Calais

[559] Calais, 1) Souspräfectur im französischen Departement Pas de Calais; 2) Stadt u. Festung daselbst, im Arrondissement Boulogne, an der schmalsten Stelle des Kanals (La Manche, Pas de Calais), der hier nur 7 Stunden breit ist (Überfahrt nach England mit Dampfboot in 2 Stunden, oft noch schneller), besteht aus der oberen Stadt, Haute ville), der unteren Stadt (Basse ville, einer Art Vorstadt) u. der nordöstlich gelegenen Vorstadt Courgain, fast nur von Seeleuten bewohnt. Reinlich u. gut gebaut, schöne Promenaden auf den Wällen (von wo aus man bei klarem Wetter die englische Küste deutlich sieht). schöner Marktplatz, Rathhaus, Börse, Civil- u. Handelstribunal, Handelsrath, College, Navigationsschule, Zeichnenschule, Gesellschaft für Ackerbau, Künste u. Wissenschaften; Kasernen; Fabriken in Öl, Seife, Leder, Tüll, Mützen, Kattun u. Strumpfwaaren; Salzsiedereien, Dampfbootwerkstätten. bedeutende Fischerei (Kabeljau, Häringe, Makrelen), Handel mit Getreide, Wein, Öl u. Flachs; Seebäder. C. hat kein Quell-, sondern nur Cisternenwasser. Der Hafen ist klein, ziemlich versandet u. während der Ebbe fast wasserleer, wird durch zwei Steindämme verschlossen u. durch mehrere Forts vertheidigt; an demselben steht die Bildsäule Ludwigs XVIII., zur Erinnerung an seine Rückkehr nach Frankreich (24. April 1814), u. sein erster Fußstapfen aufs Land in Bronze gegossen; Leuchtthurm; tägliche regelmäßige Postdampfschifffahrt nach Dover (England). Eisenbahnverbindung über Lille mit Belgien u. Deutschland, über Boulogne mit Amiens u. Paris. Electro-magnetischer Telegraph nach Dover (die erste telegraphische Verbindung Englands mit dem Continent, wie die erste submarine Telegraphenanlage überhaupt; Septbr. 1851); 15,000 Ew., worunter viele Engländer; jährlich 25–30,000 Fremde. Das Land umher führte sonst, seit es die Franzosen wieder erhielten (1558), den Namen Pays reconquis. – Bei C. muß der alte Icius portus (s.d.) gewesen sein; das jetzige C. gehörte zur Grafschaft Boulogne u. hieß bis zum 13. Jahrh. Scala od. Scalas. Erst seit 1228 wurde C. befestigt u. ein Schloß in der Nähe gebaut, u. war die Hauptstadt der Grafschaft Oye. Eduard III. von England eroberte es 1347 durch Aushungern u. schickte die Einwohner als Leibeigene nach England. 1436 belagerte es Herzog Philipp von Burgund für Frankreich, doch entsetzte es der Herzog von Gloucester mit einem britischen Heere, s. Frankreich (Gesch.); 8. Jan. 1558 capitulirte es an den Herzog Franz von Guise Nach dem Frieden von Cateau-Cambresis sollte C. 8 Jahre in französischer Gewalt bleiben u. dann den Engländern zurückgegeben werden; aber Frankreich behielt es, u. von da an bildete Calaisis mit Guines eine Unterstatthalterschaft von der Picardie. 1596 eroberten es die Spanier unter Erzherzog Albert von Österreich (s. Frankreich [Gesch.]), jedoch wurde es im Frieden von Vervins zurückgegeben u. blieb nun immer bei Frankreich. Hier auch zwei Seeschlachten, am 29. Juli 1588, zwischen der spanischen Unüberwindlichen Flotte unter dem Herzog von Medina-Sidonia, welche eine Landung in England versuchen sollte, u. der siegreichen englischen Flotte des Lordadmirals Howard Effingham; u. am 16. Sept. u. 21. Oct. 1639 zwischen der spanischen Silberflotte unter dem Herzog de Ocquendo u. den siegreichen Holländern unter Admiral Tromp; s. Niederlande (Gesch.) u. Spanien (Gesch.); 3) (St. C.), Arrondissement im französischen Departement Sarthe; 21 QM., 72,000 Ew.; 4) Hauptstadt das., an der Anille; Civiltribunal, gothische Kirche; Fabriken in Serges, Tüchern, Wollen- u. Leinenzeugen, Glas u. Leder; Gerbereien; Handel mit Getreide u. Holz; 4000 Ew.; 5) städtischer Bezirk mit Postamt (Post-township) in der Grafschaft Washington des Staates Maine (Vereinigte Staaten von Nordamerika) am St. Croix River, der hier schiffbar wird; in der Umgegend wird viel Bauhol; geschlagen, für dessen Transport eine Eisenbahn nach Baring gebaut worden ist; lebhafte Schifffahrt; 6000 Ew.; 6) städtischer Bezirk u. Postamt in der Grafschaft Washington des Staates Vermont am Onion; 1500 Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 559.
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