[64] Abwesenheit (Absentia), 1) das nicht Gegenwärtigsein an einem Orte; 2) (Rechtsw.), die A. ist entweder Absentia ordinaria, beständiger Aufenthalt an einem andern Orte; od. A. extraordinaria, Entfernung von dem gewöhnlichen Aufenthaltsorte, welche wieder A. laudabilis, löbliche, vituperabilis (malitiosa), tadelhafte, u. indifferens, gleichgültige, sein kann, wie auch ficta, eine angebliche, die bei Minderjährigen u. Verrückten vorkommt, u. vera, wirkliche, necessaria, nothwendige, u. voluntaria, willkürliche; causalis, zufällige, u. reipublicae causa, des Gemeinwohls wegen. Von Einfluß ist diese Eintheilung in der Lehre von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, indem diese rücksichtlich eines, wegen löblicher A., z.B. in Staatsgeschäften, erlittenen Nachtheils, stets ertheilt, wegen tadelhafter A. aber verweigert wird; gleichgültige A. bewirkt in der Regel nur bei dem bevorstehenden Verluste unersetzlicher Rechte Wiedereinsetzung. Gegen Abwesende kann, wenn sie keine Bevollmächtigten hinterlassen haben, stets Restitution erlangt werden. Abwesende u. Verschollene nennt man die, welche, obgleich lange Zeit entfernt, keine Nachricht von sich gegeben haben; nach altrömischem Recht, die sich nicht an dem Orte befinden, an welchem gegen sie die Klage anzustellen ist. Für ihre Angelegenheiten wird von Gerichts wegen ein Bevollmächtigter, ein Abwesenheitsvormund (Curator absentis) bestellt; sie können aber nach vorgängiger öffentlicher Ladung auch auf Antrag für todt erklärt werden. Die Bedingungen für einen solchen Antrag sind nach den Landesgesetzen verschieden. Entweder wird der Abfluß eines bestimmten Zeitraums von der letzten eingegangenen Nachricht, so in Sachsen von 20, nach preuß. Landrecht von 10, nach Napoleons Code civil von wenigstens 34 Jahren (indem erst nach 4 Jahren die Abwesenheitserklärung u. nach 30 Jahren von letzterer an die Vermögensvertheilung erfolgen darf) erfordert; oder daß der Verschollene ein bestimmtes Lebensjahr, gewöhnlich nach Psalm 90, 10 das 70. Lebensjahr, u. nach dem Code civil das 100. Lebensjahr zurückgelegt habe. Im römischen Rechte besteht dafür keine Bestimmung. Ist die Todeserklärung erfolgt, so bekommen die zum Zeitpunkt der Todeserklärung nächsten Erben das Vermögen des Abwesenden, wenn er innerhalb Jahresfrist nach derselben nicht zurückgekehrt ist. Kommt er erst später wieder zurück, so haben ihm die Empfänger seines Vermögens nur das wieder herauszugeben, was davon noch vorhanden ist u. was sie selbst noch gewähren können. Wider den abwesenden Verbrecher fand nach älterem deutschen Rechte die Verfestung und der Achtsproceß Statt. Der Ankläger erhielt dadurch das Recht, den Geächteten überall, wo er ihn im Bezirke des Gerichts traf, zu ergreifen u. vor Gericht zu bringen. Blieb der Geächtete über Jahr u. Tag in der Acht, so verfiel er dann in die Oberacht und wurde ganz rechtlos. Das spätere Recht kannte, im Anschluß an das römische Recht, kein Contumacialverfahren mehr. Der flüchtige Verbrecher wird daher nach gemeinem Recht durch Nacheilen (Eilende Folge, Jus sequelae, Sequela praefectoria), d.i. durch Aufspürung und Verfolgung durch Gerichtspersonen (zwischen verschiedenen Staaten nur vermöge Conventionen u. so weit erlaubt, daß der Flüchtige der Ortsobrigkeit zur Arretirung übergeben wird), durch Ersuchungs-, Hülfs-, Requisitionsschreiben, Steckbriefe, Beschlagnahme seiner Güter, Haussuchung, Ertheilung sicheren Geleites u. durch Edictalladung (letzteres jedoch in Ermangelung eines wirksamen Präjudizes selten), zu erlangen gesucht. Ist der Verbrecher nicht zu erlangen u. ein Verbrechen in Frage, dessen Bestrafung nur an der Person des Verbrechers vollzogen werden kann, so bleibt nach Erschöpfung der gewöhnlichen Mittel, sich der Person des Verbrechers zu bemächtigen, die Untersuchung auf sich beruhen, da die sonstige Verbrennung od. Anschlagung des Bildes od. Namens des Verbrechers an den Galgen etc. nicht mehr allgemein üblich ist. Der Anklageproceß der neueren Strafproceßordnungen kennt dagegen wieder ein Verfahren gegen Abwesende. Die Voruntersuchung geht ihren gewöhnlichen Gang; führt sie zu Ergebnissen, welche den Abwesenden des bezüchtigten Verbrechens genugsam verdächtig machen, so erfolgt die Versetzung in den Anklagestand und Anberaumung der Hauptverhandlung, zu welcher der Abwesende entweder durch Requisition od. durch öffentliche Edictalcitation vorgeladen wird. Bei der Verhandlung selbst wird angenommen, daß der Abwesende durch sein Nichterscheinen auf Vorbringung einer Vertheidigung verzichtet habe, u. es kann daher, wenn sonst die Beweise ausreichen, auch eine Verurtheilung desselben ausgesprochen werden. Manche Gesetzgebungen (z.B. die französische) schließen alsdann selbst die Mitwirkung der Jury aus. Andere sind jedoch auch milder u. lassen eine Verhandlung gegen Abwesende zu, doch nur dann, wenn die Ladung dazu dem Angeklagten mindestens gehörig behändigt werden konnte; 3) A. des Geistes, s. Geistesabwesenheit.