Französische Eisenbahnen

[167] Französische Eisenbahnen. (Vgl. Karte.)


I. Geschichte und Eisenbahnpolitik. – II. Geographische Gliederung der Hauptnetze. – III. Technischer Charakter. – IV. Gesetzgebung, Verwaltung und Staatsaufsicht. – V. Statistik. – VI. Finanzielle Vorteile des Staates aus dem Eisenbahnbetrieb. – VII. Literatur.


I. Geschichte und Eisenbahnpolitik.


1. 1823–1832. Die älteste Eisenbahn Frankreichs ist die 23 km lange Bahn von St. Étienne nach Andrézieux, deren Zweck die Ausbeutung der reichen Kohlenlager dieser Gegenden war; sie wurde mit königl. Ordonnanz vom 26. Februar 1823 konzessioniert und am 1. Oktober 1828 eröffnet. Der Betrieb erfolgte zunächst mit Pferden. Von 1823–1832 wurden noch mehrere andere Bahnen konzessioniert, die ausschließlich für den Gütertransport eingerichtet und fast alle bestimmt waren, die industriellen Knotenpunkte mit den Wasserstraßen zu verbinden. (1826 St. Étienne-Lyon, 1828 Andrézieux-Roanne, 1830 Épinac zum Kanal von Bourgogne, 1831 von Toulouse nach Montauban.) Es waren dies wesentlich Werkbahnen, die teils mit Pferden, teils mit stehenden Maschinen betrieben wurden. Die Grundsätze der Konzessionen dieses Zeitabschnittes, an dessen Schluß nur 59 km eröffnet waren, sind im allgemeinen folgende:

a) Unbegrenzte Konzessionsdauer ohne Rückkaufs- oder Heimfallsrecht des Staats;

b) Verleihung der Konzessionen durch königl. Ordonnanzen ohne Mitwirkung der Gesetzgebung;

c) Herstellung auf Kosten der Konzessionäre ohne Unterstützung des Staats;

d) Höchste Einfachheit der Tarife; für Güter aller Gattungen nur ein Tarifsatz;

e) Aufbringung des Gesellschaftskapitals durch Aktien, mit Ausschluß jeder Ausgabe von Obligationen.

Die Bestimmungen in betreff der Kontrolle und des Einflusses des Staats auf Bau und Betrieb waren dürftig und unzulänglich.

2. 1833–1841. Diese Zeit zeichnet sich durch einen Umschwung in der Würdigung der Bedeutung der Bahnen in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung sowie durch Anstellung gründlicher Studien über das neue Verkehrsmittel[167] aus; den Übergang zu dieser Periode kennzeichnet eine bemerkenswerte Tatsache vom Jahr 1832. Die Konzessionärin der Linie St. Étienne-Lyon führte im Juli 1832 die Personenbeförderung, die im Bedingnisheft nicht vorgesehen war, neben der Güterbeförderung ein und ersetzte den Pferdebetrieb durch den Lokomotivbetrieb. Nunmehr erkannte man, daß die Bedeutung der Eisenbahnen ein Einschreiten der Gesetzgebung erforderlich mache. Seither trat die gesetzgebende Gewalt an Stelle der Regierung bei Anerkennung der öffentlichen Nützlichkeit und der Konzessionserteilung für alle Linien von einiger Bedeutung. Zuerst wurde die Regierung durch Gesetz vom 26. April 1833 ermächtigt, im Wege der Submission zur Konzessionierung der Bahn von Montbrison nach Montrond (16 km) zu schreiten. Mit Gesetz vom 29. Juni 1833 wurde ferner der Zuschlag für die Konzession einer Bahn von Alais nach Beaucaire (72 km) genehmigt. Beide Gesetze standen noch auf dem Standpunkt der unbegrenzten Konzessionsdauer.

Unter dem 7. Juli 1833 kam ein Gesetz, »sur l'expropriation pour cause d'utilité publique«, zu stände, demzufolge keine Eisenbahn, möge sie vom Staat oder von Gesellschaften unternommen werden, ohne Gesetz ausgeführt werden darf, das erst nach einer administrativen Enquete erlassen werden kann. Eine kgl. Ordonnanz sollte nur dann ausreichen, wenn es sich um Zweiglinien von weniger als 20 km handelt.

Mit Gesetz vom 27. Juni 1833 wurde die Regierung ermächtigt, einen Betrag von 500.000 Fr. zum Studium neuer Eisenbahnen zu verwenden. Thiers, der damalige Minister des Handels und der öffentlichen Arbeiten, hob in den Motiven hervor, daß er zwar nicht den Staatseisenbahnbau vorschlagen könne, daß er aber Vorschläge zur Behebung der Schwierigkeiten machen wolle, die sich in Frankreich dem Eisenbahnbau entgegenstellten und insbesondere die großen Kosten der vorläufigen Pläne, die Kosten für deren Prüfung und die Dauer der vorläufigen Enqueten betrafen. Thiers sprach die Hoffnung aus, daß sich gewiß Unternehmer zur Ausführung finden würden, wenn der Staat durch seine Ingenieurkorps die vorläufigen Entwürfe ausarbeiten, die Kostenanschläge aufstellen und die Enqueten durchführen werde. Das Gesetz wurde angenommen, nachdem man in der Kammer noch besonders auf die militärische Bedeutung der Bahnen hingewiesen hatte.

1835 wurde die Bahn von Paris nach St. Germain (19 km) durch Gesetz vom 9. Juli konzessioniert; diese Konzession war die erste, bei der mit der unbegrenzten Konzessionsdauer (die Konzession lautete auf 99 Jahre) gebrochen wurde; das Bedingnisheft regelt sehr eingehend (in 48 Artikeln) die Verpflichtungen der Konzessionäre. Die Bestimmungen sind vielfach in spätere Konzessionen übergegangen.

Im selben Jahre wurden die Bahn von Alais nach Grand' Combe (17 km) und drei andere Linien von geringerer Bedeutung konzessioniert und ohne Staatsunterstützung hergestellt.

1837 erfolgte die Konzession für die Linien Montpellier-Cette (27 km), Paris-Versailles rechtes und linkes Ufer (35 km), Mülhausen-Thann, Bordeaux-La Teste und Épinac zum Kanal du Centre. Ein Teil der Linien wurde aus freier Hand, ein anderer im Weg der Versteigerung (Adjudikation) konzessioniert, wobei der Nachlaß vielfach in der Annahme einer kürzeren Konzessionsdauer bestand.

Im selben Jahre wurde den Konzessionären der Bahnen Alais-Beaucaire und Alais-Grand' Combe ein Darlehen von 6 Mill. Fr. gewährt, das mit 3% zu verzinsen war. Hierfür waren dem Staat für öffentliche Zwecke die Kohlen zu einem billigen Preis zu überlassen.

Im Jahre 1838 wurden die Linien Basel-Straßburg, ferner Paris-Rouen, Havre und Dieppe, endlich Paris-Orléans konzessioniert.

Im Jahr 1839 trat die erste Eisenbahnkrise ein. Die Aktionäre verweigerten die Einzahlung der gezeichneten Summen, weil sie einerseits vor den den Bahnen durch die Konzessionen auferlegten Verpflichtungen zurückschreckten, anderseits die politische Lage als gefahrdrohend für den Geldmarkt hielten. Die Gesellschaften, denen die Linien Lille-Dünkirchen und Paris-Rouen, Havre-Dieppe konzessioniert waren, gaben die Konzession zurück und die eben gebildete Paris-Orléansbahn suchte bei der Regierung um die Beschränkung ihrer Konzession auf einzelne kleinere Strecken nach. Infolgedessen sah sich die Regierung genötigt, mit Gesetz vom 9. August 1839 allgemeine Erleichterungen zu gewähren, nachdem vorher schon der Paris-Versailles-Bahn (rive gauche) ein Vorschuß bewilligt worden war.

1840 wurde die Konzession für die Strecke Paris-Rouen unter Gewährung eines Staatsvorschusses neu verliehen.

1840 und 1841 sah sich der Staat gezwungen, mehreren Bahnen (Paris-Rouen [7 Mill. Fr.], Straßburg-Basel [12 Mill. Fr.], Andrézieux-Roanne [4 Mill. Fr.]) finanzielle Hilfe zu leisten, u.zw. meist in Form von Darlehen; die Orléans-Bahn erhielt statt der[168] von der Regierung vorgeschlagenen Aktienübernahme eine 4%ige Zinsengarantie des Anlagekapitals von 40 Mill. Fr. Die staatliche Ausführung der Linien Montpellier-Nimes und Lille-Valenciennes wurde durch Gesetz vom 15. Juli 1840 beschlossen und der Betrieb der ersteren Linie 1844 einer Gesellschaft auf 12 Jahre verpachtet.

Bis Ende 1840 waren 497 km, bis Ende 1841 638 km eröffnet; konzessioniert waren 880 km an 14 Gesellschaften.

3. 1842–1847. Als das Privatkapital durch verschiedene Mißerfolge mißtrauisch geworden war, suchte man die Entwicklung des Eisenbahnnetzes durch das Gesetz vom 11. Juni 1842 sicherzustellen, wonach der Staat sich an dem Baue der noch rückständigen Eisenbahnunternehmungen durch Übernahme der Kosten der Grundeinlösung sowie des Unter- und Hochbaus beteiligen sollte. Der Betrieb sollte von Pachtgesellschaften geführt werden, die den Oberbau zu übernehmen, die Bahnerhaltung zu besorgen und die Betriebsmaterialien zu beschaffen hatten. Nach Ablauf der Pachtverträge sollte der Wert des Oberbaues und des Betriebsmateriales durch Schätzung festgestellt und der vom Vertrag zurücktretenden Gesellschaft entweder durch die nachfolgende oder durch den Staat ersetzt werden.

Zur Inangriffnahme des Baues wurde der Regierung ein Kredit von 125 Mill. Fr. bewilligt. Das zunächst zu bauende Netz setzte sich aus folgenden Linien zusammen: von Paris bis zur belgischen Grenze über Lille und Valenciennes, zum Kanal La Manche, zur deutschen Grenze über Nancy und Straßburg, zum Mittelländischen Meer über Lyon, Marseille, Cette, zur spanischen Grenze über Tours, Poitiers, Angoulême, Bordeaux, Bayonne, zum Atlantischen Ozean über Tours und Nantes, in das mittlere Frankreich über Bourges, dann vom Mittelländischen Meer zum Rhein über Lyon, Dijon und Mülhausen, vom Atlantischen Ozean zum Mittelländischen Meer über Bordeaux, Toulouse und Marseille.

Man schätzte die aus der Durchführung dieses Gesetzes für den Staat sich ergebende Belastung auf 150.000 Fr. f.d. km und für das ganze Netz von 2500 km auf etwa 400 Mill Fr.

Die von den Gesellschaften zu bestreitende Auslage bewertete man mit 125.000 Fr. f.d. km. Die Bauzeit nahm man mit 10 Jahren an.

Die Bestimmung des Gesetzes vom 11. Juni 1842 wegen Beisteuerung der Departements und Gemeinden zu den Kosten der Grundeinlösung wurde durch ein Gesetz vom 19. Juli 1845 aufgehoben.

In den Jahren 1843–1847 wurden die Linien Orléans-Tours-Bordeaux, Orléans-Bourges, Paris-Straßburg, Tours-Nantes, Rennes-Paris nach den Bedingungen des Gesetzes vom Jahr 1842 in Angriff genommen. Da, wo die Gesellschaften günstige Bedingungen stellten, wurden gleichzeitig auch weitere Konzessionen erteilt, so für die Linien Avignon-Marseille (1843), Amiens-Boulogne, Montereau-Troyes, Paris-belgische Grenze, Creil-St. Quentin, Paris-Lyon, Lyon-Avignon, Rouen-Dieppe und Bordeaux-Cette (1846).

Einigen Linien, wie Rouen-Havre und Avignon-Marseille wurden Staatszuschüsse zugesichert; für die Nordbahn (Paris-Lille) wurden dagegen die bereits gemachten Bauauslagen dem Staat rückvergütet, bei anderen Linien wurde im Wege der Versteigerung eine Herabsetzung der Konzessionsdauer auf 72 bis 27 Jahre erreicht.

1842 wurden 27 km, 1843 229 km, 1844 10 km, 1845 52 km, 1846 455 km, 1847 510 km Bahnen eröffnet. Die Betriebslänge betrug einschließlich der Werkbahnen 1842 665 km, 1847 1921 km, die Konzessionslänge 1842 974 km, 1847 4133 km.

4. Krise von 1847/48 und ihre Folgen. Eine finanzielle Krise, die 1847 ausbrach und durch die Revolution vom Jahr 1848 noch verschärft wurde, erschütterte den Eisenbahnkredit auf das tiefste. Zahlreiche Eisenbahnbauten mußten eingestellt werden. Der Staat war genötigt, die Linien Paris-Orléans, Bordeaux-La Teste, Marseille-Avignon und Paris-Sceaux zeitweise unter Sequester zu stellen. Die Konzession für die Bahn Paris-Lyon wurde eingezogen und auf den fertigen Strecken ein vorläufiger Staatsbetrieb eingeleitet. Ein der Nationalversammlung von der Commission du pouvoir exécutif gestellter Antrag auf Rückkauf sämtlicher Eisenbahnen durch den Staat wurde abgelehnt.

