[30] Exception (v. lat.), 1) so v.w. Ausnahme; daher Exceptionsgesetze, in Widerspruch mit den Grundgesetzen, zur Erreichung besonderer Zwecke auf eine bestimmte Zeit erlassene Verordnungen. Exceptionell, eine Ausnahme enthaltend; Exceptiv, ausnehmend, ausschließend. 2) (Rechtsw.), Einrede (s.d.), Einwand, Vertheidigungsgrund, welchen der Beklagte vorbringt, um das Klagerecht des Klägers auszuschließen, z.B. Exceptio bonae fidĕi possessiōnis, die Einrede gegen die Publicianische Klage, daß man in gutem Glauben mit besserem Rechte besitze, als der Kläger darzuthun vermag. E. caesarĕa, scherzweise der Einwand, daß man Nichts habe, um die Klage befriedigen zu können (nach dem Rechtssprüchwort: Wo Nichts ist, hat auch der Kaiser sein Recht verloren). E. od. Beneficium cedendarum actionum, wonach bei Correalschuldnern der das Ganze Zahlende die Cession der Klage des Gläubigers verlangen kann, um mit ihr seinen Regreß zum antheiligen Betrag gegen seine Mitschuldner zu nehmen. E. compensatiōnis, die Einrede der Gegenforderung, s.u. Compensation. E. od. Auxilium divisiōnis, Einrede der Theilung, ursprünglich nur den Mitbürgen, später allen solidarisch Verpflichteten, mit Ausnahme der durch Delict Verpflichteten, in der Weise gegeben, daß, so lange die übrigen solidarisch Verpflichteten solvent u. gegenwärtig sind, die Theilung der Schuld nach der Zahl der Mitverpflichteten verlangt werden kann. E. doli, die Einrede, daß der Kläger bei Erhebung der Klage gegen die Bona fides handle u. sich unbilliger Weise bereichern wolle. E. excussiōnis s. ordĭnis, Einrede der Vorausklage, wonach der Beklagte unter Umständen verlangen kann, daß der Kläger erst einen Anderen vorher angehe, ehe er von ihm, dem Beklagten, Befriedigung fordert. Sie kommt als E. excuss. personalis vor bei Bürgen u. dritten Pfandbesitzern, indem dieselben so lange die Bezahlung der Schuld, resp. die Herausgabe des Pfandes, verweigern dürfen, als nicht der Hausschuldner erfolglos ausgeklagt worden ist; als E. excussionis realis bei dem Inhaber eines generellen Pfandes, indem derselbe verlangen darf, daß, wenn für diese Schuld zugleich ein specielles Pfand haftet, zunächst dieses angegriffen u. zur Befriedigung der Pfandschuld verwendet werde. E. fori, fori non competentis (Praescriptio fori), die Einrede, daß das Gericht, bei welchem die Klage erhoben worden ist, nicht zur Verhandlung der Sache zuständig u. der Beklagte deshalb nicht schuldig sei, dem Gerichtszwange dieses Gerichtes sich zu unterwerfen. E. domini, die Einrede, daß die Sache, deren Herausgabe verlangt wird, dem Beklagten eigenthümlich gehöre u. derselbe kraft dieses Eigenthumsrechtes die Herausgabe derselben zu verweigern befugt sei. E. non adimplēti con ractns s. implementi non secuti, die Einrede, daß der Kläger, welcher aus einem zweiseitigen Contract klagt, diesen Contract seinerseits selbst gar nicht erfüllt habe. E. non rite adimpleti contractus, die Einrede, daß diese Erfüllung Seitens des Klägers wenigstens nicht ordnungsgemäß u. vollständig geschehen sei. E. non numeratae pecuniae, beziehentl. E. non numeratae dotis, die Einrede, womit der Beklagte einem von ihm ausgestellten u. vom Kläger wider ihn producirten Empfangsschein über ein Darlehen od. über eine Dos od. eine Privatquittung die Behauptung des Nichtempfangs entgegenstellt. E. litis pendentis, die Einrede, womit der Beklagte, gegen welchen bereits eine Klage angestellt worden ist, seinen Gegner zurückweist, wenn dieser über denselben Gegenstand gegen ihn anderswo Klage erhebt. E. metus, die Einrede, daß das Rechtsgeschäft, woraus der Kläger seinen Anspruch herleitet, durch Anwendung unrechtmäßiger Gewalt zu Stande gebracht worden sei. E. plurĭum constupratōrum, die Einrede des Beklagten, welcher auf den Grund einer außerehelichen fleischlichen Vermischung belangt wird, daß die Geschwächte während des kritischen Zeitraums auch noch mit anderen Mannspersonen zu thun gehabt habe. Über ihre Wirkung s.u. Concubitus. E. rei judicatae, der Einwand, daß über dieselbe Sache, welche den Gegenstand der Klage bildet, bereits ein weitere Verhandlungen ausschließendes rechtskräftiges Erkenntniß vorliege. E. rei vendĭtae et tradĭtae, die Einrede, welche von Seiten eines Käufers entgegengestellt wird, wenn Derjenige, welcher aus dem geschlossenen Kaufvertrage zur Tradition verpflichtet ist, nach der Erfüllung dieser Verbindlichkeit die Sache doch mit einer dinglichen Klage in Anspruch nimmt. E. senatusconsulti Macedoniani, die Einrede, welche nach einem Senatusconsult unter Claudius od. Vespasian demjenigen entgegengestellt werden kann, welcher einer in väterlicher Gewalt befindlichen Person Geld geborgt hat; vgl. Darlehen. E. senatusconsulti Vellejani, die Einrede, mit welcher eine Frau, welche eine fremde Verbindlichkeit durch Intercession auf sich genommen hat, die Klage aus diesem Intercessionsgeschäft zu einer für sie unwirksamen zu machen vermag, s.u. Bürgschaft. E. spolii, die Einrede, daß der Kläger entweder selbst widerrechtlicher Weise den Beklagten des Besitzes eines Rechtes od. einer Sache entsetzt, od. doch[30] aus einer solchen Besitzentsetzung wissentlich Vortheil gezogen habe. E. sub- et obreptionis (Praescriptio mendaciorum), der Einwand, daß ein in einer Rechtssache verlangtes kaiserliches od. päpstliches Rescript entweder durch Anführung falscher (Supreptio) od. durch Verschweigung wahrer zur Sache gehöriger Thatumstände (Obreptio) erschlichen worden sei. Für das heutige Recht hat diese Einrede bei der gänzlich veränderten Gerichtsverfassung, welche Entscheidungen durch den Fürsten unbedingt verbietet (s.u. Cabinetsjustiz), ihre Bedeutung verloren. E. tempŏris, die Einrede der Verjährung, s.u. Verjährung. E. veritātis, die Einrede, daß eine Beleidigung od. Verleumdung, wegen deren der Beleidigte od. Verleumdete klagend aufgetreten ist, eine wahre Thatsache zum Grunde habe, z.B. also der, welcher Dieb genannt worden ist, wirklich gestohlen habe, s.u. Injurie. E. vitiosae possessionis, bei den Besitzklagen (s.u. Besitz) die Einrede, daß der Kläger den Besitz, welchen er beansprucht, fehlerhafter Weise, d.i. entweder durch Gewalt od. heimlich od. nur bittweise (vi, clam aut precario, die sogenannte Tria vitia possessionis) erworben habe. Vgl. Albrecht, die Exceptionen des gemeinen deutschen Civilprocesses, Münch. 1835.