[420] Durchsuchungsrecht (fr. Droit de visite, engl. Right of search), 1) das Recht kriegführender Seemächte zur Durchsuchung von Kauffahrern, welche unter neutraler Flagge segeln, wird von allen Kriegsschiffen auf offener See u. in der Nähe der Küsten der kriegführenden, nicht aber der neutralen Staaten geübt, um die Neutralität der betreffenden Schiffe od. das Vorhandensein von Kriegscontrebande, feindlichen Personen, Depeschen u. dgl. zu constatiren, od. aber einen Blockadebruch zu beweisen. Bei der Ausübung dieses Rechts gibt das Kriegsschiff dem Kauffahrer ein Signal zum Anhalten, dessen Nichtbeachtung als Neutralitätsbruch angesehen wird. Der Commandeur des Kriegsschiffs sendet sodann einen Offizier mit einigen Leuten an Bord des fremden Schiffes. Dieser läßt sich die Schiffspapiere vorlegen u. schreitet, falls er dieselben nicht in Ordnung findet, zur genaueren Untersuchung der Schiffsräume selbst. Doch nehmen einige Staaten auch das wirkliche D. dann in Anspruch, wenn die Schiffspapiere nichts Verdächtiges enthalten. Findet der Durchsucher die Neutralität in irgend einer Art verletzt, so steht ihm die Befugniß zu, das Fahrzeug aufzubringen, um es von dem Prisengericht aburtheilen zu lassen. Das D. ist als ein Völkerrecht allgemein u. durch einzelne Specialverträge ausdrücklich als ein solches anerkannt. Früher war dasselbe auch auf Caper ausgedehnt, bis 1856 von den europäischen Mächten (nicht von Amerika) die Caperei abgeschafft wurde. Über die Handhabung des Rechtes gab zuerst der Vertrag zwischen Frankreich u. Spanien im Pyrenäischen Frieden 1659 genauere Bestimmungen, welche später als allgemeine Norm von allen Seemächten angenommen wurden; doch ist von einzelnen Staaten bald ein strengeres, bald ein milderes Verfahren in der Praxis beobachtet worden. Gehen durch Anwendung des D-s versicherte Waaren verloren, so ist der Versicherer nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn dieselben ausdrücklich gegen Kriegsgefahr versichert waren. 2) Das Recht zur Durchsuchung von Kauffahrern, welche des Sklavenhandels verdächtig sind, um diesen zu verhindern. Dieses D. ist kein allgemein anerkanntes u. datirt erst vom Pariser Frieden 1814, auf welchem die acht europäischen Mächte den Sklavenhandel verpönten. Durch besondere Verträge haben sich nach u. nach die meisten schifffahrttreibenden Staaten Europas das D. gewährleistet, doch führte dasselbe oft zu Collisionen, namentlich. der schwächeren Seemächte mit England, dessen Übergewicht zur See sich dabei nicht selten in verletzender Weise geltend machte. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich bis jetzt entschieden geweigert, fremden Mächten das D. zu gestatten, ebenso Brasilien, welches zu wiederholten Malen mit England in Collisionen gerieth, da das Letztere das D. auch gegen Brasilianische Fahrzeuge mehrmals in Anwendung brachte. Beide gestatten nur ein Untersuchungsrecht in Bezug auf die Schiffspapiere (Right of visitation). Als Sklavenschiffe werden übrigens nicht nur solche Fahrzeuge aufgebracht, welche wirklich Sklaven führen, sondern auch diejenigen, deren Einichtung u. Verproviantirung den Zweck des Sklavenhandels deutlich erkennen lassen. Ohne hinreichenden Verdachtsgrund soll kein Kauffahrer angehalten u., wenn es geschieht, von dem Capitän des Kreuzers der etwaige Schaden ersetzt werden.