Das Gesetz vom 19. November 1849 gewährte der Gesellschaft Marseille-Avignon eine Zinsgarantie, das vom 6. August 1850 verlängerte für die Bahnen Orléans-Bordeaux und Tours-Nantes die Dauer der Konzession auf 50 Jahre.

In den Jahren 1848–1850 kam keine neue Konzession zu stände; 1851 wurde die Konzession für die Linie Paris-Rennes (Westbahn), die bis Chartres schon eröffnet war, nach dem Gesetz vom Jahr 1842 verliehen.

Der Zuwachs an eröffneten Bahnen betrug 1848 372 km, 1849 639 km und 1850 151 km.

1851 waren 3918 km (nebst 77 km Werkbahnen) konzessioniert. Im Betriebe waren 3627 km, davon 383 km im Betrieb des Staats.[169]

5. Ausbau des Netzes. Bildung der großen Gesellschaften. 1852–1858.

Nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 entzog die kaiserliche Regierung das Konzessionswesen, sofern damit nicht eine Belastung des Staatsschatzes verknüpft war; der Einwirkung der gesetzgebenden Körper und förderte die Entwicklung des Eisenbahnwesens in weitgehender Weise.

1852 wurden die Paris-Lyon-Eisenbahn und die Südbahn gegründet, 1853 die Gesellschaft Grand-Central (Clermont-Montauban, Limoges-Agen, Lyon-Bordeaux), deren Netz 1857 durch Zession an die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und an die Orléansbahn überging.

Als Mittel zur Förderung des Bahnbaues dienten der neuen Regierung unter Napoleon III. insbesondere die großartigen Fusionen und die Erstreckung der Konzessionsdauer auf meist 99 Jahre. Hierdurch gelang es, den Kredit der Gesellschaften zu heben und ihnen ohne Zinsgarantie und ohne Staatsbeiträge eine große Anzahl neuer Linien aufzubürden. Aus den Fusionen, die sich 1852 bis 1857 vollzogen, gingen die Nordbahn, Orléansbahn (1852), Paris-Lyonbahn, Ostbahn und Südbahn (1853) hervor. 1855 konstituierte sich die Westbahn und 1857 vereinigte sich die Paris-Lyonbahn mit der Lyon-Mittelmeerbahn.

Während im Jahr 1846 33 Gesellschaften bestanden, waren 1855 nur noch 24, 1857 11 und 1859, abgesehen von 8 Bahnen untergeordneter Bedeutung, 6 Gesellschaften (die sogenannten 6 großen Gesellschaften) vorhanden, u.zw. 1. die Nordbahn, 2. Paris-Orléansbahn, 3. Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, 4. Ostbahn, 5. Westbahn, 6. Südbahn. Die 5 ersteren hatten ihren Ausgangspunkt in Paris. Jede beherrschte ein völlig abgeschlossenes Gebiet.

Es wurden 1852 316 km, 1853 190 km, 1854 589 km, 1855 889 km, 1856 669 km, 1857 1263 km und 1858 1224 km Bahnen eröffnet. Die Betriebslänge betrug Ende 1858 8767 km. Die Länge der konzessionierten Linien stieg 1851 bis 1858 von 3995 auf 16.174 km. Die Gesellschaften hatten 3∙2 Milliarden Fr., der Staat 775 Millionen Fr. verausgabt; zur Vollendung der konzessionierten Linien waren noch 1∙9 Milliarden Fr. erforderlich.

6. Verträge vom Jahr 1859.

Infolge der Handelskrise von 1857/1858 war die Ausgabe neuer Obligationen zur Vollendung der Bahnbauten nicht möglich, und wurde eine weitere Unterstützung durch die Regierung erforderlich. Über die Art dieser Unterstützung wurde eine Untersuchung angestellt, deren Ergebnis die 1859er Verträge waren. Die Form der diesmal geleisteten Staatsunterstützung war die der staatlichen Zinsgarantie.

Die in den Verträgen vom Juli 1858 und Juni 1859 (Gesetz vom 11. Juni 1859) festgestellten Grundsätze (System Franqueville) waren folgende: die Bahnen jeder Gesellschaft wurden für die Zinsgarantie in 2 Teile geschieden, in das alte Netz (ancien réseau) und in das neue Netz (nouveau réseau). Das alte Netz umfaßte im allgemeinen die vor dem Jahre 1857 konzessionierten Linien, bei der Westbahn die vor 1855 und bei der Ostbahn die vor 1853 konzessionierten Linien.

Nur das neue Netz genoß im Fall der Unzulänglichkeit des Reinertrags eine Zinsgarantie für die auszugebenden Obligationen von 4% auf 50 Jahre oder 4∙655%, wenn man die auf Grund eines Zinsfußes von 4% berechnete Tilgungsquote für denselben Zeitraum hinzurechnet. Das Kapital, auf das sich die Zinsgarantie bezog, wurde auf einen Höchstbetrag begrenzt. Wenn das Reinerträgnis des neuen Netzes die garantierten Zinsen überschritt, dann waren die in Form der Zinsgarantie flüssig zu machenden Beträge samt 4%igen Zinsen dem Staat zurückzuerstatten. Die Zinsgarantie für das neue Netz begann für die Ostbahn am 1. Januar 1864, für die übrigen Hauptbahnen am 1. Januar 1865.

Für das alte Netz wurde ein gewisses Normaleinkommen (revenu réservé) vorbehalten. Es bestand: 1. aus einer Dividende für das Aktienkapital der großen Bahnen; 2. aus der für die Verzinsung und Tilgung der Prioritäten des alten Netzes erforderlichen Summe; 3. aus einer Summe von 1∙1% des Anlagekapitals des neuen Netzes. Der Teil des Reinertrags des alten Netzes, der das revenu réservé überschreitet, wird auf das neue Netz als Ergänzung seines Erträgnisses übertragen (déversé) und zur Deckung der vom Staat garantierten Zinsen bis zur festgesetzten Grenze verwendet; erst soweit er nicht zur Verzinsung des Anlagekapitals des neuen Netzes ausreicht, tritt die staatliche Zinsgarantie ein. Die Garantiezuschüsse des Staats sind längstens in 50 Jahren mit 4% zurückzuzahlen.

Als Entschädigung für die den Gesellschaften zugestandenen Vorteile sollten die Gesellschaften vom Jahr 1872 den Teil ihres Erträgnisses mit dem Staat teilen, der ein bestimmtes Maß überschreitet. Letzteres entsprach im allgemeinen 6% der Anlagekosten des neuen Netzes und 8% der des alten Netzes.[170]

Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über den Stand der Gesellschaften nach den Verträgen vom Jahr 1859.


Französische Eisenbahnen

Man berechnete, daß der Höchstbetrag der vom Staat garantierten Zinsen sich jährlich auf 145,800.000 Fr. belaufen würde, hoffte jedoch, daß die tatsächliche jährliche Belastung 15 Mill. Fr. nicht übersteigen würde. In der Tat waren aber die Zuschüsse durchschnittlich viel höher (nur die Nordbahn und die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn nahmen die staatliche Unterstützung sehr kurze Zeit in Anspruch und zahlten sodann die Vorschüsse samt Zinsen zurück).

In den Verträgen von 1859 wurden neue Bedingnishefte aufgestellt, in denen u.a. das Heimfallsrecht des Staats neu geregelt wurde. Dem Staat fällt bei dessen Eintritt das Eigentum an der Bahn nebst allem Zubehör ohne Entgelt zu. Nur für die Betriebsmaterialien, Vorräte u.s.w. sind Vergütungen zu zahlen, gegen die die noch nicht erstatteten Zinsgarantiezuschüsse aufgerechnet werden.

In Art. 37 der Bedingnishefte wird dem Staat das Ankaufsrecht frühestens 15 Jahre nach Erteilung der Konzession vorbehalten.

Durch das Gesetz vom 11. Juni 1859 war der Kredit der Bahnen außerordentlich gehoben, und es gelang ihnen ohne Schwierigkeiten, die nötigen Kapitalien aufzubringen. Bald zeigte es sich jedoch, daß die erteilten Konzessionen nicht ausreichten und die Regierung mußte darauf bedacht sein, den Bau weiterer Linien sicherzustellen.

Durch Gesetz vom 1. August 1860 wurde die Regierung ermächtigt, für mehrere Linien Subventionen oder Garantien zu bewilligen und den Bau nötigenfalls selbst in Angriff zu nehmen.

1860 kam infolge Abtretung von Savoyen das Netz der Victor Emanuel-Bahnen zu Frankreich.

Durch Gesetz vom 2. Juli 1861 wurden 25 Linien mit 1325 km klassifiziert, meist Transversallinien, die »die großen Industrieorte mit den bedeutenden Seehäfen« verbinden und vorbehaltlich späterer Konzessionierung innerhalb der Grenzen des Gesetzes vom Jahr 1842 aus Staatsmitteln hergestellt werden sollten.

1862–1863 bildeten sich die Gesellschaften (sog. Compagnies secondaires) der Charentes-, der Vendéebahnen Lille-Bethune, Médoc, Perpignan-Prades u.a.

Eröffnet wurden 1859 393 km, 1860 365 km, 1861 683 km, 1862 1019 km, 1863 964 km. Die Betriebslänge betrug Ende 1863 12.191 km, die konzessionierte Länge 20.881 km.

7. Verträge von 1863, 1868 (1869), 1873 und 1875.

Das der Zinsgarantie zu grunde gelegte Kapital erwies sich als nicht ausreichend. Die Gesellschaften verlangten deshalb eine Abänderung der Verträge vom Jahre 1859.

Im Jahre 1863 wurden mit den großen Gesellschaften – die Nordbahn ausgenommen – neue Verträge geschlossen. In diesen wurde das Höchstanlagekapital den tatsächlichen Baukosten entsprechend erhöht, ebenso wurden die Bestimmungen über die Höhe der vorbehaltenen Einnahmen des alten Netzes sowie über die Teilung des Gewinns abgeändert. Dagegen übernahmen die Gesellschaften die Konzession für fast sämtliche Linien, deren Ausführung nach dem Gesetz vom 2. Juli 1861 durch den Staat in Aussicht genommen war sowie von 1876 km weiteren Linien. Zugleich erfolgte eine neue Verteilung der Linien unter das alte und neue Netz.

1864/1865 trat wieder eine Stockung im Eisenbahnbau ein; da die Gesellschaften nicht geneigt waren, ihre Erträge durch weitere Eisenbahnanlagen zu schmälern, so blieb der Regierung nichts übrig, als wieder neue kleine Gesellschaften zu konzessionieren.[171]

So wurden 1864 die Gesellschaften Orléans-Chalôns sur Marne, Lille-Valenciennes, Enghien-Montmorency und Arras-Etaples gegründet.

Am 12. Juli 1865 wurde das Lokalbahngesetz erlassen (seither durch Ges. vom Jahre 1880 und 1913 mehrfach abgeändert; s.d.).


Dieses bestimmte, daß ein Teil der Einkünfte der Departements, insbesondere der bisher dem Bau von Vizinalwegen gewidmeten, nach Maßgabe ihrer finanziellen Lage dem Eisenbahnbau zugewendet werden dürfe, sowie daß die Initiative zu solchen Lokalbahnen und die Feststellung der Bau- und Betriebsbedingungen in erster Linie den Generalräten zustehe, ferner daß die auf diesem Weg zu stände gekommenen Lokalbahnen den betreffenden Departements gehören oder nach Ablauf der Konzession an sie heimfallen. Für solche Bahnen werden auch Staatsbeiträge in Aussicht gestellt.

Die Erklärung des öffentlichen Nutzens, womit das Enteignungsrecht verbunden ist, bleibt dem Staatsrat vorbehalten. Eine Bestimmung des Begriffs der »Lokalbahnen« hat das Gesetz nicht versucht; was aber mit dem Ausdruck gemeint war, geht aus einem der Vorberichte deutlich hervor: »Zweigbahnen bis 30, höchstens 40 km lang, ausschließlich zur Verbindung von kleineren Ortschaften mit den Hauptbahnen, ohne Überschreitung größerer Wasserscheiden oder größerer Flüsse, mit geringem Verkehr.« Auf Grund obigen Gesetzes wurden bis Ende 1869 in 23 Departements die Konzessionen für 1563 km Lokalbahnen verliehen. Nachdem aber ein Gesetz vom 10. August 1871 die Befugnisse der Generalräte erweitert hatte, und letztere, oft schlecht beraten, mehr und mehr in die Hände von Spekulanten verfallen waren, denen es unter dem Deckmantel des Lokalbahngesetzes eigentlich nur um die Gründung ertragsreicher Parabelbahnen zu tun war, die sie nötigenfalls ohne Geldbeitrag und ohne Zinsgarantie herzustellen sich bereit erklärten, so wurden in den nächstfolgenden zwei Jahren von den Generalräten Lokalbahnkonzessionen für nicht weniger als 8000 km erteilt, deren Anerkennung das Ministerium großenteils versagte. Die entstandenen Kompetenzstreitigkeiten kamen schließlich vor die Nationalversammlung, die im Laufe des Jahres 1875 durch eine Reihe von Gesetzen den größten Teil der strittigen Konzessionen an die alten großen Gesellschaften übertrug.


In das Jahr 1865 fällt die Konzession für die Ceinture de Paris (rive gauche) an die Westbahn.

1867 erfolgte die Abtretung des Netzes Victor Emanuel an die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn.

1869 bildete sich eine neue Lokalbahngesellschaft, die Nord-Est, die 298 km Hauptlinien d'intérêt général unter Subvention des Staats und der beteiligten Departements vereinigte.

