Auer

[80] Auer, 1) Aloys, Ritter von Welsbach, Buchdrucker, geb. 11. Mai 1813 zu Wels in Oberösterreich, gest. 10. Juli 1869 in Wien, wurde 1837 in Linz Lehrer der italienischen Sprache und 1841 Direktor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, die unter seiner Leitung zu einem der großartigsten Institute dieser Art erblühte. A. erhielt daher auch die Oberleitung der Ärarialpapierfabrik Schlöglmühl bei Gloggnitz und 1862 die der k. k. Porzellanfabrik, die er bis 1864 führte. 1868 trat er in den Ruhestand. A. förderte die Erfindung des Naturselbstdrucks (»Die Entdeckung des Naturselbstdrucks«, Wien 1854), suchte die Fasern der Maispflanze zum Spinnen und Weben, deren Abfälle aber zu Papier zu verwerten und veröffentlichte: »Sprachenhalle, oder das Vater Unser in 608 Sprachen und Mundarten, mit lateinischen Typen« (Wien 1844); »Das Vater Unser in 206 Sprachen mit den nationalen Schriftzeichen« (das. 1847); »Typenschau des gesamten Erdkreises« (das. 1845); »Das typometrische System in allen seinen Buchstabengrößen und Gestalten« (3 Tafeln, das. 1845); »Geschichte der Wiener Hof- und Staatsdruckerei« (das. 1851); »Der polygraphische Apparat der Wiener Hof- und Staatsdruckerei« (das. 1853); »Grammatischer Atlas, oder theoretisch-tabellarische Darstellung aller nach Stämmen geordneten Sprachen des Erdkreises« (das. 1854); »Beiträge zur Geschichte der Auer« (2. Aufl., das. 1862). Ein von A. verfaßtes Werk »Anfang und Ende meines Dienstlebens« wurde auf Befehl der österreichischen Regierung vor dem Erscheinen vernichtet.

2) Leopold, Violinspieler, geb. 28. Mai 1845 zu Veszprim in Ungarn, erhielt seine musikalische Ausbildung am Pester Konservatorium, dann auf dem Konservatorium zu Wien und genoß zuletzt noch in Hannover den Unterricht Joachims. 1863–65 wirkte er als Konzertmeister in Düsseldorf, 1866–67 in Hamburg und ging 1868 nach Petersburg als Soloviolinist des Kaisers und Violinprofessor am Konservatorium. 1887–92 war A. Dirigent der Symphoniekonzerte der Kaiserlich russischen Musikgesellschaft. A. zählt zu den hervorragendsten Violinspielern klassischer Richtung.

3) Ignaz, sozialdemokratischer Politiker, geb. 19. April 1846 in Dommelstadt bei Passau, erlernte 1859 bis 1863 das Sattlerhandwerk und schloß sich in München der sozialistischen Arbeiterpartei an. 1877–78, 1880–87 und seit 1890 war er Mitglied des deutschen Reichstags. Als Mitglied des Vorstandes der sozialdemokratischen Partei vertrat er den Grundsatz unbedingter Unterordnung unter jenen und bekämpfte auf den Parteitagen alle Sonderbestrebungen. Zur Zeit wohnt er in Berlin.

4) Hans, schweizer. Architekt, geb. 26. April 1847 in Wädenswil, studierte seit 1864 auf dem Polytechnikum in Zürich vornehmlich unter Semper, Lübke und Fr. Vischer, erhielt 1867 das Diplom als Architekt und war dann eine Zeitlang am Stadtbauamt in Schaffhausen tätig. 1869 ging er nach Wien, wo er in das Meisteratelier von Th. Hansen eintrat, dem er zehn Jahre lang als Assistent an der Akademie der bilden den Künste und als Bauleiter des Reichsratsgebäudes zur Seite stand. Dann wurde er als Professor an der k. k. Staatsgewerbeschule angestellt. 1885 ging er aus einem Wettbewerb für ein neues eidgenössisches Verwaltungsgebäude und ein Parlamentshaus in Bern als Sieger hervor, und 1888 ging er nach Bern, wo er zunächst das Verwaltungsgebäude errichtete. 1890 wurde er zum Professor der Architektur und Plastik an der Universität ernannt. In der Folge entwarf er die Pläne zu den Postgebäuden in Solothurn und Liestal und zu dem Verwaltungsgebäude der Gotthardbahn in Luzern. Im Frühjahr 1894 wurden sodann die Arbeiten für den die beiden bisherigen Bauten der Bundesversammlung verbindenden Mittelbau nach seinen Plänen begonnen. Die Vollendung des gewaltigen Monumentalbaues, der sich an die Formen der italienischen Hochrenaissance anschließt, erfolgte im Frühjahr 1902. A. ist Ehrenbürger von Bern.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 80.
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