Huß

[635] Huß (richtiger Hus), Johannes, geb. 6. Juli 1369 od. 1373 zu Husinec im Prachiner Kreise in Böhmen, Sohn eines Landmannes, studirte in Prag Theologie u. Philosophie, trat 1398 daselbst als Lehrer auf u. wurde 1400 zugleich Prediger, 1401 Dekan der philosophischen Facultät u. Prediger an Bethlehems Kapelle u. Beichtvater der Königin. Streng in seinen Grundsätzen u. untadelhaft in seinen Sitten predigte er sehr entschieden gegen die herrschenden Laster in allen Ständen u. eiferte, als er die Bibel u. Wiclefs u. Janows Schriften gelesen hatte, gegen die herrschenden Mißbräuche, bes. der Geistlichkeit. Seit 1403 begannen seine Kämpfe für die Reformation, nachdem die Wiclefischen Lehren als Ketzereien verdammt u. 1405 vom Papst mit Bestrafung bedroht worden waren. Als er 1409 die Wiederherstellung der alten Institution der Universität, wonach die Einheimischen drei, die Fremden aber eine Stimme haben sollten, hatte durchsetzen helfen, so verließ ein großer Theil der Lehrer u. Studenten Prag (worauf die Universität Leipzig gegründet wurde), u. nun erhielt die reformatorische Bewegung ein nationales Gepräg. Von da an hörte aber das gute Einvernehmen zwischen H. u. dem Erzbischof Zbynek auf; dieser untersagte H. bei seinem Ankämpfen gegen den Clerus, auf Befehl des Papstes Alexander V., zu predigen u. verbrannte am 16. Juli 1110 H-s Schriften, wodurch bei dem König u. einem Theil der Prager Bevölkerung eine große Erbitterung entstand. H. predigte fort u. bestritt Zehnten, Ohrenbeichte, Bilderdienst u. Fasten, tadelte die Entziehung des Kelches im Abendmahl, als der Stiftung Christi zuwider, u. reichte das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Papst Johann XXIII. forderte ihn 1410 nach Rom zur Untersuchung vor den Cardinal Colonna, H. erschien aber nicht, legte dagegen im Sept. 1411 ein Glaubensbekenntniß vor der Universität ab, welches durchaus orthodox war. Als nun sein Freund u. eifrigster Anhänger, Hieronymus von Prag, eine päpstliche Ablaßbulle in Prag unter dem Galgen öffentlich mit Füßen trat u. verbrannte, belegte der Papst H. 1412 mit dem Bann u. Prag seinetwegen mit dem Interdict. Jetzt verließ H. Prag, sprach sich aber zu Husinec, wo ihn Nicolas von Husinec schützte, u. ana. Orten, in Predigten u. Schriften immer heftiger gegen Papst u. Klerus aus. Auf das Concil in Costnitz citirt, ging er, kam am 3. Nov. 1414 dort an, erhielt auch 5. Nov. noch nachträglich den kaiserlichen Geleitsbrief, wurde aber schon am 28. Nov. gefangen genommen u. am 6. Dec. in einem Dominicanerkloster ins Gefängniß gelegt. Vergebens eiferte König Sigismund hiergegen, bes. auf Verwendung vieler vornehmer böhmischer u. mährischer Herren, u. mußte endlich H-s Gefängniß billigen. Hieronymus von Prag eilte herbei, wurde aber auch eingekerkert. Im Verhör am 5. Juni 1415 bekannte sich H. zu den ihm vorgelegten Schriften, wurde jedoch des entstandenen Lärmens wegen auf den 7. u. 8. Juni wieder vorbeschieden. Er vertheidigte sich kurz, bes., gegen die 39 Artikel, welche ihm aus seinem Buch von der Kirche als Ketzereien vorgehalten wurden[635] verweigerte bei einer nochmaligen Vorladung den Widerruf, so lange man ihm nicht den Irrthum nachweise; der Kaiser wurde beredet, einem Ketzer brauche man das Wort nicht zu halten, u. H. wurde am 6. Juli 1415 zum Feuertode verdammt u. das Urtheil sogleich auf einer kleinen Insel am Rhein, nach And. in dem sogenannten Paradies, einer Vorstadt von Costnitz, vollzogen, seine Asche aber in den Rhein geworfen. Es ist eine Sage, daß er, als er den Scheiterhaufen bestieg, gesagt habe: Jetzt bratet ihr eine Gans (Huß, böhmisch so v.w. Gans), doch in 100 Jahren wird kommen ein Schwan (Luther, böhmisch so v.w. Schwan), den werdet ihr ungebraten lan. Die an ihm verübte That wurde Veranlassung zum Hussitenkrieg, s. Hussiten. Bald nach dem Anfang der Reformation wurden einzelne Schriften von H. herausgegeben, z.B. von Ulrich von Hutten, 1520, u. Otto Brunnfels 1524, eine vollständige Sammlung seiner sämmlichen Schriften erschien als Historia et monumenta Jo. Huss atque Hieron. Pragensis, Nürnb. 1558, n. A. 1715; seine Geschichte schrieb schon einer seiner Zeitgenossen Historia sanct. martyris Joh. H.; außerdem Seyfried, Dissert de Joh. H. martyre, Jena 1698; Zitte, Lebensbeschreibung des Joh. H., Prag 1789; Tischer, Leben des Joh. H., Lpz. 1798; Helfert, H. u. Hieronymus, Prag 1853; Jeep, Gerson, Wiclefus, Hussus inter se comparati, 1856 (Preisschrift); Winkelmann, Gerson, Wiclefus, Hussus inter se comp., Götting. 1857 (Preisschrift); Becker, H. u. Hieronymus von Prag, Nördl. 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 635-636.
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