Durch die 1868/69 abgeschlossenen Verträge wurden die vom Jahr 1859 wieder abgeändert. Das garantierte Höchstkapital wurde ebenso wie das vorbehaltene Einkommen des alten Netzes abgeändert und eine andere Verteilung zwischen altem und neuem Netz vorgenommen. Die Gesellschaften wurden ermächtigt, in das Anlagekapital zur Berechnung des revenu réservé zehn Jahre lang die Kosten der Vervollständigungsarbeiten einzubeziehen. Den Gesellschaften wurden 1953 km neue, durch Gesetz vom 18. Juli 1868 klassifizierte Linien unter Gewährung von Subventionen, entsprechend den Kosten des Unterbaues, gewährt; mehrere Gesellschaften machten dem Staat Vorschüsse zur Bestreitung der ihn treffenden Baukosten.

1864 wurden 1020 km, 1865 521 km, 1866 964 km, 1867 1198 km, 1868 613 km, 1869 797 km dem Betrieb übergeben.

Ende 1870 waren 25.510 km Haupt-, Lokal- und Industriebahnen konzessioniert, eröffnet waren 17.440 km Hauptbahnen, 196 km Industriebahnen und 293 km Lokalbahnen.

8. Die Folgen des Krieges 1870; weitere Entwicklung bis 1875. Der Krieg 1870/1871 wirkte auf die Verhältnisse aller Eisenbahnen und vor allem auf die der Ostbahn mächtig ein. Der Verkehr, der durch die militärischen Operationen unterbrochen war, nahm nach dem Friedensschluß einen so gewaltigen Umfang an, daß die Bahnen außer stände waren, ihn zu bewältigen, da ein Teil des Fahrmaterials und des Personals fehlte.

Die Ostbahn mußte 841 km Bahnen in Elsaß-Lothringen an das Deutsche Reich abtreten, ebenso die Rechte und Verpflichtungen auf den Betrieb der Wilhelm-Luxemburger Bahnen. Sie erhielt dagegen noch (G. vom 17. Juni 1873) die Konzession für 308 km neue Linien, die dem nouveau réseau zugeschlagen wurden.

Aus dem Jahr 1874 ist das Gesetz vom 23. März zu erwähnen, nach dem Berichterstatter »Loi Montgolfier« genannt. Durch dieses wurden die der Orléans-, Lyon-, Südbahn und Charentes erteilten vorläufigen Konzessionen in endgültige umgewandelt und die Bahn von Besançon nach Morteau im Wege des Zuschlags vergeben. Das Gesetz verallgemeinert außerdem eine Vorschrift in dem Vertrag mit der Ostbahn vom Jahr 1873, wonach den Gesellschaften im Fall des Rückkaufs vom Staat die Rückerstattung der Kosten der ersten Anlage für die seit weniger als 15 Jahren konzessionierten Linien gewährt werden sollte.

Die im Jahr 1875 mit den Gesellschaften (abgesehen von der Orléansbahn) abgeschlossenen Verträge gewährten Konzessionen für etwa 2250 km, unter Zusicherung verschiedener Begünstigungen.

1875 wurden ferner Konzessionen verliehen für die Gesellschaft Picardie et Flandres, für die Grande ceinture de Paris sowie für die Gesellschaft Alais au Rhône.

1871 wurden 676 km eröffnet. Ende 1871 betrug die Betriebslänge 17.847 km, 1872 wurden 902 km, 1873 1265 km, 1874 767 km, 1875 989 km eröffnet.[172]

Ende 1875 war der Stand folgender: Hauptbahnen (intérét général) waren 26.426 km definitiv konzessioniert, hiervon 19.746 km eröffnet. Den sechs großen Gesellschaften waren 23.030 km konzessioniert, u.zw. der Nordbahn 2170 km, der Paris-Orléansbahn 4359 km, der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn 7124 km, der Ostbahn 3125 km, der Westbahn 3235 km, der Südbahn 3017 km. In den Rest der Konzessionen teilten sich 35 Gesellschaften.

Lokalbahnen (intérét local) waren 4366 km konzessioniert und 1798 km eröffnet.

9. Staatsbahnnetz. Programm Freycinet.

Mit dem Jahr 1876 beginnt für die F. eine neue Periode, die in dreifacher Hinsicht von wesentlicher Bedeutung ist: 1. durch Ankauf der Linien kleiner Bahnen durch den Staat und Errichtung eines Staatsbahnnetzes, 2. durch Ausarbeitung eines Programms zum Ausbau des Netzes der F., 3. durch Verhandlungen der Regierung mit den großen Gesellschaften, die zu den Verträgen vom Jahr 1883 führen.

Verschiedene kleine Gesellschaften (compagnies secondaires), die in ihren Händen eine Reihe von Hauptbahnen hatten, wie die Charentesbahnen, Vendéebahnen, die Nord-Est und die Eisenbahn Lille-Valenciennes, befanden sich in so mißlicher finanzieller Lage, daß sie nicht nur außer stande waren, die konzessionierten Eisenbahnlinien zu vollenden, sondern daß auch der weitere Betrieb der eröffneten Linien in Frage gestellt war. Eine Anzahl von Lokalbahnen wurde ferner notleidend, weil die Spekulation in Abweichung von den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahr 1865 sich nicht damit begnügte, einzelne Punkte der Hauptbahnen durch Lokalbahnen miteinander zu verbinden, sondern letztere baute, um mit den Hauptbahnen selbst in Wettbewerb zu treten. Zunächst wollte die Regierung den Charentesbahnen durch Gewährung einer Zinsgarantie zu Hilfe kommen, der Antrag wurde jedoch von der Nationalversammlung verworfen. Ein weiterer Antrag, der Orléansbahn 877 km notleidender Bahnen zu übertragen und ihr hierfür neue Konzessionen für 464 km zu verleihen, fand bei der Deputiertenkammer großen Widerstand. Die Verhandlungen dauerten in der Kammer 7 Tage (März 1877). Das Ergebnis war, daß der Staat die notleidenden Linien zum wirklichen Wert der ersten Anlage (die Subventionen abgerechnet) ankaufen und ihre Übertragung an die großen Gesellschaften veranlassen solle, in deren Händen die Ausbeutung der Linien zu Wettbewerbszwecken ausgeschlossen ist, daß ferner für den Fall, als die Orléansbahn auf dieser Grundlage eine Vereinbarung nicht schließen wollte, ein großes staatliches West- oder Südwestnetz geschaffen werden sollte. Auf Grund dieses Votums der Kammer der Deputierten schloß der Minister mit sechs Bahnen d'intérét général (Charentes, Vendée, Bressuire Poitiers, St. Nazaire-Croisic, Orléans-Châlons, Clermont-Tulle) und mit vier Lokalbahngesellschaften (Poitiers-Saumur, Chemins Nantais, Maine et Loire-Nantes und Orléans-Rouen) Verträge wegen Ankaufs eines Bahnnetzes von 2615 km um einen schätzungsweise festzustellenden, nach obigem Grundsatz zu bemessenden Preis.

Die Kaufsumme war mit 280 Mill. Fr. festgesetzt. Einschließlich der Kosten für die Instandsetzung der Bahnen und für das Betriebsmaterial mußte der Staat 500 Mill. Fr., oder 200.000 Fr. f.d. km verausgaben. Der Gesetzentwurf fand am 15. März 1878 die Zustimmung der Deputiertenkammer und am 25. Mai die des Senats. So entstand das Staatsbahnnetz in Frankreich (s. Französische Staatsbahnen).

Zwei Erlasse vom 25. Mai 1878 regelten die Organisation der Staatsbahnen in ähnlicher Weise wie die der sechs großen Gesellschaften. Ein Gesetz vom 11. Juni 1878 gestattete für die Bestreitung der staatlichen Auslagen zum Rückkauf und zu Bauzwecken die Ausgabe 3%iger, in 75 Jahren tilgbarer Renten.

Am 4. Juni 1878 legte Freycinet der Kammer nach Einholung des Gutachtens eingesetzter Regionalkommissionen sein berühmtes Bauprogramm vor, nach dem das Hauptbahnnetz auf etwa 39.000 km gebracht werden sollte, u.zw.:


1. Konzessionierte, im Betrieb oder
unmittelbar vor der Betriebseröffnung
befindliche Linien21.300 km
2. Linien von untergeordneter
Bedeutung, die infolge
des Rückkaufgesetzes
vom 18. Mai 1878 dem
Hauptbahnnetz einzufügen waren 754 km
3. Konzessionierte, im Bau
begriffene oder noch
zu erbauende Linien 5.400 km
4. Zur Ausführung empfohlene
(classées), noch nicht
konzessionierte Linien 2.900 km
5. Konzessionierte, im Betrieb
befindliche oder noch zu erbauende
Linien untergeordneter Bedeutung,
die dem Hauptnetz eingefügt
werden sollten 2.500 km
6. Neue Bahnlinien 6.200 km
Zusammen 39.054 km

[173] Freycinet glaubte, die Herstellungskosten für das km auf durchschnittlich 200.000 Fr. veranschlagen zu können, so daß die Anlagekosten dieses Netzes auf etwas über 3 Milliarden Fr. zu stehen gekommen wären. Als Zeit für die Ausführung des Programms nahm Freycinet 10 Jahre an, während welcher Zeit jährlich für öffentliche Arbeiten 400 Millionen ausgegeben werden sollten.

Nach heftigen Kämpfen in der Kammer und im Senat kam das Gesetz vom 17. Juli 1879 zu stände, durch das 181 neue Hauptbahnlinien in das Bauprogramm aufgenommen wurden. Ihre Gesamtlänge betrug 8868 km, also 2665 km mehr als von der Regierung beantragt worden war.

Das für die Durchführung des Bauprogramms erforderliche Kapital war auf 6500 Millionen Fr. veranschlagt.

Die Durchführung des Gesetzes wurde für einen Zeitraum von 10–12 Jahren in Aussicht genommen, und zwar sollte der Bau der einzelnen Linien ohne Feststellung einer bestimmten Reihenfolge unter Berücksichtigung der in Frage kommenden militärischen sowie wirtschaftlichen Interessen und mit Rücksicht auf die Mitwirkung der Departements, Gemeinden und sonstiger Interessenten durchgeführt werden.

Die zur Ausführung empfohlenen Linien sollten sämtlich normalspurig gebaut werden. Der Staat hatte in Abweichung von den Bestimmungen des Gesetzes vom Jahr 1842 nicht nur den Unterbau, sondern auch den Oberbau herzustellen. Die Kosten sollten aus den außerordentlichen Einnahmen, oder durch Anleihen gedeckt und je nach der Fertigstellung einer jeden Linie die Art der Betriebsführung der Beschlußfassung des Parlaments vorbehalten werden.

Die gebauten Linien, die innerhalb des Verkehrsbereichs der sechs großen Gesellschaften lagen, wurden den letzteren unter den von Fall zu Fall festgestellten Bedingungen überlassen.

Bei der Durchführung des Programms Freycinet geschahen bedauerliche Irrtümer. Man überstürzte den Bau. Anstatt alle Anstrengungen auf gewisse Stellen zu vereinigen und den Bau einzelner Bahnen nicht eher zu beginnen, als bis andere vollendet waren, begann man damit im ganzen Land. Infolgedessen war man genötigt, wenn finanzielle Schwierigkeiten eintraten, die Fortsetzung des Baues einzustellen.

Das Gesetz vom 11. Juni 1880 änderte jenes vom Jahr 1865 über die Lokalbahnen ab und regelte die Konzessionen der Tramways (seither lassen sich in Frankreich vier Klassen von Bahnen unterscheiden; chemins de fer d'intérêt général und local, tramways und die zuerst im Gesetz vom 12. Juli 1865 genannten Industriebahnen [chemins industriels]).


Das Gesetz v. J. 1880 bestimmte u.a., daß Lokalbahnkonzessionen nicht mehr vom Staatsrat, sondern im Gesetzesweg zu genehmigen sind. Die Art der staatlichen Beitragsleistung wurde dahin geändert, daß die Departements gleichmäßig zu behandeln sind. Das Obligationenkapital darf niemals höher sein als das Aktienkapital, und mit seiner Ausgabe darf erst begonnen werden, wenn vier Fünftel des letzteren nützlich verausgabt sind. Fusionen oder Übertragungen der Lokalbahnkonzessionen sind aus Wettbewerbsrücksichten mit besonderen Vorsichtsmaßregeln umgeben. Gegen allfällige Entschädigung des Konzessionerteilers (Departements oder Gemeinde) kann der Staat jederzeit eine Lokalbahn in das Netz der Bahnen des Intérêt general übernehmen.

(Dieser Fall ist wiederholt eingetreten, insbesondere auch aus Anlaß der durch Gesetz vom 20. November 1883 erfolgten Neugestaltung der großen gesellschaftlichen Bahnnetze.)


Was die Bautätigkeit betrifft, so wurden einschließlich der Werkbahnen eröffnet:


1876 908 km
1877 857 km
1878 923 km
1879 722 km
18801010 km
18811434 km
18821263 km

Ende 1882 betrug die gesamte Betriebslänge 28.887 km; im Bau oder zu bauen waren noch 15.875 km.

