[537] Sachbeschädigung, die vorsätzliche oder fahrlässige, gegen den Willen des Eigentümers verübte Beschädigung oder Zerstörung einer in fremdem Eigentum stehenden Sache durch eine rechtswidrige, die Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigende oder aufhebende Verletzung der Sachsubstanz.
Strafbar ist nur die vorsätzliche Sachbeschädigung. Objekte der Sachbeschädigung sind körperliche, d.h. feste, flüssige oder gasförmige, ferner bewegliche oder unbewegliche Sachen (auch Tiere), also nicht Forderungs-, Eigentums- u.s.w. Rechte und nicht der menschliche Leib. Subjekt der Sachbeschädigung ist im Hinblick auf die kriminelle Seite jeder strafmündige Mensch, Reichsstrafgesetzbuch § 55 und 56; hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen (Schadenersatz, s. unten) jeder Geschäftsfähige (B.G.B. § 104, 827 ff.).
Die Sachbeschädigung wird begangen durch Beschädigung oder Zerstörung der Sachsubstanz, z.B. durch Schmelzen von Eis; Ausströmenlassen von Gas oder Wein; Beschmutzen von Textilstoffen; Werfen eines Buches in das Wasser; bei Maschinen unter Umständen durch Trennung der einzelnen Teile voneinander oder durch Aufhebung ihres funktionellen Zusammenwirkens; Ausheben eines Wegweisers oder eines Wasserstandsmerkmals; Nichtfüttern eines in Pflege genommenen Tiers u.ä.m.; nicht z.B. durch Fliegenlassen eines Vogels; Werfen eines goldenen Bechers ins Meer; auch nicht durch Verbrauchen einer Sache ihrer wirtschaftlichen Bestimmung gemäß, z.B. Abbrennen von Feuerwerk (Diebstahl! St.G.B. § 242 ff.).
Daß die Sachbeschädigung eine Wertverminderung mit sich bringe, ist nicht erforderlich: Raffael zum Beispiel, als er seine Madonna della Sedia auf den fremden Faßdeckel malte, wäre[537] in Deutschland wegen Sachbeschädigung straffällig gewesen; oder: der Verkäufer einer fehlerhaften Sache beseitigt den Mangel an der dem Käufer bereits übergebenen Sache und vermindert so deren Brauchbarkeit als Augenscheinsobjekt im Prozeß. Die Vornahme einer Reparatur gegen den Willen des Eigentümers einer Sache ist objektiv Sachbeschädigung; es wird aber wohl immer am bösen Vorsatz des Täters fehlen.
Die Sachbeschädigung muß eine rechtswidrige sein; dieses Merkmal fehlt, wenn z.B. der Eigentümer einwilligt, wenn der Täter in erlaubter Selbsthilfe, in Notstand oder Notwehr handelt u. ä. m., s. St.G.B. § 5154, B.G.B. § 227231, 859, 904, wo aber unter Umständen trotzdem eine Schadenersatzpflicht statuiert ist. Die Sachbeschädigung muß, um schadenersatzpflichtig zu machen, vorsätzlich oder fahrlässig verübt sein, zur Strafbarkeit ist vorsätzliche Begehung erforderlich.
Das Reichsstrafgesetzbuch (neben welchem landesrechtliche Bestimmungen nur in Sachen der Forst- und Feldpolizei in Betracht kommen) behandelt die Sachbeschädigung in den §§ 303305, zu denen noch die Spezialfälle der §§ 133, 274 (Urkundenbeschädigung, durch Beamte § 348), 134 (Beschädigung von öffentlich angeschlagenen amtlichen Bekanntmachungen u.s.w.); 135 (von Staatshoheitszeichen), 136 (von amtlich angelegten Siegeln), 137 (von gepfändeten Sachen, Sogenannter Verstrickungsbruch), 168 (Grabschändung), 315, 316 (Eisenbahntransportgefährdung), 317318 a (Beschädigung von Telegraphen-, Rohrpost- und Fernsprechanlagen), 321 (von Wasserleitungen, Schleusen, Wehren, Dämmen, Brücken, Wegen, von Vorrichtungen zur Wasserhaltung oder Wasserführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter in Bergwerksbetrieben), 322 (von Feuerzeichen u. ä. im Schiffsverkehr) und endlich 370, Ziff. 1 (unbefugtes Abpflügen und Abgraben) und Ziff. 2 (unbefugtes Graben von Erde, Steinen, Rasen, Lehm, Sand, Mergel, Mineralien u.s.w.) treten.
