beträgt.
Nach van t'Hoff-Le Bels Theorie muß jeder Körper, dessen chemische Strukturformel ein sogen. asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält, d. h. ein solches, das mit vier ungleichen Atomen oder Atomgruppen verbunden ist, optisch aktiv sein und in einer rechts-sowie ein er gleich stark linksdrehenden Form auftreten, was sich vielfach bestätigt hat. Auch flüssige Körper, z. B. Terpentinöl, zeigen Drehung der Polarisationsebene und behalten sie unverändert beim Übergang in den Dampfzustand, falls die Menge dieselbe bleibt. In manchen festen Körpern (Faradays Glas) sowie Flüssigkeiten (Schwefelkohlenstoff) und Gasen läßt sich auch durch magnetische Kräfte Z. bewirken, wenn ein magnetisches Feld erregt wird und das Licht in der Richtung der Kraftlinien hindurchgeht (s. Magnetooptische Erscheinungen). Als Verdetsche Konstante ist die Konstante, mit der man die Differenz der magnetischen Potentiale an Ein- und Austrittstelle des Lichtstrahles multiplizieren muß, um die Drehung zu erhalten. S. auch Zeeman-Phänomen und Kristalle, flüssige. Von Flüssigkeiten drehen nach rechts: alkoholische Kampferlösung, wässerige Lösungen von Rohrzucker, Traubenzucker, Dextrin, Weinsäure etc.; nach links wässerige Lösungen von Fruchtzucker, arabischem Gummi, Inulin, Chinin, Morphin, Strychnin, die meisten ätherischen Öle etc. Da das Drehungsvermögen dieser Flüssigkeiten viel geringer ist als dasjenige des Quarzes, so muß man, um es genau beobachten zu können, viel dickere Schichten anwenden; man füllt daher die Flüssigkeiten in Röhren (s. Tafel »Polarisationsapparate«, Fig. 15), die an den Enden mit ebenen Glasplatten verschlossen sind. Die Drehung wächst einerseits im Verhältnis der Dicke der Schicht, d. h. der Länge der Röhre, anderseits im Verhältnis des Gehalts der Flüssigkeit an wirksamem Stoffe (z. B. Zucker). Da man ermittelt hat, daß bei einer Röhrenlänge von 20 cm die Drehung für jedes Gramm Zucker pro 100 ccm Lösung 11/3 Grad beträgt, so läßt sich aus dem beobachteten Drehungswinkel der Zuckergehalt einer gegebenen Lösung sofort bestimmen. Vorrichtungen, die den Zweck haben, auf diesem Wege den Gehalt von Zuckerlösungen zu bestimmen, heißen Saccharimeter (Zuckermesser). Dasjenige von Mitscherlich entspricht der zuerst beschriebenen Einrichtung. Als Hilfsmittel zur genauen Bestimmung selbst geringer Drehungen dient Soleils doppelte Quarzplatte (Doppelplatte, Fig. 8).
Sie besteht aus zwei senkrecht zur optischen Achse geschnittenen, nebeneinander gekitteten Quarzplatten, von denen die eine rechts, die andre links drehend und jede 3,75 mm dick ist. Bei dieser Dicke nämlich erfahren die gelben Strahlen eine Drehung von 90°(Fig. 1) und werden daher, wenn sich die Platte zwischen parallel gestellten Nicolschen Prismen befindet, ausgelöscht, so daß beide Plattenhälften den nämlichen violetten Farbenton (Übergangsfarbe, empfindliche Farbe) zeigen. Da in dieser Farbenmischung gerade das Gelb, also diejenige Farbe, für die das menschliche Auge am empfindlichsten ist, fehlt, so wird bei der geringsten Drehung des einen Nicols der Farbenton der einen Plattenhälfte mehr ins Rote, derjenige der andern mehr ins Blaue übergehen. Bringt man nebst der Doppel platte eine mit Zuckerlösung gefüllte Röhre zwischen die parallel gestellten Nicols, so wird, da die Zuckerlösung die Schwingungsebene nach rechts dreht, für die rechtsdrehende Plattenhälfte die Drehung vermehrt, für die links drehende vermindert; dort kommen jetzt die orangefarbigen, hier die grünen Strahlen zur Vernichtung; jene Hälfte erscheint daher mehr blau, diese mehr rot gefärbt. Um die stattgehabte Drehung zu bestimmen, braucht man nur das eine Nicolsche Prisma so weit zu drehen, bis in beiden Plattenhälften die gleiche violette Färbung wieder hergestellt ist. Über Soleils Saccharimeter s. die Tafel »Polarisationsapparate«, S. III.
Meist werden heute als Saccharimeter Halbschattenapparate nach Lippich benutzt, bei denen nicht, wie beim Soleilschen Saccharimeter, gleiche Färbung, sondern gleiche Beschattungen der beiden Hälften des Gesichtsfeldes hergestellt und hiermit die Schwierigkeit vermieden wird, mit denen die Beurteilung von Farbentönen behaftet ist. Am empfindlichsten ist Lummers Kontrastpolarimeter, das nach gleichem Prinzip wie das Kontrastphotometer wirkt. Über diese Instrumente wie über das Halbschattensaccharimeter von Laurent und das Polaristrobometer von Wild s. die genannte Tafel. Vgl. Landolt, Das optische Drehungsvermögen organischer Substanzen (2. Aufl., Braunschw. 1898).
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