Zitterfische

[965] Zitterfische (elektrische Fische), die Fische mit elektrischen Organen, nämlich: der Zitteraal (Gymnotus), Zitterwels (Malopterurus) und die Zitterrochen (Torpedinidae). Die Organe liegen nach den Gattungen an verschiedenen Stellen des Körpers: beim Zitteraal im Schwanze dicht unter der Haut, bei den Zitterrochen nur ganz vorn im Rumpfe, ebenfalls unter der Haut, beim Zitterwels hingegen in der Haut selbst, und zwar in der ganzen Länge des Rumpfes, diesen mantelförmig umgebend. Auch stimmen sie nur in dem feinern Bau, nicht aber in den gröbern Verhältnissen überein. Sie entstehen, soweit man dies bisher weiß, aus Muskeln, die sich in einer eigentümlichen Weise umwandeln, und werden durch eine ungeheure Menge Nervenfasern versorgt. Im ausgebildeten Zustand ist beim Zitterrochen (Torpedo, es gibt viele Arten davon; Abbildung des ganzen Fisches s. Tafel »Fische I«, Fig. 1) jedes der beiden Organe aus vielen nebeneinander stehenden Prismen zusammengesetzt; diese wiederum bestehen aus einer Reihe auseinander geschichteter Platten. Zwischen je zwei Platten befindet sich eine bindegewebige Scheidewand, die Platten selbst aber enthalten eine gallertige Substanz. Vier starke, den Kopfnerven zugehörige Nervenstämme treten in die elektrischen Organe ein, verzweigen sich zwischen den Prismen und bilden dann in jeder Platte auf der Bauchseite derselben die sogen. elektrische Endplatte, d. h. eine Unmenge feinster Nervenendigungen. Hiernach hat jedes Prisma eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Voltaschen Säule, in der die bindegewebigen Scheidewände die positiven, die Endplatten die negativen Metallstücke, die Gallerte der Platten aber den feuchten Leiter darstellen würden; anatomisch jedoch entspricht es einer quergestreiften Muskelfaser, deren kontraktile Substanz geschwunden ist, während die Nervenendigungen eine vergleichsweise riesige Ausdehnung erlangt haben. Die Anzahl der Prismen schwankt nach den Arten von etwa 150 bis über 1000 in jedem Organ; Platten hat T. ocellata im ganzen über 300,000, T. marmorata etwa 360,000. Die Quelle der Elektrizität dürfte in der umgewandelten Muskelsubstanz zu suchen sein, doch ist aus Experimenten geschlossen worden, daß die elektromotorischen Kräfte des Zitterrochens in den nervösen Elementen des Organs ihren Sitz haben. Die frühere Annahme, daß der Zitterrochen gegen seinen eignen Schlag geschützt sei, ist irrig, denn bei jeder Entladung des elektrischen Organs erleidet das Tier selbst eine, wenn auch nur schwache, Zuckung. Einen starken Schlag, der indessen auch bei den größten Exemplaren ohne Schaden ertragen werden kann, erhält man nur bei Berührung von Bauch und Rücken eines noch ungereizten Tieres; nach wiederholten Entladungen, oder wenn man nur die Rückenseite berührt, ist die Wirkung sehr gering. Die stärkste bis jetzt gemessene elektromotorische Kraft beträgt etwa 30 Daniells. Beim Zitteraal und Zitterwels sind die Platten nicht vertikal, sondern horizontal, mit den Nervenenoplatten nach dem Schwanze zu, angeordnet. Der Zitterwels hat über 2 Mill. Platten, die alle zusammen ihre Nerven von nur einem Paar allerdings riesiger Ganglienzellen im Rückenmark beziehen. Pseudoelektrische Organe nannte man früher die im Bau den elektrischen ähnlichen Organe im Schwanze der gewöhnlichen Rochen (Raja, s. Tafel »Fische I«, Fig. 2) und der Fische Mormyrus und Gymnarchus aus dem Nil, von denen aber neuerdings nachgewiesen ist, daß auch sie Elektrizität, allerdings nur wenig, liefern; sie sind ebenfalls aus Muskelfasern entstanden. Vgl. Babuchin, Übersicht der neuern Untersuchungen über die elektrischen und pseudoelektrischen Organe (Berl. 1877); Sachs, Untersuchungen am Zitteraal (Leipz. 1881); Fritsch, Die elektrischen Fische (Leipz. 1887–90, 2 Tle.); Schönlein, Beobachtungen und Untersuchungen über den Schlag von Torpedo (Münch. 1894); [965] Ballowitz, Das elektrische Organ des afrikanischen Zitterweises (Jena 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 965-966.
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