§ 303 bedroht die vorsätzliche und rechtswidrige Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache mit Geldstrafe von 3 ℳ. bis zu 1000 ℳ. oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu zwei Jahren; auch der Versuch der Sachbeschädigung wird bestraft. Die Strafverfolgung tritt aber nur ein, wenn der durch die Tat unmittelbar Betroffene (also der Eigentümer, der Mieter, der Entleiher, der Käufer, wenn ihm die Sache bereits übergeben war u.s.w.) beim Amtsgericht oder bei der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei den Behörden oder Beamten des Polizei- oder Sicherheitsdienstes (Gendarmen) schriftlich binnen drei Monaten, seit er von der Sachbeschädigung und von der Person des Täters Kenntnis erhielt, »Strafantrag« stellt. Gehört der Täter zu den Verwandten oder Verschwägerten auf- oder absteigender Linie, Adoptiv- oder Pflegeeltern oder -kindern, Geschwistern oder deren Ehegatten des Antragsberechtigten, ist er dessen Ehegatte oder Verlobter, so kann der Strafantrag jederzeit bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zurückgezogen werden; die Zurücknahme hat aber zur Folge, daß der Antragsteller die Kosten zu tragen hat.
Unter strengere Strafe stellt der 304 die Beschädigung oder Zerstörung der sogenannten res sacrae, religiosae, publicae, als da sind: Gegenstände der Verehrung einer Religionsgesellschaft oder solche, welche dem Gottesdienst gewidmet sind, Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Gegenstände der Kunst oder Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in dem Publikum offen stehenden Sammlungen aufbewahrt oder sonst öffentlich aufgeteilt sind, Gegenstände, die zum Nutzen des Publikums oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, z.B. Bäume, Bänke, Laternen, Automaten. Auch hier ist der Versuch strafbar. Einerlei ist, in wessen Eigentum die in § 304 aufgezählten Gegenstände stehen; auch ihr Eigentümer kann Täter nach § 304 sein. Die Verfolgung ist von einem Strafantrag nicht abhängig. Die Strafandrohung geht auf Gefängnis von einem Tag bis zu drei Jahren oder Geldstrafe von 3 ℳ. bis zu 1500 ℳ.; neben einer Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten kann auch Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 15 Jahre ausgesprochen werden.
Wer ein in fremdem Eigentum stehendes Gebäude oder Schiff, Brücke, Damm, Straße, Eisenbahn oder ein andres Bauwerk (d.h. die nach den Regeln der Baukunst vorgenommene und mit dem Boden dauernd verbundene Zusammenfügung von Baumaterialien) ganz oder teilweise zerstört, wird nach § 305 mit Gefängnis von einem Monat bis zu fünf Jahren bestraft, ohne daß es eines Strafantrags bedürfte; der Versuch ist strafbar. Wird aber durch eine solche Handlung eine Gefahr für den Eisenbahntransport oder für Leben und Gesundheit andrer herbeigeführt, so kommen die strengeren Strafen der §§ 315, 321 zur Anwendung.
Wo die Beschädigung von Sachen begriffsnotwendig zum Tatbestand einer andern strafbaren Handlung gehört, z.B. beim Einbruchsdiebstahl, bei der Brandstiftung u.a., so wird natürlich erstere nicht noch besonders neben der letzteren bestraft.
Jede vorsätzlich oder fahrlässig verübte Sachbeschädigung verpflichtet den Täter zum Schadenersatz, B.G.B. § 823, d.h. in erster Linie zur Herstellung des Zustands, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, B.G.B § 249. Wenn der Betroffene Ersatz in Geld fordert, wenn die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Forderungsberechtigten nicht genügend wäre, muß der Ersatzpflichtige denselben in Geld entschädigen; der Ersatzpflichtige darf dies tun, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist, B.G.B. 251. Die Regel wird Schadenersatz in Geld sein.