10. Verträge vom Jahr 1883. Weitere Entwicklung bis 1889.

1883 sah sich die Regierung in Anbetracht der hereingebrochenen wirtschaftlichen Krise bemüßigt, auf die ausschließliche Herstellung der Bahnen durch den Staat zu verzichten und den großen Gesellschaften die Fortsetzung des begonnenen Werks zu übertragen. Auf diese Art entstanden die Gesetze vom 20. November 1883, die die mit den sechs großen Eisenbahngesellschaften Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, Paris-Orléansbahn, Nord-, Süd-, Ost- und Westbahn, am 26. Mai, bzw. 28. Juni, 5. Juni, 9. Juni, 11. Juni und 17. Juli desselben Jahrs zur Ausführung des Programms Freycinet abgeschlossenen Verträge genehmigten. Die gesetzlich in Aussicht genommenen Linien wurden den sechs großen Gesellschaften konzessioniert bis auf 2000 km, unter denen sich auch die herzustellenden Strecken des Staatsbahnnetzes befanden.

Nach diesen Verträgen haben die großen Gesellschaften den Ausbau der innerhalb ihrer Netze gelegenen Linien des nach dem Freycinetschen Programm auszuführenden sog. dritten Netzes übernommen. Diese Linien[174] wurden den Gesellschaften teils definitiv, teils vorläufig konzessioniert.

Die Gesellschaften verpflichteten sich ferner, eine Anzahl nicht namentlich aufgeführter, sondern nur in runder Summe nach ihrer Länge angegebener Linien zu bauen.

Die Regierung trat den Gesellschaften unentgeltlich die seit 1879 von ihr selbst auf Staatskosten gebauten, innerhalb der betreffenden Netze gelegenen Strecken ab; sie genehmigte außerdem die dauernde Verschmelzung einiger kleiner Linien mit den benachbarten großen Gesellschaften. Die Orléansbahn trat hingegen vier, ihr gehörige Linien dem Staat zur Einverleibung in das Staatsbahnnetz ab.

Der Bau der neu konzessionierten Strecken erfolgt auf Kosten des Staats. Die Gesellschaften tragen zu den Herstellungskosten 25.000 Fr. für das km bei und liefern außerdem das Betriebsmaterial und die Ausrüstungsgegenstände, eine Leistung, deren Wert gleichfalls auf 25.000 Fr. für das km veranschlagt wird. Die übrigen Herstellungskosten werden von den Gesellschaften dem Staat vorgeschossen, der sie nebst Zinsen und Tilgung innerhalb der nächsten 74 Jahre (also bis zum Eintritt des Heimfallrechts) in festen Jahresbeträgen zu erstatten hat. Die Gesellschaften, die dem Staat aus den Verträgen von 1859 Zinsgarantiezuschüsse schulden (zusammen 631 Mill. Fr.), rechnen diese Schuld gegen die Bauvorschüsse auf und tilgen sie auf diese Weise. In dieser Lage befanden sich alle Bahnen außer der Nordbahn. Die Mittelmeerbahn hatte eine Zinsgarantieschuld. Die Westbahn, die dem Staat am 1. Januar 1883 240,695.475 Fr. schuldete, braucht sich indessen nur 160 Millionen Fr. an Zinsgarantiezuschüssen anrechnen zu lassen, auf den Rest seiner Forderung in der Höhe von 80,695.475 Fr. leistet der Staat Verzicht. Die Nordbahn zahlt nicht 25.000 Fr. für das km, sondern gewährt statt dessen einen festen Beitrag von 90 Mill. Fr. zur Herstellung der ihr konzessionierten Bahnen und stellt gleichfalls das Betriebsmaterial. Wenn die Gesellschaften nicht rechtzeitig innerhalb der in den Verträgen vorgesehenen Fristen die übernommenen Bauten ausführen, so haben sie für jedes Jahr der Verzögerung einen weiteren Beitrag von 5000 Fr. für das km zu zahlen.

Jede Bahn bildet in Zukunft für den Betrieb ein einheitliches Netz, die Unterscheidung von ancien und nouveau réseau wird beseitigt. Über die Reinerträge dieses Gesamtnetzes ist, wie folgt, zu verfügen: Zunächst sind die Zinsen und Tilgungsbeträge für die Obligationen zu entnehmen; sodann eine, für jede Bahn besonders bemessene, feste Summe, die zur Zahlung der Dividende an die Aktionäre Verwendung findet. Reichen die Erträge der Bahn zur Aufbringung dieser Summe nicht aus, so zahlt der Staat das Fehlende, und die Bahnen haben diesen Staatszuschuß aus den Erträgen späterer Jahre mit 4% Zinsen zu erstatten. Werden höhere Einnahmen erzielt, so kommen diese bis zu einem gewissen, für jede Bahn besonders bemessenen Betrag gleichfalls den Aktionären zu gute. Wird aber dieser Betrag überschritten, so wird der Überschuß nach dem Verhältnis von zwei Drittel zu einem Drittel zwischen dem Staat und den Aktionären geteilt (partage des bénéfices). Es stellen sich hiernach die Dividenden der einzelnen Bahnen nach den neuen Verträgen, wie folgt, wobei zu beachten ist, daß die Aktien der Nordbahn einen Nennwert von 400 Fr., die der übrigen Bahnen einen solchen von 500 Fr. haben:


Französische Eisenbahnen

Die Begrenzung der Anlagekosten wurde fallen gelassen. Die Gesellschaften wurden ermächtigt, den Anlagekosten die gesamten Kosten von Ergänzungsarbeiten sowie Betriebskostenabgänge für die neuen Linien durch eine bestimmte Zeit zuzuschlagen.

Wenn der Staat von dem ihm nach Art. 37 der Bedingnishefte zustehenden Rückkaufsrecht innerhalb der nächsten 15 Jahre Gebrauch macht, so ist der Preis der auf Grund der neuen Verträge gebauten Bahnen nach den wirklich verwendeten Herstellungskosten zu berechnen, denen die Betriebskostenabgänge in den ersten Betriebsjahren hinzutreten.

Die Gegenleistungen der Gesellschaften für die ihnen in den 1883er Verträgen gemachten Zugeständnisse lagen zumeist auf dem Gebiet des Tarif- und Fahrplanwesens. Das Staatsbahnnetz wurde besser abgerundet und erhielt Anschluß nach Paris.

Die Zusammensetzung des französischen Bahnnetzes nach seiner Umgestaltung im Jahr 1883 ergibt sich aus folgender Übersicht:[175]


Französische Eisenbahnen

Der Stand der sechs großen Gesellschaften nach den 1883er Verträgen ist aus nachstehender Übersicht zu entnehmen.

Die Verträge vom Jahr 1883 sind am 1. Januar 1884 in Kraft getreten, und die Gesellschaften gingen sogleich ans Werk, um die von ihnen zu bestreitenden Baugelder zu beschaffen.

Die Länge der jährlich zur Eröffnung gekommenen Linien des Programms Freycinets war indes in den ersten Jahren keine bedeutende. Dies ist auf die Ungunst der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen.

Die Krise vom Jahre 1883 dehnte sich auf die folgenden Jahre aus, die Einnahmen der Eisenbahnen gestalteten sich trotz der Entwicklung des Netzes äußerst ungünstig, die der Hauptbahnen sanken von 1125 Millionen im Jahre 1882 auf 1036 Millionen im Jahre 1886, bei einem Zuwachs von etwa 5100 km.


Französische Eisenbahnen

1884 nahmen alle französischen Eisenbahngesellschaften, mit Ausnahme der Nordbahn, die Staatsgarantie in Anspruch; das Defizit der fünf Netze betrug 1886 82 Millionen.

Nachstehende Beträge wurden den französischen Eisenbahngesellschaften (Haupt- und Lokalbahnen) in der Zeit von 1883 bis einschließlich 1886 ausbezahlt, u.zw.:


1883 5,797.995 Fr.
188443,494.562 Fr.
188575,035.034 Fr.
188683,869.687 Fr.

Nach 1886 trat eine regelmäßige, etwa 30 Mill. Fr. jährlich oder 2∙5% betragende Besserung der Einnahmen des gesamten Hauptnetzes ein.

Diese Besserung genügte jedoch nicht, um die Verluste der Vorjahre, so schnell als es wünschenswert war, zu decken, weshalb in der Folge eine Verlangsamung in der Ausführung der Neubauten eintrat, um der Vermehrung der Schuldenlast Einhalt zu tun.

Der jährliche Kostenvoranschlag für Neubauten wurde auf ungefähr 80 Millionen herabgesetzt und dadurch der Zeitpunkt der Vollendung des Netzes hinausgeschoben.

Nach einer Erklärung des Ministers in der Kammer waren am 1. Januar 1888 von den nach dem Programm Freycinet zu bauenden Bahnen des intérêt général 2176 km eröffnet, 2139 km im Bau und der Rest noch nicht angefangen. Da seit 1879 der Bau von etwa 2300 km neuer Strecken in Aussicht genommen[176] worden war, so blieben im ganzen noch etwa 7000 km auszuführen. Eine raschere Durchführung scheiterte an der Unmöglichkeit, größere Summen in das Budget einzustellen. Der im Februar 1889 ernannte Minister der öffentlichen Arbeiten ließ den in den Vorjahren vielfach eingestellten Bau auf den neuen Eisenbahnlinien wieder aufnehmen und stellte als Programm auf, daß jährlich 500 km vollendet und 500 km neu in Angriff genommen werden sollten. Zugleich beschäftigte sich das Ministerium damit, Mittel zu suchen, um das Freycinetsche Programm, an dessen Ausführung in absehbarer Zeit man kaum mehr geglaubt hatte, schneller zu verwirklichen.

Zur Verringerung der Kosten und Erleichterung der Ausführung eines Teils der in Aussicht genommenen Linien wurde vielfach die Anwendung der Schmalspur vorgeschlagen. Zunächst wurden durch G. vom 11. September 1885 zwei schmalspurige Bahnen d'intérêt général bewilligt, u.zw. die im Cher- und Allier-Departement gelegenen Linien: Châteaumeillant- la Guerche und Sancoins- la Peyrouse. Der Staat garantierte für beide Schmalspurlinien einen Reinertrag von 5% für ein Höchstkapital von rund 109.000 Fr. auf das km. Da der Konzessionär in demselben Departement auch schmalspurige Lokalbahnkonzessionen hatte, so erhielt er dort ein zusammenhängendes Schmalspurnetz von fast 400 km.

Die den Gegenstand des G. vom 10. Dezember 1885 bildenden Linien liegen in der Halbinsel der Bretagne, die an ihrem nördlichen Gestade von einer Westbahnlinie, an ihrem westlichen von einer Orléansbahnlinie eingeschlossen ist. Zwischen diesen Hauptbahnen wurden nun durch obiges G. Schmalspurbahnen konzessioniert, die verschiedene, in Carhaix sich kreuzende Querverbindungen herstellen. Mehrere Strecken davon waren 1883 normalspurig der Westbahn konzessioniert, ja zum Teil schon in Ausführung begriffen.

Das »bretonische«, 338 km umfassende Schmalspurnetz wurde der Westbahngesellschaft als integrierender Bestandteil ihrer 1883 neu geregelten Konzession verliehen.

Die Projekte für die vollspurigen Linien wurden auch sonst in sparsamerer Weise (mit stärkeren Steigungen und Krümmungen) ausgeführt und hiermit der Erfolg erzielt, daß in den Haushalt geringere Beträge für den Bau von Eisenbahnen eingestellt zu werden brauchten, und daß trotzdem die jährliche Eröffnung einer größeren Zahl von Kilometern in Aussicht genommen werden konnte. In der Tat entwickelte sich das Bahnnetz in erfreulicher Weise. 1888 wurden 1035 km, 1889 1107 km eröffnet. Am Schluß des letzteren Jahres waren 36.370 km im Betrieb, 10.550 km im Bau oder noch zu bauen.

11. 1890–1910. Im Jahre 1890 und den nächstfolgenden Jahren entwickelte sich eine besonders rege Bautätigkeit. 1890 bis einschl. 1894 vergrößerte sich das Netz durchschnittlich um 800 km im Jahre. In den Jahren 1895 einschl. 1900 ließ die Bautätigkeit nach und beträgt der Jahresdurchschnitt nur mehr 580 km. Die finanziellen Verhältnisse der Bahnen gestalteten sich seit 1894 infolge gesteigerter Einnahme wesentlich günstiger und ergab sich im Zusammenhang damit auch eine bedeutende Herabsetzung der Garantieansprüche. 1893 betrug die Höhe der Garantievorschüsse noch über 100 Millionen.

Für die Jahre 1896–1908 ist die Inanspruchnahme der Staatsgarantie aus nachstehender Tabelle zu entnehmen:


1896 40,528.906 Fr.
1906– 14,941.613 Fr.
1907 12,871.319 Fr.
1908 18,727.631 Fr.

Im Jahre 1898 zahlte die PLM.-Gesellschaft im Ausgleichswege ihre Schuld dem Staate zurück.

Die Garantieschuld der anderen Eisenbahngesellschaften an den Staat betrug am 31. Dezember 1908:


für die Ostbahn213,794.906 Fr.
für die Orléansbahn222,254.217 Fr.
für die Südbahn285,641.963 Fr.
für die Westbahn480,374.042 Fr.

Die drei ersteren haben bereits mit der Rückzahlung dieser Vorschüsse begonnen und nur die Westbahn nahm noch 1908 die Staatsgarantie in Anspruch. Diese betrug:


1909 420.152 Fr.
19101,783.061 Fr.

