Batavĭa [2]

[440] Batavĭa, Hauptstadt Niederländisch-Ostindiens und der gleichnamigen Residentschaft (6730 qkm mit [1895] 1,268,043 Einw., worunter 12,429 Europäer, 82,510 Chinesen, 3279 Araber), am westlichen Ende der Nordküste von Java, unter 6°7´ südl. Br. und 106°50´ östl. L., an der Südseite einer geräumigen, durch 17 kleine Koralleninseln geschützten Bai und am Flüßchen Tschiliwung, inmitten ausgedehnter Reisfelder und Kokospflanzungen (s. Plan). Das Klima ist heiß und wenig veränderlich (mittlere Temperatur im heißesten Monat, Mai, 26,3°, im kühlsten, Januar, 25,1°), Extreme 33,7 und 19,4°. Der meiste Regen (385 mm) fällt im Februar, der wenigste (47 mm) im August. Die Altstadt enthält das große Stadthaus, die Börse, eine Kirche, die Javabank, die Gebäude des Hafen- und Zolldepartements, ein für Chinesen und ein für Eingeborne bestimmtes Hospital sowie ein Gefängnis für letztere, die Magazine der Regierung und der Niederländischen Handelsgesellschaft, die Kontore und Speicher der großen Handelshäuser, ist aber nur noch von Malaien, Javanen, Arabern und Mauren, Mischlingen und Chinesen (im chinesischen Kampong) bewohnt, während die Europäer die ehemals von ihnen bewohnten großartigen Häuser in der Altstadt nur während der Geschäftsstunden aufsuchen, sonst aber in der (1808 wegen des mörderischen Klimas der Altstadt angelegten) neuen Stadt wohnen, wolun der fast 4 km lange, gleichfalls europäische Stadt teil Molenvliet hinüberführt. Die lustigen großen Häuser liegen hier getrennt, zwischen Fruchtbäumen aller Art, sind aber nur ein-, höchstens zweistöckig mit platten Dächern und schönen, breiten Veranden. Hier liegen das großartige Harmoniegebäude, das Palais des Generalgouverneurs, die Parapatan-Waisenstiftung, der schöne Rasenplatz Koningsplein, der beinahe eine Stunde Umfang hat und ringsum von schönen Gebäuden, darunter die armenische Kirche, das Gebäude der Naturh isto rischen Vereinigung, das Museum der Gesellschaft für Künste und Wissenschaften und die Wilhelmskirche, umgeben ist. An die Nordostecke schließt sich die Zitadelle Prinz Frederik Hendrik, die der Tschiliwung von Weltevreden trennt. Hier gruppieren sich um den großen Platz Waterlooplein die römisch-katholische Kirche, das Theater, die Freimaurerloge, das Gefängnis für Europäer, das Regierungsgebäude (Het Paleis), das Laboratorium, Infanterie- und Artilleriekaserne (Kavallerie im Stadtteil Rijswijk), das große Militärhospital und das Arsenal. Hieran schließen sich die von Eingebornen und Chinesen bewohnten Kampongs, in denen sich während der Märkte ein buntes Leben entwickelt. Die Bevölkerung von B. bezifferte sich 1895 auf 114,566 Seelen, darunter über 7000 Europäer und über 55,000 Chinesen. Die Industrie beschränkt sich auf Kalkbrennerei, Ziegelfabrikation, Töpferei, Gerberei und Destillation von Arrak. Der Handel ist zwar nicht mehr so bedeutend wie im 18. Jahrh., doch ist B. noch immer Handelsmittelpunkt für ganz Niederländisch-Indien. Der Fluß Tschiliwung kann freilich nur durch fortwährende Baggerung für Boote fahrbar erhalten werden; er ist nebst den benachbarten Gewässern in ein weitläufiges Kanalnetz zerlegt, von[440] dem B. durch- und umzogen wird. Da in der zunehmend seichter werdenden innern Reede nur flachgehende Schiffe ankern können, hat man 7 km östlich bei Tandschong Priok einen neuen großen Hafen angelegt, der durch einen Kanal, eine Eisenbahn und breite Fahrstraße mit B. verbunden ist. Von hier bis zur Mündung des Angké im W. sichert eine Anzahl von Batterien die Küste. Auf der ungesunden Insel Onrust im W. hat die Regierung ein Schwimmdock und andre großartige Anstalten zum Bau und zur Ausbesserung von Schiffen angelegt. Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind Kaffee, Zucker, Tabak, Gewürze, namentlich Pfeffer von Sumatra, Zinn aus Banka und Billiton, Damaraharz, Indigo, Reis, Rotang, Gambir, Häute, Tee, Arrak, Palm- und Kajeputöl, Tiekholz, Büffelhörner und Büffelhäute, Chinarinde, Kampfer, Kassia, Sandel- und Sapanholz, Tamarinden, während die Einfuhr in europäischen Manufakturen, Eisen, Luxusartikeln, Wein, Butter, Konserven, Eis aus Nordamerika besteht. Die Hälfte des Umsatzes fällt auf das Mutterland. B. ist Sitz eines deutschen Generalkonsuls sowie der Konsuln aller größern europäischen Staaten, Siams und der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Der Schiffsverkehr ist außerordentlich lebhaft; 1888 liefen 804 Schiffe mit 773,541 Ton. ein, darunter 557 Dampfer mit 644,168 T.; 400 Schiffe führten die niederländische, 125 die britische Flagge. Sieben deutsche, italienische, französische, englische u. niederländische Dampferlinien verkehren hier regelmäßig. Eisenbahnen führen von B. nach dem Hafen Tandschong Priok, nach Buitenzorg (62 km) und weiter nach Bandoeng, ferner direkt nach Bandoeng sowie westlich nach Serang, eine 18 km lange Dampfstraßenbahn von der Altstadt nach der Vorstadt Kramat u. über Meester Cornelis (Bahnstation und befestigter Platz mit Infanteriekaserne und Militärschule) bis Kampong Melaijon. Telegraphenkabel vermitteln den Verkehr mit Ostasien und Europa über Singapur, mit Sumatra und Australien (Port Darwin). Sechs Banken, darunter als bedeutendste die Javabank, haben ihren Sitz in B. Zu den Bildungsanstalten gehören das Gymnasium Wilhelm III. mit 116 Schülern, je eine höhere Bürgerschule für Knaben u. Mädchen, 13 andre Regierungsschulen, 5 Privatschulen, die Parapatan-Waisenstiftung. Für Nichteuropäer bestehen 30 Schulen, außerdem 1432 mohammedanische Schulen mit 14,785 Schülern. Die holländischen protestantischen Missionsgesellschaften: Nederlandsche Zendingsvereeniging, Java-Komitee und Zending der Christelijk Gereformeerde Kerk haben gleichfalls Schulen errichtet. Eine medizinische Bildungsanstalt für eingeborne Ärzte (Doctors Djawa) ist mit dem Militärhospital verbunden. Weiter sind zu nennen die Batavische Gesellschaft für Künste und Wissenschaften (1778 gegründet), die Gesellschaft für indische Sprach-, Länder- und Völkerkunde, die Gesellschaft für Landbau und Industrie. – B. ist Sitz des Generalgouverneurs und der höchsten Regierungs-, Gerichts- und Militärbehörden, eines katholischen Erzbischofs, einer Handelskammer. – Die Umgebung ist bedeckt mit den von Eingebornen und Chinesen bewohnten Dörfern (Kampongs) inmitten ausgedehnter Kokospflanzungen und Reisfelder.