Wer Schadenersatz in Geld zu leisten hat, muß den Schaden ersetzen, welchen der Betroffene objektiv erlitten hat; es muß also überhaupt ein Schaden entstanden und dieser Schaden muß nach objektivem Maßstab (also nicht nach reiner Liebhabertaxe) ermittelbar sein und in Zahlen ausgedrückt werden können. Ist eine Sache zerstört worden, so ist ihr Wert zu vergüten, der durchaus nicht notwendig mit ihrem Preis übereinstimmen muß; war die Sache alt, so kann nicht der Wert einer neuen gefordert werden. Den Wert der noch vorhandenen Materialien einer zerstörten Sache muß der Ersatzberechtigte auf seine Forderung sich nicht anrechnen lassen,[538] wohl aber ist er verpflichtet, die für ihn wertlos gewordene Sache auf Verlangen dem Schadenersatzpflichtigen zur Verwertung der noch verwendbaren Materialien zur Verfügung zu stellen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt eine Reihe von Fällen, wo neben dem Täter oder an Stelle desselben Dritte für den angerichteten Schaden ersatzpflichtig sind, so in erster Linie der Prinzipal; steht der Prinzipal mit dem Eigentümer der beschädigten Sache in einem Vertragsverhältnis und rüstet der Angestellte bei Erfüllung der Verbindlichkeit seines Prinzipals Schaden, so haftet letzterer neben dem (zahlungsfähigen?) Angestellten auf Ersatz des ganzen Schadens, B.G.B. 278. Beispiel: ein Spediteur übernimmt einen Umzug; bei Ausführung desselben beschädigt ein Packer des Spediteurs vorsätzlich oder fahrlässig ein Möbelstück des Auftraggebers. Stiftet ein Angestellter einem Dritten, mit welchem der Prinzipal nicht in vertraglichen Beziehungen steht, an seinen Sachen Schaden, so muß der Prinzipal gleichfalls Ersatz leisten; er kann sich aber hievon befreien dadurch, daß er sich von dem Betroffenen einklagen läßt und dann im Prozeß den Nachweis führt, er, der Prinzipal, habe bei der Auswahl seiner Angestellten, bei der Beschaffung der erforderlichen Gerätschaften oder bei der Leitung der Ausführung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet, B.G.B. § 831. Beispiel: der Möbelwagenführer reißt vorsätzlich oder fahrlässig eine städtische Straßenlaterne um. Näheres s. Haftpflicht.
Kinder unter lieben Jahren und Bewußtlose sind für den Schaden, den sie einem andern zufügen, nicht verantwortlich, B.G.B. § 827, 828, Minderjährige nur nach Maßgabe des § 828, Abs. 2. Haben über solche Personen Dritte kraft Gesetzes (z.B. Eltern, Vormünder, Lehrherrn) oder auf Grund eines Vertrags (z.B. Erzieher, Lehrer, Irrenwärter u.s.w.) die Aufsicht zu führen, so haften diese Aufsichtspflichtigen für Schadenersatz, wenn sie nicht den Nachweis erbringen, daß sie ihrer Pflicht genügt haben oder der Schaden trotz gehöriger Aufsicht entstanden wäre, B.G.B. § 832. Uebrigens fällt die Aufsicht über Volljährige, wie sie im Hauswesen, im Verhältnis des Dienstherrn zum Gesinde, des Prinzipals zum Angestellten vorkommt, nicht unter § 832 (vgl. aber die oben behandelten §§ 278, 831). Kann Schadenersatz von einem aufsichtspflichtigen Dritten nicht erlangt werden, so kann Ersatz auch von dem nach § 827, 828 nicht Verantwortlichen verlangt werden, wenn die Billigkeit dies erfordert und demselben nicht die zum standesmäßigen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichtigen (gegen Kinder u.s.w.) erforderlichen Mittel entzogen werden, B.G.B. § 829.
Haben mehrere die Sachbeschädigung gemeinschaftlich begangen oder war einer der Anstifter und ein andrer der Täter, so haftet dem Beschädigten jeder einzelne für den vollen Ersatz des angerichteten Schadens; das gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, B.G.B. § 830. Unter sich können dann die mehreren Schadenersatzpflichtigen den Ausgleich nach § 840, 426 B.G.B, treffen.
Wer Schadenersatz in Geld zu leisten hat, muß die Ersatzsumme mit 4% verzinsen, B.G.B. § 849, 246. Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt ab, wo der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, unter allen Umständen aber in dreißig Jahren, B.G.B. § 852.
Literatur: Die Kommentare zum Reichsstrafgesetzbuch von Olshausen und Frank; die Strafrechtslehrbücher von Meyer und Liszt; die Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch zur Lehre vom Schadenersatz, von Plank und Staudinger.
Sick.
Buchempfehlung
Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro