Betonbrücken [1]

[734] Betonbrücken, Brücken, deren Gewölbe aus Stampfbeton hergestellt ist. Pfeiler und Widerlager sind dann in der Regel ebenfalls aus Beton aufgeführt.

Die Herstellung von betonartigem Mauerwerk war bereits den Römern bekannt und verwendeten sie Puzzolanerdebeton außer zu Fundierungen (Aquädukt »Pont du gard« bei Nîmes) vornehmlich zu Gewölben (Bäder des Diokletian, Pantheonkuppel u.a.). Der große Aufschwung des Betonbaues und dessen Anwendung auf Brücken datiert jedoch erst aus der neuesten Zeit und hängt mit der Entwicklung der Portlandzementindustrie zusammen. Von Südfrankreich (Brückenbauten bei Grenoble) ausgehend, hat gegenwärtig der Betonbrückenbau in allen Ländern Verbreitung gefunden und haben in Deutschland namentlich Bayern, Württemberg und Sachsen, dann aber auch Italien und Nordamerika die bedeutendsten Ausführungen von Betonbrücken aufzuweisen. Da der Preis des Betons in dem für Gewölbe anzuwendenden Mischungsverhältnisse (1 Teil Portlandzement auf 5–8 Teile Sand und Schotter) pro 1 m3 im allgemeinen ein höherer in als der von Bruchsteinmauerwerk, so ist mit der Anwendung von Betongewölben bei Brücken nur dann ein ökonomischer Vorteil zu erzielen, wenn in den Gewölbstärken gespart werden[734] kann. Dies erscheint auch nach den Ergebnissen der bisher mit Gewölben aus verschiedenem Materiale angestellten Belastungsversuche [1] zulässig, wenn dem Gewölbe eine günstige, der Stützlinie möglichst angepaßte Bogenform gegeben wird; es wird sich jedoch bei Betonbrücken von größerer Spannweite, namentlich bei nicht ganz sicherem Baugrund und auch mit Rücksicht auf die unvermeidlichen Senkungen des Lehrgerüstes besonders empfehlen, eine gewisse Beweglichkeit der Bogenanläufe herzustellen, also die Gewölbe als Bogen mit wenn auch unvollkommenen Kämpfergelenken auszuführen, um ohne beträchtliche Verstärkung des Kämpfers wie bei andern Gewölben das Entstehen von Rissen daselbst zu verhüten. Zu diesem Zwecke wurden bei den anfänglichen Ausführungen (Straßenbrücke über die Westrach bei Erbach in Württemberg, 32 m Spannweite, 4 m Pfeilhöhe, 0,5 m Scheitelstärke) in die Kämpferfugen zwischen Widerlager und Gewölbe, und auch im Scheitelschluß Asphaltplatten eingelegt, welches Mittel auch derzeit noch bei kleineren Gewölben Anwendung findet und als ausreichend betrachtet wird [2]; bei späteren Ausführungen, so bei der Donaubrücke bei Rechtenstein (zwei Oeffnungen von je 23 m Spannweite, 2,5 m Pfeilhöhe, 65 cm Scheitelstärke), bei der Neckarbrücke zwischen Gemmrigheim und Kirchheim (drei Oeffnungen zu je 38 m) u.a. wurden in den Kämpfern und am Scheitel Bleiplatten eingelegt [3], jedoch will man die Erfahrung gemacht haben, daß Blei in Berührung mit Zement eine chemische Veränderung erleidet. Bei der letzterwähnten Brücke liegen die Bleiplatten zwischen Sandsteinquadern; sie sind 20 mm dick und bloß 15 cm breit, so daß die Druckübertragung dadurch auf eine schmale Fläche beschränkt bleibt. Da die Quetschgrenze des harten Bleies zwischen 300 bis 400 kg cm2 gelegen ist, so können diese Bleieinlagen unbedenklich mit 120–140 kg/cm2 beansprucht werden. Sie brauchen auch nur während des Ausrüstens zu funktionieren; nach erfolgtem Setzen des Gewölbes werden die offen gebliebenen Fugen mit Zementmörtel ausgegossen. Es sind aber bei den Betonbrücken in gleicher Weise wie bei den übrigen gewölbten Brücken auch vollkommenere Gelenke sowohl in Eisen wie in Stein zur Ausführung gekommen, die unter »Brücken, steinerne« näher besprochen werden. Für die Ausführung der Betongewölbe sind dieselben Regeln wie für alle andern Bauten in Stampfbeton maßgebend. Auf gutes Verdichten und Stampfen des aufgebrachten Betons ist genügende Sorgfalt zu verwenden. Der Beton wird entweder in erdfeuchtem oder in sogenanntem plastischen Zustande verwendet. Ersterer hat im Mittel etwa 3–4%, letzterer 5–6% Wasserzusatz. Die Frage, ob die eine oder andre Verwendungsart vorzuziehen ist [7], erscheint nicht endgültig entschieden und ist auch nicht allgemein zu beantworten. Dasselbe gilt auch bezüglich der Verwendung von Rund- oder Schlägelschotter zur Betonbereitung. Kleinere Gewölbe können in einem Zuge betoniert werden, wobei lagenweises Aufbringen und Stampfen des Betons in 15–20 cm hohen Schichten stattfindet. Bei größeren Gewölben ist aber eine solche Ausführungsweise (s. Corneliusbrücke in München) nicht empfehlenswert, weil sie ununterbrochene Tag- und Nachtarbeit bedingt und weil der Beton in den übereinander liegenden Schichten nicht ruhig abbinden kann, sondern durch das Feststampfen der folgenden Schichten hierin gestört