Die ungünstige finanzielle Lage der Westbahngesellschaft war Anlaß, daß von mehreren Abgeordneten im Parlament Anträge wegen Rückkaufs der Bahn durch den Staat eingebracht wurden.

Außerdem wurde der Rückkauf begründet mit der ungünstigen Lage der Staatsbahnen zwischen West- und Orléansbahn und dem Bedürfnis, ein leistungsfähiges Staatsbahnnetz zu besitzen, um dem Staat einen größeren Einfluß auf die Eisenbahnpolitik zu schaffen.

Die Regierung legte einen dementsprechenden Gesetzentwurf vor und wurde durch G. vom 13. Juli 1908 der Minister der öffentlichen Arbeiten zum Rückkaufe ermächtigt. Ein G. vom 18. Dezember dieses Jahres setzte die Vorschriften der vorläufigen Betriebsführung durch den Staat fest.[177]

Durch Ministerialerlaß vom 25. Dezember wurde der Staatseisenbahnverwaltung der Betrieb übertragen, dessen Übernahme sich am 1. Januar 1909 vollzog.

Ein G. vom 21. Dezember desselben Jahres genehmigte ein Übereinkommen über den an die Gesellschaft zu zahlenden Kaufpreis. Hiernach verpflichtete sich der Staat für jedes Jahr vom 1. Januar 1909 bis 31. Dezember 1956 zur Zahlung:

1. eines Betrages von 11,550.000 Fr. (Höhe des durch das Übereinkommen vom Jahre 1883 den Aktienbesitzern garantierten Ertrages), der für die letzten 5 Jahre auf 6,300.000 Fr. herabgesetzt wird;

2. einer den tatsächlichen Lasten der Gesellschaft aus ihren Anleihen gleichkommenden Summe. Dagegen hatte die Gesellschaft ihre gesamten Aktien an den Staat abzutreten, die aus den Reinerträgen erworben waren, die von der Gesellschaft in früheren Jahren hätten verteilt werden können.

Von den an den Staat zu zahlenden Beträgen waren die Beträge in Abzug zu bringen, die der Staat der Gesellschaft als Annuitäten für die von ihr auf Rechnung des Staats bestrittenen Baukostenbeiträge schuldete.

Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts sind durch die Ausgestaltung internationaler Eisenbahnlinien gekennzeichnet. Frankreich vereinbarte mit Italien die Herstellung zweier Linien, Nizza-Coni und Coni-Vintimiglia durch das Royatal, mit Spanien den Bau von Eisenbahnen durch die Mittelpyrenäen, mit der Schweiz die Ausgestaltung der Zufahrtlinien zum Simplon.

Durch die Linie Nizza-Coni erfährt die Strecke Nizza-Turin eine Abkürzung von 379 km.

Frankreich war bisher mit Spanien nur durch zwei Linien verbunden, von denen die eine im Westen, die andere im Osten an der Meeresküste hinläuft. Das Bestreben, die Pyrenäen zu durchqueren, führte zum Studium von nicht weniger als 10 Linien. Frankreich entschied sich für die Linie von St. Girons nach Lérida, Spanien hingegen für die von Oloron nach Jaca-Lanye. Nach einem Übereinkommen vom 18. August 1904 sollte nebst den beiden vorgenannten Linien noch eine dritte von Ax nach Ripoll gebaut werden. Als Zufahrtslinie zu den Pyrenäenbahnen kann auf französischer Seite die Linie Villefranche-Bourg-Madame gerechnet werden. Ihre Eröffnung erfolgte im Jahre 1910.

Durch ein Übereinkommen vom 19. Juni 1909 ist zwischen Frankreich und der Schweiz die Frage der Zufahrtlinien zum Simplon endgültig geregelt worden. Demgemäß erhielt die PLM.-Gesellschaft die Konzession zum Bau der Linie Frasne-Vallorbe, durch die in der Richtung Paris-Dijon eine Wegkürzung von 17 km erreicht wird.

Die Ostbahn wurde ermächtigt, sich bis zu einem Betrage von 10 Mill. Fr. an der Kapitalbeschaffung für eine auf schweizerischem Gebiet geplante Linie zwischen Moutiers-Granges und Longeau zu beteiligen.

Durch ein Übereinkommen vom 6. September 1911 hat sich dieselbe Gesellschaft verpflichtet, ihre garantierte Schuld im Laufe des Jahres 1912 vor der Fälligkeit zurückzuzahlen. Sie wurde ermächtigt, besondere Schuldscheine auszugeben und das Erfordernis dafür in die Betriebsrechnung einzustellen. Dagegen wurde die Beteiligung des Staats an dem Gewinne auf die Summe beschränkt, die den Aktionären durch die Verträge vom Jahre 1883 als Ertrag garantiert ist.

Durch das Gesetz vom 31. Juli 1913 erfuhren die Bestimmungen der früheren Lokalbahngesetze vom 12. Juli 1865 und 11. Juni 1880 wesentliche Änderungen, vor allem in bezug auf die Zuschüsse, die der französische Staat an die von den Gemeinden und Departements oder von Privatunternehmern mit Unterstützung dieser Verbände gebauten Lokalbahnen gewähren kann.

Nach dem Gesetz von 1865 konnte die Regierung den Lokal- und Straßenbahnen derartige Zuschüsse in Höhe von insgesamt 6 Mill. Fr. jährlich für den ganzen Staatsbereich bewilligen, wobei der Zuschuß je nach der Leistungsfähigkeit der Departements auf ein Viertel, ein Drittel oder auf die Hälfte der von dem Departement oder der Gemeinde bezahlten Kosten bemessen wurde. Das Gesetz von 1880 schloß von den Zuschüssen die Straßenbahnen aus und verließ den Grundsatz der verschiedenen Behandlung der mehr oder weniger bemittelten Departements. Für alle Departements wurde ein gleichmäßiger jährlicher Höchstzuschuß von 400.000 Fr. vorgesehen, der später (1903) auf 600.000 und (1907) auf 800.000 Fr. erhöht wurde. Das Gesetz vom 31. Juli 1913 kommt auf den Grundsatz der stärkeren Unterstützung der weniger leistungsfähigen Departements zurück und stellt einen Maßstab auf, in dem die Zuschüsse je nach der Höhe der für die einzelnen Departements festgesetzten Steuerzuschläge (Centimes additionnels) zwischen 10 und 75% abgestuft sind. Ein Unterschied zwischen Straßen- und Lokalbahnen wird nicht mehr gemacht.

Der Zuwachs der Haupt-, Lokal- und Industriebahnen in den Jahren 1900–1910 ergibt sich aus nachstehender Tabelle:[178]


Französische Eisenbahnen

Von den unter das Gesetz vom 20. November 1883 fallenden Bahnen waren von den großen Gesellschaften unter Berücksichtigung der durch mehrere einschlägige spätere Gesetze (1886, 1889, 1890, 1907) hinzugekommenen Linien Ende 1910 rund 13200 km ausgebaut und weitere 1400 km noch zu bauen.


II. Geographische Gliederung der Hauptnetze.


Zufolge der Gestalt des französischen Eisenbahnnetzes bildet Paris in weit höherem Maße als die Hauptstädte anderer Länder den Mittelpunkt des Eisenbahnnetzes; von hier eilen die Hauptstränge den großen Handelszentren in den Nachbarstaaten und den großen heimischen Seeplätzen zu. Diese strahlenförmig auseinanderlaufenden Hauptlinien sind durch viele konzentrisch angelegte Querlinien derart miteinander verbunden, daß das Bild eines Spinnennetzes entsteht.

Die Nordbahn beherrscht die Häfen Boulogne, Calais, Dünkirchen, Gent und Antwerpen, mithin den internationalen Verkehr mit England und dem Norden Europas, ferner über Valenciennes, Lille und Jeumont den großartigen Verkehr mit Belgien, besonders mit Lüttich, Brüssel und Antwerpen. In Frankreich selbst beherrscht die Nordbahn den Verkehr der industriereichen Landschaften Ile de France, Picardie und Artois, in denen namentlich die Rübenzucker-, Eisen- und Webeindustrie Millionen fleißiger Hände beschäftigt, und das reichste Kohlenbecken von Frankreich bei Valenciennes und Lens. Hauptknotenpunkte dieses Bahnnetzes sind Lille, Amiens und Tergnier.

Die ehemalige Westbahn vermittelt den Verkehr nach den Häfen Dieppe, Havre, Cherbourg, St. Malo und Brest, also nach dem Gebiet der unteren Seine, der Normandie, der Bretagne und der Atlantischen Küste. Von der größten Bedeutung für die Westbahn ist Havre, der zweitgrößte Hafen Frankreichs und zugleich der wichtigste für Baumwolle und Kaffee, der bedeutendste Exportplatz für das industriereiche Nordfrankreich mit starkem Auswandererverkehr.

In den von den alten Linien der Staatsbahnen durchzogenen Gebieten herrscht der Ackerbau vor. Seine Erzeugnisse dienen größtenteils zur Verpflegung von Paris.

Die Hauptknotenpunkte dieses Netzes sind Tours, Chartres und Bordeaux. Der bedeutendste Hafen im Bereiche des Netzes ist La Rochelle.

Die Orléansbahn beherrscht die Häfen Nantes-St. Nazaire und Bordeaux, also das Gebiet der Loire und zum Teil jenes der Garonne, da ihr Netz bis Montauban und Toulouse reicht. Das Gebiet, das die Linien der Orléansbahn durchziehen, pflegt namentlich die Landwirtschaft, südlich der Loire besonders den Weinbau; Industrieorte sind nur vereinzelt eingesprengt. Hauptknotenpunkte sind Orléans, Tours und Poitiers. Von besonderer Wichtigkeit für die Orléansbahn sind die beiden vorgenannten Häfen. Bordeaux, der drittgrößte Hafen Frankreichs, an der Garonne, treibt lebhafte Schiffahrt mit Amerika, Afrika, Ostindien und den französischen Kolonien; er bildet den Stapelplatz für die Einfuhr von Kolonialwaren aller Art, Wolle, Häuten u.s.w. Bordeaux ist außerdem Hauptplatz für spanische Erzeugnisse; seine große Bedeutung verdankt es aber in erster Linie dem Weinhandel. Neben Wein werden daselbst auch Industrieartikel ausgeführt.

Nantes mit dem Vorhafen St. Nazaire an der Loire treibt einen ganz ähnlichen Handel mit den gleichen Artikeln, ausgenommen Wein, und in dieselben Länder wie Bordeaux.

Die Südbahn, die einzige französische Bahn, die nicht von Paris ausgeht, stellt die Verbindung zwischen dem Atlantischen Ozean (Bordeaux, Bayonne) und dem Mittelmeer (Cette) her, verbindet ferner die Orléansbahn mit der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn und beherrscht außerdem die Landverbindung zwischen Spanien und Frankreich in den Linien nach Irun und Port-Bou. Den Hauptknotenpunkt dieser an Bedeutung den anderen großen Bahnkomplexen nachstehenden Bahn bildet Toulouse. Die Linie Toulouse-Bayonne entsendet viele Flügelbahnen in die Täler der Pyrenäen, wo sie vorläufig bis zu einer Überbrückung des mächtigen Scheidegebirges als Sackbahnen enden. Das Gebiet, das die Schienen der Südbahn durchlaufen, liefert als Bahnfracht besonders Massen von Wein, Südfrüchten, Kastanien und Kork.[179]

Die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, die größte unter den französischen Hauptbahnen, beherrscht das Tal der Rhone und damit den Verkehr nach Süddeutschland, der Schweiz, nach Italien und die Verbindung von Frankreich mit dem Mittelmeer, der Levante und über Suez mit dem fernen Osten. Die Landstriche, die sie durchzieht, gehören zu den reichsten landwirtschaftlichen Gebieten sowie zu den bedeutendsten Industriebezirken Frankreichs. Die Hauptknotenpunkte Dijon, Besançon, Maçon, Lyon, Avignon und Marseille führen dem Bahnverkehr die Reichtümer Burgunds und der Provence an Wein, Öl, Südfrüchten, Seide (Lyon), Kohle und Eisen (Creuzot) zu. Bei Dijon zweigen die Linien nach Süddeutschland und der Schweiz ab; bei Maçon die Linien nach Genf und nach dem Mont Cenis; die Hauptlinie geht über Lyon nach Marseille, das ebenso wie die Häfen Cette, Toulon und Nizza zum Verkehrsgebiet dieses Bahnnetzes gehört. Von größter Bedeutung für die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn ist Marseille.

Marseille, der erste Hafen Frankreichs, ist Haupthafen für den Handel mit den Staaten am Mittelmeer, mit Indien, China, Westafrika, Südamerika und sogar den Staaten am Stillen Ozean, sowie für den Transithandel zwischen dem Süden und dem Norden Europas.

Die Ostbahn vermittelt in erster Linie den Verkehr mit Deutschland von Belfort über Petit-Croix und von Nancy über Avricourt, in zweiter Linie über Sedan nach Belgien.

Die Gebiete, die dieses Bahnnetz durchzieht, gehören zu den reichsten Landbau- und Industriebezirken Frankreichs. Die Hauptknotenpunkte sind Chalons sur Marne, Reims (Champagne) und Troyes.

Die internationale Bedeutung der Ostbahn beschränkt sich nicht bloß auf den regen Verkehr mit den blühenden Industriebezirken am Oberrhein (Elsaß) und der Schweiz, sie vermittelt auch den Verkehr nach Deutschland, Rußland, Österreich-Ungarn und dem Orient.

