Spinnrad

[564] Spinnrad, 1) eine einfache Maschine, mit deren Hülfe Flachs, Hanf, Baumwolle etc. gesponnen wird. Das einfachste S. ist a) das Handrad; auf einem niedrigen Gestelle befindet sich ein leichtes Rad von 3 Fuß Durchmesser auf einer horizontalen Achse; über dasselbe ist eine Schnur ohne Ende gelegt, welche zugleich über die Rolle einer in zwei niedrigen Stützen liegendenhorizontalen eisernen Achse läuft u. diese in Umdrehung versetzt, wenn das Rad mittels einer auf der einen seiner 8 Speichen befindlichen Kurbel umgedreht wird; diese Achse trägt als Fortsatz eine hölzerne 7–8 Zoll lange, 1/2 Zoll dicke, schlank kegelförmig in eine runde Spitze auslaufende Spindel; am anderen, stärkeren Ende der Spindel sitzt eine hölzerne Scheibe von 2 (–3 Zoll Durchmesser, an welche sich das aufzuwickelnde Garn anlegt u. mittels deren der Garnwickel später von der Spindel herabgeschoben wird. Der Spinner dreht mit der Rechten das Rad, bildet mit der Linken den Faden, welcher an der Spindel befestigt u. so lange von derselben zusammengedreht wird als er einen stumpfen Winkel nach oben mit der Spindel macht; hat die Linke beim Ausziehen des Fadens ihre größte Entfernung erreicht, so bewegt sie sich so, daß der Faden rechtwinkelig zur Spindel zu liegen kommt, u. nun wird er auf den dickern Theil der Spindel aufgewickelt. So wechseln beständig Ausziehen u. Aufwickeln mit einander ab. Vgl. Baumwollenrad. Jüngeren Ursprungs ist b) das Trittrad(Tretrad), welches in verschiedenen Formen ausgeführt worden ist. Das Schnurrad (Trift) hat einen massiven Kranz von Holz od. Metall, nur 12–20 Zoll im Durchmesser, u. seine Achse ist an dem einen Ende zu einem Krummzapfen abgebogen. Von dem Krummzapfen hängt ein dünner gerader Stab herab (Knecht, Leiermann, Dreher), welcher unten beweglich mit einem Fußtrine vereinigt ist. Aber dem Schnurrade liegt auf zwei Säulchen (Docken) die Flügelspindel in einem Lager. Einfach u. dauerhaft bildet man die beiden Lager aus zwei durchbohrten Stücken Sohlenleder. Die eiserne 7–10 Zoll lange Spindel endet an dem einen Ende in ein kurzes, dickwandiges, im Innern sehr glattes, vorn offenes Rohr, in welches der gesponnene Faden durch die vordere Öffnung eintritt u. aus welchem[564] er da, wo das Rohr an den massiven Theil der Spindel grenzt, durch eine der beiden dort befindlichen, sich diametral gegenüber stehenden, schrägen Öffnungen wieder austritt, um zuerst nach dem Flügel u. van da nach der Spule zu laufen. Der Flügel od. die Gabel ist ein auf der Spindel befestigtes, gabelförmiges Holzstück, dessen beide Schenkel mit der Spindel parallel laufen u. mit einer Reihe von Drahthäkchen besetzt sind, damit man den Faden über eins derselben an einer beliebigen Stelle auf die Spule laufen lassen kann. Auf der Spindel steckt noch, u. zwar lose, die hölzerne Spule, ein dünner hohler Cylinder, mit vorstehenden Scheiben an seinen beiden Enden. Das Spinnmaterial wird in der Regel an einem vertikalstehenden Stab (Rocken, Wocken) am Gestell des S-s befestigt; dagegen wird oft auch beim Schafwollspinnen die Wollfliede mit der linken Hand gehalten. Beim Spinnen tritt die Spinnerin den Fußtritt u. bringt dadurch das Schnurrad, die Flügelspindel u. Spule in Bewegung; ein Stück alter Faden wird von der Spule über einen Haken an den Flügeln geleitet, durch eine Seitenöffnung u. die vordere Öffnung des kurzen Cylinders der Spindel gezogen u. mit dem mittels beider Hände neugebildeten Faden vereinigt. Der Faden erhält nun nur dann eine angemessene Drehung u. wird gleichzeitig auf die Spule aufgewunden, wenn Spindel u. Spule sich gleichzeitig u. zwar nach einerlei Richtung drehen, aber wenn sie dabei in einer bestimmten Zeit nicht gleichviel Umdrehungen machen. Jede Umdrehung der Spindel ertheilt auch dem Faden eine Umdrehung; die Aufwindung dagegen erfolgt nur mit dem Unterschiede in den Umdrehungszahlen; macht die Spindel 1000 Umdrehungen, die Spule in derselben Zeit 980 od. 1020 Umdrehungen u. ist der Spulenumfang 3 Z., so werden während der 1000 Umdrehungen im ersten Falle 1000–980, im andern Falle 1020–1000 Spulenumfänge vollgewickelt od. 20mal, d.i. 60 Zoll Faden auf die Spule aufgewunden; auf diese 60 Zoll Fadenlänge kommen dabei 1000 Umdrehungen od. auf 1 Zoll 162/3 Umdrehungen. Sind die Umdrehungszahlen zu sehr verschieden, so wird der Faden zu wenig gedreht u. das Rad nimmt zu viel ein; sind sie zu wenig verschieden, so nimmt das Rad zu wenig ein, u. der Faden wird zu sehr gedreht. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der Spindel u. der Spule muß sich nun aber nicht blos nach der Geschwindigkeit der Spindel, sondern auch nach dem Umfang der Spule richten, also um so mehr abnehmen, je mehr Garn auf die Spule aufgewunden ist. aa) Bei dem S. mit einfacher Schnur befindet sich auf der Spindel ein Wirtel (Würtel, Wirbel, Nuß), um welchen die Radschnur läuft u. so die Spindel in Umdrehung versetzt; die Spule ist auf irgend eine Weise, z.B. durch Einklemmen ihres Randes zwischen 2 Stahlfedern in ihrer Bewegung gehindert u. dreht sich nur um, wenn der gesponnene Faden mit einer gewissen Kraft angespannt wird, aber sie bleibt in ihrer Bewegung um so mehr hinter der Spindel zurück, je mehr Fadenlänge in einer gegebenen Zeit durch die Öffnung der Spindel einläuft. Umgekehrt kann man auch die Spule durch die Radschnur umdrehen u. die Spindel von dem gesponnenen Faden nachziehen lassen. bb) Bei dem S. mit doppelter Schnur, welches im nordwestlichen Deutschland allgemein üblich ist, gibt man der Spindel einen größeren Wirtel u. der Spule einen kleineren Wirtel (Rollenknopf) u. legt die treibende Schnur in zwei Umwickelungen um das Schnurrad, wovon die eine um den Wirtel der Spule, die andere um den Wirtel der Spindel geleitet ist, u. da erster kleiner ist, als letzter, so muß, sich die Spule schneller herumdrehen, als die Spindel. Außerdem wird die Spule durch den gesponnenen Faden selbst etwas zurückgehalten, u. die Schnur schleift dabei um so mehr auf der Spule, je schwächer die Schnur angespannt ist; dadurch wird der Unterschied in den Umdrehungszahlen geringer u. der Faden bekommt einen stärkeren Draht. Eine stärkere Anspannung der um die Spule laufenden Schnur ist nur bei grobem Garn u. bei schnellem Spinnen zulässig. – Beim Spinnen legt man den Faden abwechselnd über verschiedene Häkchen des Flügels, um die Spule gleichmäßig zu füllen. Die Leistungsfähigkeit des Trittrades kann vergrößert werden, wenn man dasselbe mit 2 Spindeln u. 2 Spulen versieht (weshalb es dann zweispuliges S. od. Doppelspinnrad genannt wird) u. mit jeder Hand einen Faden spinnt; doch eignen sich solche Räder nicht zum Spinnen seiner Garne. Alle Theile des S-s sind entweder in einem mehr hohen, als breiten vierseitigen Gestelle angebracht u. diese Räder heißen Galgenräder; od. sie sind an einem länglichen, etwas schrägen u. mit Füßen versehenen Brete angebracht, diese Art Räder heißen Bockräder u. sind vorzüglich bei der Wollspinnerei gewöhnlich, daher sie auch Wollräder heißen. Diesen ähnlich sind die Kluträder. Am S. ist noch das Netznäpfchen, ein blechernes Näpfchen mit Wasser, bei Flachs- u. Hanfspinnen darin die Finger u. mit diesen den zu spinnenden Faden anzufeuchten, wodurch derselbe glätter u. fester wird. Außerdem hängt am S. noch das Schmierglas, ein mit Baumöl gefülltes Glas, um das Rad, so oft es nöthig ist, mit Baumöl schmieren zu können. Auf dem S. spinnt man in einer gegebenen Zeit mehr, als mittels der Spindel, auch kann man auf ihm stärker gedrehtes, aber nicht sehr seines Garn spinnen, weil der seine Faden zu leicht abreißt. 1530 soll ein gewisser Jürgens zu Watemmüttel, einem Dorfe bei Braunschweig, das erste Tretrad verfertigt haben. Ein Künstler in Dresden erfand ein S. von so geringer Größe, daß es eine Dame im Arbeitsbeutel mit sich tragen kann; es wird beim Gebrauche an einen Tisch geschraubt. Das beste S. für seine Garne ist das von Lebec in Nantes zum Spinnen der feinsten Battistgarne erfundene S. 2) Verschiedene andere Maschinen, welche bei, Spinnen (s.d.) in andern Bedeutungen gebraucht werden, bes. auch das S., welches der Seiler (s.d.) beim Spinnen der Seilerwaaren braucht. Vgl. Spinnmaschine.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 564-565.
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