wird. Hier wird man das Gewölbe in seiner ganzen Stärke in Querstreifen betonieren, die radial abgeschält und symmetrisch über den Bogen verteilt sind; nach Wegnahme der Schalung werden dann die verbliebenen Zwischenräume ausgedampft. Oder man wird bloß von den Kämpfern ausgehend, bei gleichzeitiger Belastung des Lehrgerüstscheitels, in jeder Tagespartie das Gewölbe in seiner ganzen Stärke bis zu einer radial aufgestellten Schalung ausführen und bei Wiederaufnahme der Arbeit nach Wegnahme dieser Schalung durch Aufrauhen der Betonfläche eine Bindung der neuen Betonauftragung zu erzielen suchen. Die derzeit größte Betonbrücke ist die von Leibbrand 1893 erbaute Straßenbrücke über die Donau bei Munderkingen [4]. Dieselbe hat einen Bogen von 50 m sichtbarer Weite und 5 m Pfeilhöhe; im Scheitel und in den Kämpfern des Gewölbes befinden sich stählerne Gelenkeinlagen. Da die Brücke schief ist, so sind die Gelenke nicht in einem Stück auf die ganze Gewölbbreite von 7,5 m durchgehend, sondern sie bestehen aus je zwölf gegeneinander etwas versetzten Stücken von je 0,5 m Länge. Die Gewölbstärke beträgt im Scheitel 1 m, in den Kämpfern 1,10 m, dazwischen ist sie, dem größten Ausweichen der Stützlinie bei einseitiger Belastung des Bogens entsprechend, im Viertel der Spannweite auf 1,40 m vergrößert. Die Bogenzwickel erhielten Spandrillräume und sind, um Bewegungen zu ermöglichen, zwischen den Stirn- und Zungenmauern einerseits und den rückwärtigen Abschlußmauern anderseits lotrechte Schlitze belassen worden Nach erfolgtem Ausschalen des Bogens wurden die eisernen Gelenke des Rostschutzes wegen mit Zementmörtel sorgfältig ausgefüllt. Weitere Beispiele großer Betonbrücken sind die Coulouvrenièrebrücke in Genf (40 m Stützweite, Gelenke ähnlich der Munderkinger Brücke), die Brücke zu Inzigkofen, Württemberg (43 m Stützweite, eiserne Zapfengelenklager), die Isarbrücken in München (Reichenbachbrücke 41 m [5], Corneliusbrücke 38 m u.a. [6]), die Flutöffnungen der neuen Eisenbahnbrücke in Dresden (mit Köpckeschen Steingelenken) u.a. Auch unter Eisenbahnen sind Betongewölbe bei Durchläsen und Brücken bereits mehrfach (bayrische und sächsische Staatsbahnen, österreichische Nordbahn) zur Anwendung gekommen. Für die Wahl der zulässigen Beanspruchung des Betons in den Brückengewölben ist einerseits die Druckfestigkeit des verwendeten Betons, anderseits die Genauigkeit und Verläßlichkeit der Rechnungsgrundlagen maßgebend. Ueber die Betondruckfestigkeit Hegen zahlreiche Versuchsziffern vor (s.u.a. [7]). Man kann hiernach bei sorgfältig, aus guten Materialien und im üblichen Mischungsverhältnis 1 : 5 bis 1 : 6 bereiteten Beton nach 28 tägiger Lufterhärtung auf eine durchschnittliche Druckfestigkeit (beobachtet an Würfeln von 20–30 cm Seitenlänge) von etwa 250 kg cm2 rechnen, und diese Festigkeit erhöht sich nach 100 Tagen auf etwa 300–350 kg/cm2. Werden bei der Berechnung der im Gewölbe auftretenden Spannungen alle ungünstigen Lasteinwirkungen gehörig berücksichtigt, so gewährt bei obigen Festigkeitsziffern die Annahme einer größten Druckbeanspruchung des Betons von 35 kg/cm2 vollkommen ausreichende Sicherheit, ja man wird unter den obigen Voraussetzungen selbst Randpressungen bis zu 50 kg/cm2 noch als zulässig bezeichnen müssen. Zugspannungen in nicht armierten Betongewölben[735] werden aber wegen der geringen Zugfestigkeit des Betons (vgl. S. 733) nur in lehr beschränktem Maße (bis zu etwa 3 kg/cm2) zuzuteilen, besser jedoch ganz zu vermeiden sein.

Ueber die Betonbrücken mit Eiseneinlagen s. Betoneisenbrücken und Betoneisenkonstruktionen.


Literatur: [1] Deutsche Bauzeitung 1879, S. 358; 1881, S. 580; Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens, 1882, S. 44; Schweizer. Bauzeitung 1883, II, S. 127; Versuche mit Gewölben aus verschiedenem Materiale, 1891–93, durchgeführt vom österreichischen Ingenieur- und Architektenverein (in der Veröffentlichung begriffen). – [2] Protokoll der Verhandlungen des Vereins deutscher Portlandzementfabrikanten 1893, Berlin 1893; Deutsche Bauzeitung 1892, S. 496 und 513. – [3] Zeitschrift für Bauwesen 1893, S. 439. – [4] Deutsche Bauzeitung 1894, S. 15; Schweizerische Bauzeitung 1894, S. 22; Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architektenvereins 1894, S. 461; Zeitschrift für Bauwesen 1894, 10.–12. Heft. – [5] Zeitschrift Beton und Eisen 1904, 1. Heft. – [6] Desgl. 1903, 5. Heft. – [7] Bach, Mitteilungen über die Versuche zu Ehingen und Biebrich, Stuttgart 1903.

Melan.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 734-736.
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