In strategischer Beziehung ist die Ostbahn die wichtigste Bahn für ganz Frankreich.


III. Technischer Charakter.


Frankreich zeigt eine für die Entwicklung des Verkehrs äußerst günstige Bodengestaltung. Nur ein kleiner Teil der Bodenfläche ist von Hochgebirgen bedeckt. An der Südgrenze bilden auf mehr als 200 km Länge hin die bis 3000 m hohen Pyrenäen, an der Südostgrenze die Westalpen mit ihrer höchsten Erhebung, dem Montblanc, einen Teil der Landesgrenze; sonst zeigt Frankreich nur sanft gewölbte Hügel und niedere Berge, die sich gegen Westen stufenförmig zu weiten Ebenen verflachen.

Ernstlichen Schwierigkeiten begegnet der Bahnbau in Frankreich eigentlich nur an der Süd- und Südostgrenze, in den Alpen und Pyrenäen, so daß sich fast in ganz Frankreich das Bahnnetz vollkommen unter Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Bedürfnisse entwickeln konnte. Daß in neuester Zeit, wie überall in Europa, die strategischen Rücksichten ein mächtiges Wort sprechen, mag nur nebenbei bemerkt sein.

Die Pyrenäen überbrücken zwei Schienenstränge an den bequemsten Übergängen, nämlich an den beiden Enden: Bayonne-Irun und Perpignan-Barcelona über Port-Bou.

Gegenwärtig befinden sich in den Pyrenäen die oben (S. 178) erwähnten Linien im Bau, die wegen der in ihnen liegenden großen Tunnel (Somport- und Puymorenstunnel) technisch bemerkenswert sind.

Technisch viel großartiger als die Pyrenäenbahnen sind die französischen Alpenbahnen (Marseille-Nizza-Genua, Lyon-Genf und vor allem Lyon-Turin mit dem Mont-Cenis-Tunnel).

Die alten Hauptbahnen sind mit sehr günstigen Neigungs- und Krümmungsverhältnissen angelegt. Die Höchststeigung beträgt meist 5‰, ausnahmsweise und auf kurzen Strecken 8‰. Die stärksten Steigungen bietet der Cantalübergang zwischen Murat und Aurillac mit 30‰, die Bahn Toulouse-Bayonne über die Pyrenäen-Ausläufer mit 33 und die Bahn von Paris nach Montmorency mit 45‰.

Der Mindesthalbmesser beträgt zwischen Paris und Lyon 1000 m, auf der Strecke Paris-Orléans 800 m, auf den Gebirgsbahnen meist 300 m, so auf dem Cantal-, auf dem Cevennen-Übergang der Linie Clermont-Nîmes jedoch nur 200 m. Die Linie Bort-Neussargues weist sogar Halbmesser von 150 m auf.

Der Oberbau besteht aus Vignoles- oder aus Doppelkopfschienen. Die in letzter Zeit verlegten Schienen haben ein Gewicht von 45 bis 47 kg/m und Längen von 18∙22 bis 24 m; letztere werden hauptsächlich auf Eisenbrücken und in Tunneln verwendet.

Von bemerkenswerten Bauwerken auf den älteren Bahnen seien erwähnt die Garabitbrücke (französische Staatsbahnen), die Garonnebrücke bei Bordeaux, die Talbrücke über die Viaur, der Viadukt über die Siagne (Linie Draguignan-Grane). Die längsten Tunneln sind: der Nerthetunnel bei Marseille (4638 m), der Blaizytunnel an der Côte d'oc (4100 m), der an der Linie Lyon-Genf gelegene Crédotunnel (3965 m), der Rillytunnel (3453 m) und der Meudontunnel (3360 m) der Linie Invalides-Versailles.[180]

Von neueren hervorragenden Bauwerken sei der Viadukt von Fades auf der Linie Miramas – l'Estagne der Paris – Lyon – Mittelmeerbahn angeführt (3 Öffnungen, mittlere mit 144 m Lichtweite, Fahrbahnhöhe über Wasser 132∙5 m, Pfeilerhöhe 92 m).

Auf der i. J. 1910/11 eröffneten Linie von Prades nach Bourg Madame ist eine Hängebrücke mit 156 m Spannweite ausgeführt worden. Ein zweites hervorragendes Bauwerk dieser Strecke ist der Pont Séjourné, ein gewölbter Viadukt, in seinem mittleren Teile in 2 Etagen ausgeführt.

Auf der im Bau befindlichen Linie Frasno-Vallorbe hat am 2. Oktober 1913 der Durchschlag des großen Mont d'Or-Tunnels stattgefunden. Von diesem 6199 m langen Tunnel liegen 990 m auf schweizerischem und 5209 m auf französischem Gebiete.

Die F. haben zum allergrößten Teil die normale Spurweite von 1∙435 m. Ende 1910 besaßen von den Bahnen des Intérêt général 38.310 km die Normalspur, 2100 km die Schmalspur von 1 m und 28 km eine geringere Spur. Von Lokalbahnen sind 1259 km schmalspurig (meist einmetrig).

Außer einzelnen Haupt- und verschiedenen Lokalbahnen befinden sich unter den Schmalspurbahnen nichtöffentliche Privatbahnen (Chemins de fer privés), die ohne Zwangsenteignung zu stande gekommen sind und ausschließlich zu Zwecken ihres Eigentümers (Gruben-, Hüttenbesitzers u.s.w.) verwendet werden.

Außerdem befinden sich unter den Schmalspurbahnen konzessionierte Privatbahnen (Chemins de fer industriels et divers), die, mit Enteignungsrecht ausgestattet, seinerzeit an den Staat heimfallen und gleichfalls nur für ihre Eigentümer arbeiten, jedoch auch zur öffentlichen Personen- und Güteraufnahme angehalten werden können. Am bekanntesten unter diesen Bahnen, deren älteste 1840 eröffnet wurde, ist das den Kohlengruben und Eisenwerken von Commentry gehörige, einmetrige, nunmehr 28 km umfassende Netz.

Auf Lokalbahnen findet der elektrische Betrieb erst in der letzten Zeit ausgedehntere Anwendung, so u.a. auf einem in Meterspur ausgeführten, den »Chemins de fer départementaux de la Haute-Vienne« gehörenden Netz von 345 km Betriebslänge (eröffnet 1912) im Departement Haute-Vienne, das die kleineren Ortschaften mit der Hauptstadt Limoges verbindet.

Die elektrische Zugförderung ist bei den französischen Hauptbahnen bisher nur auf kurzen Strecken zur Anwendung gekommen, u.zw. Paris-Juvisy der Orléansbahn, Paris-Versailles der Staatsbahnen, le Fayet-Chamonix Argentière der PLM., Perpignan-Villefranche der Südbahn. Zwischen La Mure und Gap ist eine 80 km lange Linie im Bau, die mit Gleichstrom betrieben werden wird.

Im Zusammenhange mit dem mächtigen Verkehrsaufschwunge, der in den letzten Jahren eingetreten ist, hat sich die Notwendigkeit einer Ausgestaltung der Stationsanlagen sowie der Vermehrung der Fahrbetriebsmittel und der Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit ergeben.

Bemerkenswert ist die Ausgestaltung der Pariser Bahnhöfe (St. Lazare, Nord, Quai d'Orsay, Les Invalides), ferner die Anlage der Personenbahnhöfe Cambrai, Les Mans, St. Omer und Valenciennes, sowie der Güterbahnhöfe Juvisy, Lumes bei Charleville, St. Etienne, Terrenoire u.s.w.

Die Zahl der Lokomotiven ist von 1905 bis Ende 1910 von 11.271 auf 12.840, die Zahl der Wagen von 334.727 auf 379.240 gestiegen. Auch die Leistungsfähigkeit der Betriebsmittel hat eine außerordentliche Steigerung erfahren; dies gilt insbesondere von der Erhöhung der Zugkraft der Schnellzuglokomotiven, vor allen der der Orléansbahn. Gleiche Aufmerksamkeit widmen die französischen Bahnen der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Güterzugslokomotiven zur Verringerung der Zahl der Züge.

Hand in Hand mit der Steigerung der Zugkraft der Lokomotiven geht der Bau größerer Güterwagen (mit einer Tragfähigkeit von 20–40 t) sowie von großen Personenwagen, die mit allem Komfort ausgestattet sind. Durchgangswagen sind schon seit 1905 bei allen großen Schnellzügen ausschließlich in Verwendung. In den letzten Jahren hat man begonnen, die Personenwagen mit 2 und 3 Achsen durch 4achsige Wagen mit Drehgestellen zu ersetzen. Besonders bemerkenswert sind derartige von der Paris-Orléans-Gesellschaft gebaute Wagen.


IV. Gesetzgebung, Verwaltung und Staatsaufsicht.


Das erste grundlegende Gesetz ist das vom 15. Juli 1845 (sur la police des chemins de fer). Dieses erklärt die Eisenbahn als »öffentliches Gut« (domaine public) mit allen Rechtsfolgen und trifft Maßnahmen zur Wahrung dieses Teils der Domaines publics und zur Sicherung des Verkehrs auf den Schienenwegen. Es regelt ferner die Gerichtsbarkeit und die Strafen sowohl für die Organe der Bahnverwaltung als auch für das Publikum.

Die Betriebsordnung vom 15. November 1846 (Ordonnance royale sur la police, la sûreté et l'exploitation des chemins de fer), abgeändert durch Ordonnanz von 1901, beschäftigt sich[181] mit den Vorschriften für die Stationen und den Bahnkörper, für das rollende Material, den Lauf der Züge, mit den Eisenbahntarifen und Nebengebühren, der Überwachung des Betriebs u.s.w.

Eine Reihe von Gesetzen aus neuerer Zeit regelt das Verhältnis des Eisenbahnpersonals zu den Gesellschaften, die Arbeitszeit u.s.w., vor allem das Gesetz von 1909.

Ferner sind für jede einzelne Gesellschaft maßgebend:

1. Die Konzession, d.i. ein im Gesetzesweg genehmigtes zweiseitiges Übereinkommen zwischen Staat und Konzessionär, das nach Umständen die finanziellen Bedingungen enthält; und

2. das einen integrierenden Bestandteil der Konzession bildende Bedingnisheft (cahier des charges), das neben den den Bau, die Erhaltung, die Konzessionsdauer u.s.w. betreffenden Bestimmungen auch die Rechte des Bahnbenutzers genau feststellt (Betriebsreglement). Die Fassung der Bedingnishefte ist für alle Konzessionen zumeist gleichlautend und wurde zum letztenmal 1859 einheitlich festgestellt.

Die Verwaltung der F. ist im wesentlichen einheitlich geregelt. Sie liegt in Händen eines Conseil d'administration, dem alle wichtigeren Entscheidungen vorbehalten sind. Die eigentliche Geschäftsführung obliegt dem Direktor und bei der französischen Nordbahn einem Direktionskomitee. (Wegen der französischen Staatsbahnen vgl. auch Eisenbahnbehörden.) Die Direktion zerfällt, abgesehen von den administrativen Dienstzweigen, in der Regel in 3 Hauptabteilungen:

1. Ober- und Unterbau.

2. Betriebsmaterial und Zugdienst.

3. Betrieb und Verkehr.

Bei den großen Gesellschaften ist das Netz in eine Anzahl von Arrondissements eingeteilt, für deren Bereich die genannten 3 Hauptdienstzweige von einem Ingenieur de voie, einem Ingenieur de traction und einem Inspecteur principal de l'exploitation geleitet werden. Bei einzelnen besonders großen Netzen sind die 3 Hauptdienstzweige der Arrondissements unter die einheitliche Leitung eines Vorstandes gestellt.

Staatsaufsicht. Die Staatsaufsicht über die bauliche Ausführung der F. beruht auf den Bestimmungen der Cahiers des charges (Art. 27 des Cahier des charges der Bahnen des »Intérêt général«). Für den Betrieb ist das staatliche Aufsichtsrecht gleichfalls vom Anbeginn in den Cahiers des charges für jede einzelne Bahn geregelt. Das Gesetz vom 11. Juni 1842 brachte diesen Grundsatz zur Geltung; die Ordonnanz von 1846/1901 regelt die Rechte der Staatsgewalt in dieser Hinsicht.

Die Art der Kontrolle ist durch zahlreiche Verordnungen, Erlasse und ministerielle Rundschreiben geregelt.

Im allgemeinen obliegt die Kontrolle auf den Eisenbahnen des Intérêt général dem Minister der öffentlichen Arbeiten, u.zw. nicht bloß in technischer, sondern auch in kommerzieller und finanzieller Hinsicht.

Zur Mitwirkung berufen sind: der Handelsminister bei Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrtarifen; der Finanzminister bei Fragen, die eine finanzielle Bedeutung haben; der Arbeitsminister bei Fragen, die die Regelung der Arbeit betreffen; der Kriegsminister bei Fragen, die das militärische Interesse berühren.

Die Eisenbahnangelegenheiten werden im Ministerium der öffentlichen Arbeiten durch die Direktion der Eisenbahnen behandelt, die aus 2 Subdirektionen besteht, u.zw. aus einer für Konzessionswesen und Bau sowie einer zweiten für Betrieb.

Im allgemeinen werden wichtigere Angelegenheiten vor der Entscheidung der Begutachtung durch eines der beim Ministerium der öffentlichen Arbeiten bestehenden »Corps consultatifs« unterworfen (Conseil général des Ponts et Chaussées, conseil général des Mines, Commission de verification des comptes, Comité de l'exploitation des chemins de fer, Comité consultatif des chemins de fer).

