[906] Juden, Name der Israeliten (s. Israel) oder Hebräer, die aus dem Babylon. Exil seit 536 v. Chr. nach Palästina zurückgekehrt, 521-516 den Tempel wieder ausbauten und, meist dem Stamme Juda (s.d.) angehörig, zunächst eine religiöse Kurtgemeinde bildeten, die der Grundstock der jüd. Nation und Konfession der ganzen Folgezeit wurde. Durch Esra und Nehemia (458-444) auf Grund des Priesterkodex organisiert, wurde die Gemeinde ein Priesterstaat, der bis 331 den Persern, dann den Mazedonien, seit 301 den Ägyptern untertan war. Seit 174 von den Seleukiden, den syr. Königen, hart bedrückt, befreiten sich die J. 167-164 unter dem Heldengeschlecht der Makkabäer und erkannten dieses als herrschende Königs- und Hohepriesterdynastie an. Johannes Hyrkanus (135-105 v. Chr.) erweiterte das Gebiet durch Eroberungen in Samaria und Idumäa, doch schon unter seinen Enkeln Hyrkanus II. und Aristobulus ward es nach der Einnahme Jerusalems durch Pompejus (63 v. Chr.) von Rom abhängig. 37 v. Chr. eroberte Herodes als Gegenkönig gegen den Makkabäer Antigonus, von den Römern unterstützt, Jerusalem und herrschte bis 4 v. Chr.; sein Sohn Archelaus ward 8 n. Chr. abgesetzt, Judäa zu Syrien geschlagen und von röm. Landpflegern verwaltet. Die durch die Willkürherrschaft der Römer hervorgerufene Empörung (66) endete mit der Eroberung Jerusalems durch Titus (70) und Zerstreuung der J. in alle Länder; ihr letzter Aufstand in Palästina unter Bar Kochba (135) ward blutig unterdrückt und ihnen der Aufenthalt in Jerusalem untersagt. Im heidn. Römerreich geduldet, wurden sie seit dem Siege des Christentums durch Edikte und Konzilienbeschlüsse eingeschränkt, im Byzant. Reich von allen Ämtern ausgeschlossen und zu Auswanderungen nach Rußland gezwungen. In den german. Reichen des beginnenden Mittelalters wurden sie mild behandelt, und von den Verfolgungen der spätern (kath.) Westgoten in Spanien befreite sie der eindringende Islam (711), unter dessen Regiment sie eine hohe Blütezeit erlebten. In Deutschland waren sie als sog. Kammerknechte Eigentum des Kaisers und dadurch vielfach geschützt, wenn auch zu hohen Abgaben gezwungen. Erst mit Beginn der Kreuzzüge wurde ihre Lage gefährlich. Harte Verfolgungen begannen in Frankreich und Deutschland durch das fanatisierte Volk, bes. bei Gelegenheit des Schwarzen Todes (1348-50). Die Überlebenden wurden durch Verweisung in abgesonderte Wohnstätten, Zwang zu besonderer Kleidung, Versagung von Bürgerrecht, Grundbesitz, als Auswurf gekennzeichnet, zum Schacher und Wucher genötigt und dadurch dem Haß und der Verachtung preisgegeben. In England wurden sie 1290 ausgewiesen. Am schlimmsten war der Umschlag in Spanien seit der Vertreibung der Mohammedaner und der Entwicklung des Reichs zur kath. Vormacht. Vornehmlich der zwangsweise bekehrten J. wegen wurde hier 1481 die Inquisition eingeführt, und nach Eroberung Granadas (1492) wurden sie gänzlich vertrieben; ebenso in Portugal (1493). Sie flüchteten meist nach Holland und England. Erst in neuerer Zeit ist die bürgerliche Gleichstellung der J. in den meisten Ländern durchgedrungen; so in Frankreich bereits durch die Revolution (1791) ihnen zugesprochen, durch die Verfassungen von 1814 und 1830 und durch das Gesetz von 1831 vollendet. In England erhielten sie 1723 das Recht zur Erwerbung von Grundeigentum, 1833 Zulassung zur [906] Advokatur, 1845 zur Aldersmanswürde, 1858 zum Parlament. In Deutschland, wo trotz des von Karl V. ihnen gewährten Reichsschutzes (1530 und 1541) noch Verfolgungen vorkamen und die unduldsamen Schutzprivilegien und Judenordnungen neben einzelnen Vergünstigungen fordauerten, machte sich erst durch die Aufklärungsbewegung des 18. Jahrh. und das Auftreten Moses Mendelssohns und Lessings ein Umschwung zugunsten der J. geltend. Doch wurde erst 1803 der Leibzoll aufgehoben, und erst seit 1808 erfolgte ihre allmähliche Emanzipation (preuß. Edikt vom 11. März 1812), die nach mehrfachen Rückschritten (seit 1814 und nach 1848) durch die Gesetzgebung des Deutschen Reichs (seit 1871) durchgeführt ist. Den meisten Beschränkungen sind sie noch in Rußland unterworfen. Die Zahl aller J. wird jetzt auf 71/2 Mill. geschätzt (in Deutschland 1900: 586.833; s. Beilage: ⇒ Deutschland). – Vgl. Geschichte der J. von Jost (3 Bde., 1857-59), Graetz (11 Bde., 1853-76 u.ö.; Volksausg., 3 Bde., 1887-89), Geiger (3 Bde., 1865-71), Bäck (2. Aufl. 1894), Brann (2 Bde., 2. Aufl., 1896-99).