Geschichte. Der niederländische Generalgouverneur Pieter Both legte 1610 bei Jakatra eine Faktorei an, die der berühmteste seiner Nachfolger, Jan Pietersz Coen, anstatt Amboinas 1619 zur Residenz machte. Von den Engländern unterstützt, versuchten 1618 die Fürsten von Bantam und Jakatra die niederländische Besatzung zu vertreiben; doch 28. Mai 1619 vernichtete Coen den Fürsten von Jakatra und besetzte sein Reich.

Lageplan von Batavia.
Lageplan von Batavia.

Ein Fort wurde zum Schutz der nun B. getauften Stadt angelegt, das alle Angriffe des Susuhunan von Mataram, des Herrschers über Zentral- und Ostjava, überstand und sich schnell entwickelte. Als aber infolge eines Erdbebens 5 und 6. Juli 1699 die Mündung des Tjiliwong verschüttet, das Uferland sumpfig und die Stadt ungesund wurde, verlegte der Generalgouverneur Daendels die Residenz nach der 6 km landeinwärts gelegenen Ebene von Weltevreden und ließ die Befestigungswerke abtragen, auch einen Teil der Kanäle zuschütten. 1811 wurde die Stadt von den Engländern besetzt, aber 1816 wieder an die Niederlande zurückgegeben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 440-441.
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