Die Kontrolle umfaßt 4 Gruppen (finanzielle, technische, kommerzielle Kontrolle und Kontrolle der Arbeit der Eisenbahnbediensteten).

Die finanzielle Kontrolle wird durch ein Comité de réseau ausgeübt, dessen Leitung dem Direktor der Kontrolle obliegt.

Die Contrôle technique steht für jedes Netz unter Leitung eines Direktors der Kontrolle, der ein Generalinspektor oder ein Ingénieur en chef des Ponts et Chaussées oder des Mines sein kann.

Die technische Kontrolle teilt sich in eine solche für Bau (Contrôle de la voie et des bâtiments) und Betrieb (Contrôle de l'exploitation).

Die bauliche Kontrolle ist für jede Linie oder Liniengruppe einem Ingénieur en chef des Ponts et Chaussées am Hauptort des Departements anvertraut. Diese Ingénieurs en chef stehen unter der Leitung des Direktors der Kontrolle für das betreffende Netz; unter derselben Leitung steht die Betriebskontrolle. Sie teilt sich in eine solche für den Bahnkörper und die Bauten sowie in eine zweite für das rollende Material, Zugförderung, Werkstätten u.s.w.

Die technische Kontrolle für den Bau ist geleitet von einem durch den Direktor der [182] Kontrolle delegierten Ingénieur en chef des Ponts et Chaussés, unter dem Ingénieurs des Ponts et Chaussées auf einzelnen Punkten des Netzes tätig sind. Ähnlich ist auch die Contrôle de l'exploitation technique organisiert.

Außerdem sind auf Grund des Regierungsdekretes vom 29. Juli 1848 auf den Bahnhöfen Commissaires de surveillance administrative zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Entgegennahme und Untersuchung von Beschwerden, Feststellung von Übertretungen der Polizeivorschriften, Erhebung von Unfällen u.s.w. bestellt.

Die Contrôle commercial wird für jedes Netz durch einen Controleur général de l'exploitation commerciale geleitet, der durch den Direktor der Kontrolle bestellt ist. Unter ihm sind Inspecteurs principaux oder Inspecteurs particuliers de l'exploitation commerciale tätig.

Schließlich besteht noch eine besondere »Contrôle du travail« für das gesamte Netz.


V. Statistik.


1. Länge des Netzes.


Ende 1910 umfaßte das Netz der französischen Bahnen 49.628 km eröffnete Linien (nicht eingerechnet 19 km auf Schweizer und 2 km auf belgischem Gebiet), ferner 6049 km im Bau befindliche und projektierte Linien, zusammen 55∙677 km.


A. Hauptbahnen (Gesamtlänge 40.438 km).


1. Nordbahn, eröffnet 3771 km, im Bau 21 km, projektiert 65 km, konzessioniert 3857 km.

2. Ostbahn, eröffnet 4758 km, im Bau 27 km, projektiert 106 km, konzessioniert 4891 km.

3. Paris-Orléansbahn, eröffnet 7741 km, im Bau 115 km, projektiert 277 km, konzessioniert 8133 km.

4. Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, eröffnet 9581 km, im Bau 491 km, projektiert 81 km, konzessioniert 10.153 km.

5. Südbahn, eröffnet 3919 km, im Bau 643 km, projektiert 22 km, konzessioniert 4584 km.

6. Staatsbahnen: a) altes Netz, eröffnet 2831 km, im Bau 178 km, projektiert 24 km, konzessioniert 3078 km;

b) neues Netz (Westbahn): eröffnet 6068 km, im Bau 50 km, projektiert 118 km, konzessioniert 6236 km.

7. Ceinture de Paris (Rive droite) 17 km.

8. Grande Ceinture de Paris 111 km.

9. Somain-Anzin-Belgische Grenze 37 km.

10. Chauny-St. Gobain 14 km.

11. Hazebrouck-Belgische Grenze 15 km.

12. Enghien les Bains-Montmorency 3 km.

13. Société Gle des Chemins de fer Économiques 174 km.

14. Chemins de fer Departementaux 460 km.

15. Marseille (Banlieue sud et vieux port) eröffnet 3 km, projektiert 16 km.

16. Sud de la France, eröffnet 321 km, im Bau 26 km, konzessioniert 426 km.

17. Médoc 105 km.

18. Chemins non concédés.

a) deren öffentlicher Nutzen anerkannt ist (Chemins declarés d'utilité publique et non concédés). Eröffnet 328 km, im Bau 90 km, projektiert 52 km, zusammen 470 km;

b) Chemins classés, zusammen 746 km.


Französische Eisenbahnen

B. Werk- und andere Bahnen (Chemins industriels et divers).


Eröffnet 234 km, im Bau 17 km, projektiert 26 km, zusammen 277 km.


C. Lokalbahnen.


Ihre Länge betrug Ende 1910 8956 km.


Von den bedeutenderen Lokalbahngesellschaften, die fast ausschließlich auf Grund des Lokalbahngesetzes vom 11. Juni 1880 zu stande gekommen sind, seien genannt:

Société générale des chemins de fer économiques (1576 km, darunter 332 km normalspurig und 1244 km schmalspurig [normalspurig u.a.: Réseau de la gironde 311 km; schmalspurig: Réseau de l'allier 252 km Réseau du cher 220 km, Réseau de la Somme 311 km, Réseau de la Nièvre 212 km]); Compagnie de chemins de fer départementaux des Bouches du Rhône (normalspurig 133 km); Réseau de l'Herault (normalspurig 195 km); Réseau de la société de chemins de fer d'intérêt local du département des Landes (normalspurig[183] 185 km); ferner folgende Schmalspurbahnen: Compagnie de chemins de fer départementaux (595 km), darunter Réseau d'Indre-et-Loire (243 km), Compagnie générale des chemins de fer vicinaux (308 km); Réseau de la compagnie des tramways de la Sarthe (236 km); Réseau de l'Anjou (316 km); Réseau du Finistère (214 km); Réseau de la sociéte de chemins de fer départementaux à voie étroite des Ardennes (329 km); Réseau du Morbihan (339 km); Réseau de la société de chemins de fer de la banlieue de Reims et extensions (268 km); Réseau de la compagnie des chemins de fer de Saône-et-Loire (193 km); Réseau des Côtes-du-Nord (210 km); Société des chemins de fer de la Manche (206 km) u.s.w.


Die F. haben folgende Anschlüsse an ausländische Bahnen: An die belgischen Staatsbahnen (Nord- und Ostbahnen), an die Nord Belge- und die luxemburgische Prinz Heinrichsbahn (Ostbahnen), an die elsaß-lothringischen Eisenbahnen, an die italienischen Staatsbahnen (PLM.), an die spanische Nordbahn (Midi).

Die allmähliche Entwicklung des französischen Eisenbahnnetzes sowie seine Verteilung auf die großen Gesellschaften, auf sonstige Bahnen des intérêt général, auf Lokalbahnen und Werkbahnen sind aus der Tabelle, S. 183, zu entnehmen.


2. Anlagekapital.


a) Hauptbahnen (intérêt général).

Die Anlagekosten stellen sich, wie folgt:


f.d. km
1830 6,943.000 Fr.170.868 Fr.
1840 145,978.000 Fr.335.582 Fr.
1850 1.363,049.000 Fr.452.840 Fr.
1860 4.725,519.000 Fr.500.638 Fr.
1870 8.168,284.000 Fr.468.365 Fr.
188010.185,021.864 Fr.429.204 Fr.
189014.270.645.384 Fr.425.850 Fr.
190016.442,268.053 Fr.430.076 Fr.
190517.234,807.988 Fr.451.362 Fr.
190918.619,512.508 Fr.462.986 Fr.
191018.873,948.385 Fr.465.758 Fr.

Ende 1910 betrug bei den großen Gesellschaften


die Aktien-das garantiertedas reservierte
anzahlEinkommenEinkommen
Nord525.00054∙10 Fr.88∙50 Fr.
PLM800.00055∙00 Fr.67∙50 Fr.
Est584.00035∙50 Fr.50∙50 Fr.
Ouest300.000
Orleans600.00056∙00 Fr.72∙00 Fr.
Midi250.00050∙00 Fr.60∙00 Fr.

Die Bahnen innerhalb der Pariser Bannmeile kosteten durchschnittlich mehr als 2 Mill. Fr. für 1 km. Von anderen Bahnlinien mit besonders hohen kilometrischen Baukosten seien erwähnt: Boissy-Saint-Léger à Brie-Comte Robert (1∙749 Mill. Fr.), Saint Denis-Creil (1∙472 Mill. Fr.), Paris-belgische Grenze (1∙359 Mill. Fr.), Cavignac-Bordeaux (1∙252 Mill. Fr.), Sathonay-Lyon (1∙325 Mill. Fr.), Paris-Lyon (1∙223 Mill. Fr.), Bayonne-Irun (1∙035 Mill. Fr.) u.s.w.

Durchschnittlich stellten sich die kilometrischen Anlagekosten der Hauptbahnen Ende 1910, wie folgt:


Staatsbahnen (altes Netz)261.124 Fr.
Westbahn289∙407 Fr.
Orleans259.702 Fr.
Midi285.080 Fr.
Ostbahn338.494 Fr.
PLM432.679 Fr.
Nordbahn490.662 Fr.

Das Ende 1910 ausgegebene Anlagekapital setzte sich zusammen aus 1.550,903.064 Fr. Aktien und 15.004,951.615 Fr. Obligationen. Die 5 großen Gesellschaften haben einschließlich der beiden Ceintures für 1.469,894.564 Fr. Aktien und für 14.837,982.493 Francs Obligationen ausgegeben.

b) Lokalbahnen.

Die Anlagekosten betrugen:


f.d. km
1880341,085.953 Fr.155.961 Fr.
1890352,059.707 Fr.112.767 Fr.
1900467,341.454 Fr. 97.954 Fr.
1905561,108.384 Fr. 84.061 Fr.
1909664,455.453 Fr. 80.151 Fr.
1910700,115.507 Fr. 78.868 Fr.

Die durchschnittlichen Baukosten der Lokalbahnen betragen Ende 1910 rund 79.000 Fr. Die höchsten Baukosten weisen, abgesehen von Seil- und Zahnradbahnen, aus: Bayonne-Biarritz 377.000 Fr., Cie. du Sud de la France 182.000 Fr., Réseau de l'Hérault 177.000 Fr. pro km. Die Baukosten der schmalspurigen Bahnen betragen Ende 1910 durchschnittlich 67.000 Fr. für 1 km.

Das ausgegebene Anlagekapital stellte sich einschließlich der Tramways Ende 1910 auf 966,656.685 Fr. in Aktien und 513,021.783 Fr. in Obligationen.


3. Betriebsmittel.


Ende 1910 besaßen die F.:


LokomotivenPersonenwagenGüterwagen
Hauptbahnen12.84030.467318.934
Lokalbahnen 997 2.435 11.478

4. Verkehr.


In Frankreich wird zwischen Grand und Petit vitesse unterschieden. Ersterer Verkehr umfaßt Personen, Gepäck und Eilgut, letzterer den sonstigen Güterverkehr. Die verschiedenen Einnahmen bestehen wesentlich aus Wagenmiete, Omnibustransporten, Lager- und Zustreifungsgebühren, Nutzungen von Gras- und Baumpflanzungen; nicht eingerechnet sind unter dem Titel »Annexes« verbuchte Einnahmen aus dem Betrieb von Pacht- oder Lokalbahnen, Kohlengruben, Eisenwerken u.s.w.[184]

a) Hauptbahnen.

Die außerordentliche Verkehrsentwicklung auf den Hauptbahnen ist aus nachstehendem Vergleich mit den Vorjahren zu entnehmen:


BeförderteBeförderte
PersonenGüter
1855 32,941.471 10,645.282 t
186056,528.613 23,137.769 t
1865 81,533.061 34,024.436 t
1870102,597.839 37,065.775 t
1875131,311.803 58,931.733 t
1880165,105.603 80,773.680 t
1885214,450.555 75,192.276 t
1890241,118.706 92,505.918 t
1895348,852.096100,833.742 t
1900453,192.822126,829.723 t
1905443,008.314138,955.028 t
1907474,335.306156,504.353 t
1908479,396.165158,165.909 t
1909491,936.930165,027.920 t
1910508,558.187173,241.483 t

b) Lokalbahnen.

Auf den Lokalbahnen wurden befördert:


PersonenGüter
1880 9,095.9893,251.782 t
1885 7,846.2671,941.149 t
189010,441.2503,099.276 t
189521,065.0504,282.888 t
190026,724.8755,932.376 t
190534,457.9586,990.214 t
190738,016.5658,391.323 t
190839,043.8484,910.361 t
190940,639.1908,485.888 t
191042,767.9408,786.432 t

Es betrugen auf den Hauptbahnen:


Französische Eisenbahnen

5. Betriebsergebnisse.


Einnahmen.


a) Hauptbahnen.

Die Gesamteinnahmen stellten sich von 1845–1910 wie folgt:


Französische Eisenbahnen

Von den Hauptbahnen weist 1910 die höchste kilometrische Einnahme die Ceinture de Paris (rechtes und linkes Ufer) mit 328.599 Fr. auf, während die société générale des chemins de fer économiques die kleinste kilometrische Einnahme mit 3312 Fr. erzielte.

b) Lokalbahnen.

