Sindhī-Sprache

[124] Sindhī-Sprache, zur vorderindischen Abtheilung des Indogermanischen Sprachstammes gehörig, toird in Sindh, Radschputana, Las u. Mekran gesprochen. Sie hat folgende Laute (nach Lepsius Umschreibung): Vocale: a, ā, i, ī, u. ū, ; Diphthonge: ē, ai, ō, au; Consonanten: k, kh, g, gh, ṅ, h, ḡ; č, čh, ǰ, ǰh, ń, y, š, d'; ṭ, ṭh, ḍ, ḍh, ṇ, ṛ, ḍ; t, th, d, dh, n, r, l, s; p, ph, b, bh, m, w, . Den bestimmten Artikel ersetzen die Pronomina hī, hū, den unbestimmten das Zahlwort hikidō. Das Nomen hat zwei Numeri, zwei Genera (Masculinum u. Femininum) u. sieben Casus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Accusativ, Vocativ, Obliquus (von –) u. Casus Agentis (durch, von Jemand); dabei neun Declinationen. Das Adjectivum hat sieben Declinationen; Formen für die Steigerungsgrade fehlen ihm; statt dessen wird der verglichene Gegenstand in den Obliquus gesetzt u. für den Comparativ Präpositionen, wie khã, khō, khũ, ã, õ, ũ, vor den Superlativ mã, maǰhã etc. hinzugefügt. Zahlwörter: 1 hiku, barkhu, 2 a, 3 ṛe, 4 čāri, 5 pãǰa, 6 čha, čhaha, 7 sata, 8 aṭha, 9 nắwắ, 10 ṛaha, 20 wīha, 28 aṭwiha, 90 nawē, 100 sau. Die Ordinalien haben im Masculinum die Endung ō, õ, im Femininum ī, ĩ. Die Proportional- u. Reduplicativzahlen endigen auf – , z.B. satũnõ siebenmal größer. Die persönlichen Pronomina sind: ã, mẵ ich, mũ, mẵ durch mich; asĩ wir, asẵ durch uns; du, durch dich; tahĩ ihr, tahẵ durch euch. Sonstige Fürwörter: hī, hē hiu er, sie, es, dieser; hu, hō derjenige welcher; ihō eben dieser; uhō eben jener; iǰhō, nǰhō dieser da, jener da; ǰō welcher, welches (relativ); Jemand etc. Eine Eigenthümlichkeit der Sprache besteht in dem ausgedehnten Gebrauche von Pronominalaffixen. Solche sind für die erste Pers. Sing. – mi, Plur. –ū, –sĩ, –sũ; zweite Pers. Sing. –i, Plur. –wa; dritte Pers. Sing. –si, Plur. –ni, –ẵũ. Diese Sylben treten in possessiver Bedeutung an Substantiva u. als Regimen an Verba u. Präpositionen. Das Verbum hat fünf Genera: Neutrum, z.B. saḍaṇu brennen, in Brand sein; Activ: sāḍaṇu brennen; Passiv: sāḍǰ ṇu gebrannt, verbrannt werden; Impersonale: saḍǰe es wird gebrannt; Caussativum: sāḍā ṇu brennen machen. Die Modi sind: Indicativ, Imperativ, Potentialis, Subjunctiv u. Infinitiv. Die Wurzel des Verbs enthält der Imperativ, welcher stets auf i od. u endigt, z.B. māri schlage. Der Infinitiv endigt auf aṇu, z.B. maraṇu. Im Partic. Präs. der Verba transitiva u. neutra wird statt i rĩdō, statt u ãdō, im Passiv, ibō angehängt, z.B. mārĩdō schlagend. Das Part. Präterit. hat die Endung od. yalu, z.B. māryō, māryalu geschlagen; mārē heißt geschlagen habend. Im Indic. Präs. wird i zu yẵ u zu u. die selbständige Partikel thō tritt vor od. hinter das Verbum, z.B. māryẵ thō ich schlage. Das Präsens der Gewohnheit wird durch Verbindung des Part. Präs. mit dem Präs. des Verbum huaṇu, das erste Imperfect durch dasselbe Partic. mit dem Präteritum desselben Verbum gebildet, ein zweites durch das Präteritum mit der Partikel thē, z.B. mũ māryõ thē ich habe geschlagen, schlug. Im Plusquamperfectum wird das Präteritum von huaṇu mit dem Partic. Präteriti verbunden. Das Futurum lautet im Activrĩdusi, –ãdusi, im Passivibusi. Ein zweiter Imperativ endigt auf iǰi im Sing. u. auf iǰō im Plur., z.B. māriǰi, māriǰō schlage, schlagt Im Potentialis Präsentis wird das thō des Indicatios weggelassen. Eigenthümlich ist, wie der Unterschied des Geschlechts sich durch die Conjugation durchzieht, so heißt ich schlage im Mascul. māryẵ thō, im Fem. māryẵ thī. Die Adverbien sind theils ursprüngliche, theils abgeleitet, wie warī wieder (von waraṇu umkehren), theils zusammengesetzt. Die S.-S. hat Präpositionen u. Conjunctionen zur Bezeichnung allartiger Verhältnisse u. Satzverbindungen. Diminutiva[124] werden durch die Endung ī od. gebildet; überhaupt ist die Sprache reich an Ableitungsarten. Der Anfang des Vaterunsers lautet: Ai asẵ ǰā bābā, ǰō ā smāna mē sẵhĩ, tũhiǰē nālō pāku rahē. O uns von Vater, welcher dem Himmel in bist, dein Name heilig sei. Grammatiken von Wathen, Bombay 1836; Stack, ebd. 1849; Wörterbücher von Demselben, ebd. 1849, 1855; von Eastwick, ebd. 1843. Über die S.-S. im Vergleich zum Prakrit handelt Trumpp, im 15. Bd. der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 124-125.
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