Pannonĭa

[600] Pannonĭa, das südöstlichste der Süddonauländer; wurde begrenzt in Westen durch den Berg Cetius, welcher es von Noricum, u. die Julischen Alpen, welche es von Oberitalien schieden, in Norden u. Osten vom Danubius, welcher die Grenze gegen Dacien u. Germanien machte, in Süden vom Savus, welcher es von Illyrien trennte; also begriff es den Unterwienerwald, die Landschaften am rechten Donauufer, ganz Niederungarn, Slavonien bis an den Zusammenfluß der Sau, einen Theil von Bosnien, Krain u. Kroatien. Gebirge: Carvancas, Cetius, Albii od. Albanii montes, Claudius u. Almus (Alma); Flüsse: Danubius, Dravus, Murius, Savus, Arabo; Landseen: Pelso, Ulcaei lacus; das Land war in seinen hohen Theilen kalt, rauh, steinicht, in der Fläche von großen Waldungen durchzogen, deren Hölzer einen Handelsartikel nach Italien bildeten; in den freien Gegenden wuchs bes. Getreide (Hafer, Gerste, Hirsen), Narden, seit Kaiser Probus auch Wein; Metalle werden in alter Zeit nicht erwähnt. Schon früh wurde P. durch eine vom Arabo bis zur Mündung des Vorbas in den Savus gedachte gerade Linie in zwei Theile getheilt: Ober-P. (P. superior) u. Nieder-P. (P. inferior). Die Pannonier waren ein illyrischer Volksstamm, tapfer, roh, grausam, nur nach den italienischen Grenzen etwas cultivirt; nach der Unterwerfung unter die Römer nahmen sie deren Bildung an. In Ober-P. hausten die Völkerschaften der Azali, Cytni, Boji, Jassii, Coletiani, Oseriates, Serretes, Latobici, Vareiani u. Colapiani, u. waren die bedeutendsten Ortschaften Vindobona, Carnuntum, Scarabantia, Sabaria, Pötovio, Siscia (Segeste), ämona, Nauportus (s.d.a.); in Nieder-P. die Amantini, Arabisci, Hercuniatä, Andiantes, Breuci, Scordisci u.a., mit den Ortschaften Bregätium, Aquincum, Mursia, Cibalä, Taurunum, Sirmium (s.d.a.) u.v.a. Anfangs bewohnten Celten das Land P., als diese von den Römern vertrieben worden waren, zogen sich die Pannonier von den Bergen ins Blachfeld u. breiteten sich bis an die Donau aus. Augustus selbst machte den ersten Angriff auf P. u. sein Feldherr Vibius vollendete die Unterwerfung unter die Römer. Im Jahre 6 n. Chr. machten die P. unter ihrem Häuptling Bato mit den Dalmatiern u. den andern Illyriern einen Aufstand, ermordeten alle Römer im Lande u. schlugen den Junius Bläsus u. Cäcina. Im Jahre 7 wurden sie von Tiberius wieder unterworfen u. das Land zur römischen u. zwar kaiserlichen Provinz gemacht; Ober- u. Unter-P. hatten jedes einen Proprätor zum Verwalter. Als die Nachricht von dem Tode des Augustus nach P. kam, rebellirten die hier stationirten Legionen, wurden aber von Drusus beschwichtigt. Im 4. Jahrh. riß Kaiser Galerius ein Stück von Nieder-P. zwischen dem Arabo, Danubius u. Dravus ab u. gab der neuen Provinz nach seiner Gemahlin den Namen Valeria. Constantin der Große veränderte die Namen P. superior in P. prima u. den des übrig gebliebenen Theiles von P. inferior, wozu er Striche von Ober-P. am Oberlaufe des Dravus u. Savus geschlagen hatte, in P. secunda. Das Stück zwischen Savus u. Dravus hieß auch Interamnia u. der Uferstrich an dem Savus Savia od. P. ripensis. P. prima hatte für Civilangelegenheiten einen Präses mit der Residenz in Sabaria, P. secunda einen Consularis in Sirmium, sowie einen Präfecten in Siscia, alle drei standen unter dem Praefectus praet. von Illyrien[600] P. war ein sehr wichtiges Land, weil durch dasselbe die große Handels- u. Verkehrsstraße zwischen Noricum u. dem Orient ging; daher bauten die Römer eine Menge Castelle an dem Danubius zum Schutz gegen die Einfälle der Germanen, gründeten mehre Colonial- u. Municipalstädte, legten Straßen an u. machten sich um die Cultivirung des Landes u. die Cultur der Bewohner nicht wenig verdient. Das Christenthum findet sich in P. schon gegen Ende des 4. Jahrh. nach der Arianischen Auffassung u. der Hauptbischofssitz war in Sirmium. Im 5. Jahrh. ging bei der Völkerwanderung P. den Römern verloren, nach denen es der Gothenkönig Alarich od. vielmehr sein Bruder Aistauis beherrschte; doch bekamen es die Römer nach dem Abzug der Gothen wieder; aber durch die Hunnen unter Attila verloren sie es abermals. Als nach Attilas Tode das Hunnenreich zerfiel, besetzten Ostgothen P. von Sirmium bis Wien u. von Dalmatien bis an die Donau. Als die Gothen nach Italien abzogen, besetzten Longobarden P. um 500 n. Chr. u. überließen es bei ihrem Zuge nach Italien den Avaren, die im Besitz blieben u. sich noch weiter verbreiteten u. die letzten Reste des Christenthums vertilgten. Nach Karls des Großen Siegen über die Avaren 806 brachen die Ungarn in die Länder an der Donau ein u. unterwarf sich auch P., s.u. Ungarn (Gesch.); vgl. Schönwisner, Antiquitates et historia Subariensis, Pesih 1791.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 600-601.
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