Die Gesamteinnahmen stellten sich für die Jahre 1880–1910 wie folgt:


Französische Eisenbahnen

[185] Ausgaben.


a) Hauptbahnen.

Die Gesamtausgaben betrugen:


f.d. kmIn % der
Fr.Fr.Einnahmen
1845 15,456.40517.66448∙4
1850 44,764.68915.35746∙8
1860 187,879.82320.49544∙9
1870 312,815.00720.12449∙3
1880 538,444.50023.32049∙8
1890 605,966.41318.20951∙4
1900 824,155.66521.62654∙3
1905 823,108.32920.78252∙2
19091.040,594.35925.83158∙7
19101.098,801.91127.14260∙1

b) Lokalbahnen.

Die Gesamtausgaben betrugen:


f.d. kmIn der % der
Fr.Fr.Einnahmen
188012,344.514586475∙9
189012,512.633415098∙1
190021,113.919460778∙5
190523,295.116339174∙5
190930,296.777367577∙6
191031,779.779364677∙7

Überschuß.


a) Hauptbahnen.

Der Gesamtüberschuß betrug:


f.d. km
Fr.Fr.
1845 16,468.311oder18.821
1850 50,853.479oder17.445
1860230,407.518oder25.135
1870321,200.394oder20.664
1880522,825.655oder22.644
1890547,651.859oder16.455
1900692,139.883oder18.162
1905754,139.675oder19.040
1909735,313.568oder18.253
1910731,139.959oder18.060

b) Lokalbahnen.

Der Gesamtüberschuß betrug:


f.d. km
Fr.Fr.
18803,924.875oder1865
18901,146.992oder455
19005,796.377oder1265
19058,168.770oder1192
19098,657.266oder1059
19109,115.975oder1046

In den Jahren 1911 und 1912 haben sich die Betriebsergebnisse der Hauptbahnen sehr günstig gestaltet. Dieselben stellen sich wie folgt (vgl. Colson im Journal des Transports).

Die Zunahme der Betriebseinnahmen der Hauptbahnen hat im Jahre 1912 rund 17 ½ Millionen Franken betragen. Diese Zahl setzt sich aus der Mehreinnahme von 28∙5 Millionen Franken, die die 5 großen Privatgesellschaften erzielt haben, und aus der Mindereinnahme von 11 Millionen zusammen, die auf das Staatsbahnnetz entfällt.

Die Betriebszahl ist infolge der Erhöhung der Betriebsausgaben (insbesondere für Gehälter, Löhne und Pensionen) überall gestiegen, bei den Privatbahnen aber seit 3 Jahren nur um 2∙1%, so daß sie dort im Jahre 1912 zwischen 54∙1% (Südbahn) und 61∙3% (Nordbahn) schwankte, also immer noch als niedrig anzusehen ist. Bei den Staatsbahnen dagegen hat sie sich im gleichen Zeitraum um 17∙1% erhöht und erreicht damit die Höhe von 93% (altes Netz) und 90% (Westbahnnetz).


Französische Eisenbahnen

Das Anlagekapital der Hauptbahnen wächst von Jahr zu Jahr in sprunghafter Weise. Im Jahre 1912 haben die für den Ausbau des Netzes und die Vermehrung[186] der Betriebsmittel erforderlichen Summen durch Anleihen in Höhe von rund 523 Millionen, von denen 349 auf die Privatbahnen und 184 auf die Staatsbahnen kommen, gedeckt werden müssen.


Die Hauptergebnisse des Betriebs in den Jahren 1907–1910 sind aus der Tabelle, S. 188, zu entnehmen.


6. Personal. Wohlfahrtseinrichtungen.


Ende 1910 waren auf den F. des europäischen Frankreichs beschäftigt:


Hauptbahnen:339.032Bedienstete
87.006Hilfsbedienstete
30.619Frauen.
Lokalbahnen: 13.737Bedienstete
1.335Hilfsbedienstete
2.076Frauen

Die Personalverhältnisse sind im allgemeinen nicht günstig und haben in den letzten Jahren zu einer lebhaften Bewegung unter den Bediensteten geführt. Ihre Hauptforderung bildete ein angemessenes Pensionsgesetz, ein Mindestlohn und außerdem eine Verbesserung der Lage der Staatsbahnbediensteten. Das Pensionsgesetz kam im Jahre 1909 (Ges. v. 27. Juli) zu stande, befriedigte aber die Bediensteten in keiner Weise. Obgleich die Verwaltungen auch mehrfach Zugeständnisse in betreff des Mindestlohnes gemacht hatten und weitere Verhandlungen in Schwebe waren, brach am 11. Oktober 1910 zunächst auf der Staatsbahn und der verstaatlichten Westbahn ein Ausstand aus. Infolge der scharfen Gegenmaßnahmen der Regierung flaute der Ausstand bald ab und am 18. Oktober war der regelmäßige Dienst wieder hergestellt. Nur die »Sabotage« dauerte noch lange fort. Zum Schutze gegen Wiederholung des Ausstands und der damit verbundenen Gewaltakte brachte der Ministerpräsident Briand im Jahre 1911 drei Gesetzentwürfe ein, von denen der eine für die Eisenbahner ein vollständiges Ausstandsverbot, zugleich aber auch Zusicherungen wegen schiedsgerichtlicher Einigung und Entscheidung bei Lohnstreitigkeiten, der zweite ein Verbot der Sabotage, der dritte Vorschriften zur Sicherung des Betriebs gegen Störung durch Verlassen des Postens u.s.w. enthielt.

Diese Entwürfe erlangten keine Gesetzkraft, dagegen erfolgte im Jahre 1912 der Erlaß eines »Statuts« über die Anstellung, Beförderung und Disziplin beim Personal der Staatsbahnen. In diesem ist ausgesprochen, daß bei gemeinsamem oder verabredetem Verlassen Disziplinarstrafen, sogar Entlassung durch den Direktor ausgesprochen werden kann. (Vgl. Disziplinarvorschriften.)

Bei den F. bestehen zugunsten des Personals Wohlfahrtseinrichtungen verschiedenster Art. Vor allem kommen Pensionskassen (Caisses de retraites) in Betracht, für die die französischen Hauptbahnen, ausschließlich der Staatsbahnen, im Jahre 1912 allein Beiträge in der Gesamthöhe von mehr als 85 Mill. Fr. geleistet haben. Außerdem leisten einzelne Bahnen namhafte Beiträge zu der Caisse national des retraites und zahlen sonstige Ruhegenüsse im Betrage von etwa 5 Mill. Fr., so daß die gesamte Pensionslast der französischen Privathauptbahnen jährlich etwa 90 Mill. Fr. beträgt. Die F. gewähren auch Beiträge zu »Caisses de prévoyance« und »Caisses de secours« und zu den »Sociétés coopératives« und unterhalten ferner auf ihre Kosten Schulen, Kinderbewahranstalten, Waisenhäuser, Sanatorien (Spitäler), Speiseanstalten u.s.w. Insgesamt betragen für das Jahr 1912 die Beitragsleistungen zu Wohlfahrtseinrichtungen sowie für sonstige humanitäre Zuwendungen an das Personal 121 Mill. Fr., d. s. 88% der an die Aktionäre im Jahre 1912 verteilten Gesamtdividende.

Ähnliche Einrichtungen bestehen auch bei den Staatsbahnen. Die Gesamtaufwendungen hierfür beliefen sich i. J. 1911 auf über 40 Millionen Fr., d.i. etwa 40% der ständigen Bezüge des Personals.


VI. Finanzielle Vorteile des Staats aus dem Eisenbahnbetriebe.


Von Interesse ist die in der französischen Statistik enthaltene Nachweisung der von den Eisenbahnen entrichteten Steuern und sonstigen Abgaben, sowie der sonstigen finanziellen Vorteile, die der Staat aus dem Betriebe der Eisenbahnen, teils auf Grund der cahiers des charges, teils auf Grund von Vereinbarungen mit den Gesellschaften zieht. Für das Jahr 1910 stellt sich diese Nachweisung wie folgt:






1. Transportsteuern: Steuer
von Personen- und Eilguttransport
(impôts sur les voyageurs et les
transports à grande vitesse) 74,181.848 Fr.
Stempel von Aufnahmscheinen
(récépissés) und Frachtbriefen 42,795.828 Fr.
116,977.676 Fr.
2. Steuern für Aktien und
Obligationen (Abonnement pour le
timbre des actions et obligations,
droit de transmission sur les titres,
impôt sur le revenu des valeurs
mobilières et taxe de 4% sur
les primes de remboursement
des titres amortis) 58,149.332 Fr.
3. Andere Steuern und Gebühren,
die von den Eisenbahnen entrichtet
werden (impôt sur la propriété
bâtie, patentes), Zölle für die von
den Bahnen verbrauchte Kohle
u.s.w. 15,647.221 Fr.
4. Finanzielle Ersparnisse des
Staates auf Grund der cahiers de
charges (Begünstigungen für die
Post, den Telegraphendienst,
Militär und Marine, freie
Beförderung der Zollorgane
u.s.w.)112,850.815 Fr.
5. Begünstigungen bei
Beförderung des Kriegsmaterials
(auf Grund freier Vereinbarungen) 2,170.532 Fr.
zusammen 305,795.576 Fr.
oder für 1 km7.553 Fr.

Für das Jahr 1900 stellte sich diese Summe auf nur 253,564.447 Fr. und für 1 km auf 6.654 Fr.[187]


Französische Eisenbahnen

[188] VII. Literatur: Pousoim, Examen comparatif de la question des chemins de fer en 1839 en France et l'étranger et de l'intervention du gouvernement dans la direktion et dans l'exécution des travaux. Paris 1839. – Barthelemy, Du meilleur système à adopter pour l'exécution des travaux publics en France et notamment des grandes lignes de chemins de fer. Paris 1839. – Cremier, Les chemins de fer français. Paris 1848. – Paignon, Traité juridique de la construktion, de l'exploitation et de la police des chemins de fer. Paris 1853. – Demeur, Les chemins de fer français. Paris 1860. – Perdonnet, Notions générales sur les chemins de fer, statistique, histoire, exploitation, accidents. Paris 1862. – Lavollé, Les chemins de fer en France, constitution du réseau, exploitation, résultats. Paris 1866. – Jacquemin, De l'exploitation des chemins de fer. Paris 1867. – Cotelle, Législation frangaise des chemins de fer. Paris 1867. – Aucoc, Des moyens employés pour constituer le réseau des chemins de fer français et en particulier des conventions relatives à la garantie d'intérêt et au partage des bénéfices. Paris 1874. – Dietz Monin, Rapport fait à l'assemblée nationale sur le régime général des chemins de fer. Paris 1874. – Nördling, Über die zur Entwicklung des französischen Eisenbahnnetzes angewendeten Mittel und insbesondere die Verträge, betreffend die Staatsgarantie und die Teilung des Reinerträgnisses (Aucoc). Wien 1875. – Baum, Résultats de l'exploitation des chemins de fer français. Lille 1877. – Briée, Rapport fait à la chambre des députés: 1. Le projet de loi relatif aux voies ferrées établies sur les voies publiques; 2. Le projet de loi relatif aux chemins de fer d'intérêt local. Paris 1879. – v. d. Leyen, Die Eisenbahnfrage in Frankreich. Preußische Jahrbücher. XL (1878). S. 28 ff. – Derselbe, Die Eisenbahnfrage in Frankreich, Glasers Ann. 1883, Bd. XII, Nr. 142. – Derselbe, Die neuen Verträge der französischen Regierung mit den sechs großen Eisenbahngesellschaften in Schmollers Jahrbuch. 1884, S. 116 ff. – Lejeune, La question des chemins de fer devant le parlement en 1882. – Picard, Les chemins de fer français. 6. Bd., Paris 1884, 1885. – Picard, Traité des chemins de fer. 4. Bd., Paris 1887. – Humbert, Traité complet des chemins de fer. Paris 1891. – Colson, Transport et Tarifs, Abrogé de la législation des chemins de fer et tramways. Paris 1890. – Kaufmann, Die Eisenbahnpolitik Frankreichs. Stuttgart 1896. – Godet Adrien, Recueil de la législation des chemins de fer d'intérêt général. Paris 1903. – René Thévenez, Législation des chemins de fer et des tramways. Paris 1909. – Colson, Die Verstaatlichung der französischen Westbahn. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb. Januar 1909. – Colson, Die Kleinbahnen und die Überland-Straßenbahnen in Frankreich. Bulletin d. Int. Eis.Kongr.-Verb. April 1909. – Colson, Betriebsergebnisse der französischen Eisenbahnen (Betrachtungen über Transportfragen). Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.Verb. Okt. 1908, Nov. 1909, Februar 1912, August 1912, Dezember 1912. – Bloch, Les chemins de fer français 1905–1910. Rev. gén. de chemins de fer 1911. S. 153–179. – P. Blank, Cahiers de charges des compagnies de chemins de fer. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb. November 1912. – Sapin, Les voies ferrées d'intérêt local en France. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb. Juni 1912. – Marlio, Mazerat, Vergniaud et Godfernaux, Voies ferrées. 2 Bd. Paris 1912. – Vict. Mittre, Traité de Droit commercial des chemins de fer. Paris 1912. – Schander, Die Eisenbahnpolitik Frankreichs in Nordafrika. Jena 1913.

Schoeller.

Tafel I.
Tafel I.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 167-189.
Lizenz:
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