[160] Unfruchtbarkeit (Sterilitas), bei organischen Geschöpfen die Unfähigkeit sich auf gewöhnliche Weise durch die Zeugung fortzupflanzen; im Pflanzenreiche bei Bäumen, weil eine ungünstige Lage, in welcher die Bäume dem Frost u. rauhen Winden ausgesetzt sind, die Befruchtung hindert, od. bei magerem Boden, weil dieser sie nicht hinreichend nährt. Häufig belebt ein zu fetter Boden den Trieb dermaßen, daß alle Tragknospen in Holz übergehen u. sich keine Blüthen bilden, od. weil sich die Geschlechtstheile derselben in Blätter verwandeln u. so gefüllte Blumen entstehen. Eben so veranlaßt auch ein ungeschicktes Veredeln u. Beschneiden der Fruchtbäume, Schmarotzerpflanzen, z.B. Flechten u. Moose, welche den Bäumen u. Wurzelausläufern ihre besten Kräfte entziehen, die U. Man wendet hiergegen Düngen u. Versetzen, Krümmen, Einhauen, Winden, Drehen u. Brechen der Äste, den Ringelschnitt od. Kaiserring an. Im Thierreiche wird die U. bes. bei Hausthieren gefunden In der Regel sind alle Bastarde unfruchtbar, doch finden auch hier Ausnahmen statt, am häufigsten beim Geflügel, am wenigsten bei Säugethieren; so werden höchst selten Maulthiere trächtig. Die U. aber sucht man theils dadurch zu heben, daß man den Geschlechtstrieb bei männlichen Thieren durch kräftige Nahrung in steter Regsamkeit erhält, bei weiblichen aber zur rechten Zeit befriedigen läßt, auch wohl, wenn derselbe zu schwach ist, durch künstliche Mittel weckt u. reizt, wozu bes. beim Rindvieh eine Gabe gepülverte Hirschbrunst (Tuber cervinum) dient. Beim Menschen der Zustand des dem Alter nach zeugungsfähig sein sollenden weiblichen Körpers, wo unter den äußeren, im Normalverhältniß die Empfängniß zur Folge habenden Bedingungen dieselbe dessenungeachtet nicht erfolgt. Im weiteren Sinne kann jedoch auch U. genannt werden, wo durch Mißverhältniß beiderseitiger Genitalien, durch Abneigung zweier Gatten od. durch männliche Impotenz die Empfängniß verhindert wird, dann wird aber wohl die Ehe, nicht aber das Weib unfruchtbar, u. es fehlt nicht an Fällen, wo ein Gattenpaar mehre Jahre lang keine Kinder zeugte, während sie später getrennt u. beide wieder verheirathet, beide sogleich Kinder erzeugten. Die weibliche U. ist aber eigentlich nicht an u. für sich als Krankheit zu betrachten, sondern kann vielmehr nur die Folge allgemeiner od. örtlicher Krankheitszustände sein. Es gehören hierher: sehr phlegmatische od. mehr männliche Constitution, oft durch mangelnde Menstruation u. sehr schwachen od. gänzlich fehlenden Geschlechtstrieb charakterisirt; Bildungsfehler der Geschlechtstheile, als Mangel der Eierstöcke, der Gebärmutter, bedeutende Verwachsungen der Vagina od. des Muttermundes, allgemeine beträchtliche Verengerung des Scheidenkanals, sehr großes u. festes Hymen, ja selbst ein sehr verengtes Becken; später entstandene Verbildungen der Genitalien, welche den Beischlaf überhaupt od. wenigstens die normale Aufnahme u. Zurückbehaltung des männlichen Samens hindern, als: starke Einrisse des Mittelfleisches bis in den After, beträchtlicher Scheidenvorfall, Schieflagen, Umstülpungen u. Vorfall der Gebärmutter, bedeutende Zerreißungen, Verhärtungen, Geschwüre des Muttermundes, bes. aber Entartungen u. Krankheiten der Eierstöcke (Wassersucht, Entzündung derselben), Verwachsungen der Muttertrompeten od. wohl gar Zerstörungen od. Exstirpationen einzelner Theile der inneren Genitalien, ferner fremde Körper in den Geschlechtstheilen, als übelgelegte Mutterkränze, Polypen von beträchtlichem Umfange in der Scheide od. in der Gebärmutter, Reste des Mutterkuchens, Schleimpfröpfe; hohe Atonie der Geburtstheile, welche entweder als torpide Schwäche mit gänzlich gesunkener Sensibilität od. als Schwäche mit krampfhaft gesteigerter Sensibilität erscheinen kann; allgemeine Krankheiten, wie Fieber, Wassersuchten, hoher Grad von Bleichsucht, bedeutendes Fettwerden; häufiger Beischlaf. Die Prognose über Heilbarkeit der U., welche in gerichtlicher Hinsicht oft, z.B. um das Urtheil in Ehescheidungssachen zu bestimmen, wichtig ist, richtet sich nach den zu Grunde liegenden Ursachen. Sie ist ungünstig bei beträchtlichen, keine Abhülfe durch Operation gestattenden Mißbildungen, od. später stattgehabten Zerstörungen innerer Geschlechtstheile, z.B. der Eierstöcke; günstiger bei Verbildungen, welche ärztliche Hülfe zulassen, z.B. Scheidenpolypen, kleinere Vorfälle[160] u. Schieflagen der Gebärmutter u. andere dynamische Ursachen, z.B. Atonie der Geschlechtstheile. Die Behandlung der U. richtet sich nach den ihr zu Grunde liegenden krankhaften Zuständen.