Buenos Aires [2]

[568] Buenos Aires (Ciudad de Nuestra Señora de B.), Bundeshauptstadt der Argentinischen Republik (seit 1862, bis 1880 auch Hauptstadt der Provinz B.), unter 34°36' 21'' südl. Br. und 58°21' 33'' westl. L., 20 m ü. M., am rechten Ufer des hier 45 km breiten La Plata und dem hier einmündenden Riachuelo (vgl. nebenstehendes Plänchen), umfaßt ein Stadtgebiet von 181,4 qkm. Das Klima ist trotz des Namens der Stadt (»gute Lüfte«) keins der gesündesten; die mittlere Temperatur beträgt 17°, der jährliche Regenfall 846 mm. Cholera und gelbes Fieber sind wiederholt aufgetreten; erstere raffte 1867–68: 51,000, letzteres 1871: 26,000 Menschen hinweg. Die Stadt ist sehr regelmäßig in quadratischen Häuserblöcken angelegt, doch hat sie neben Straßen von 25 m auch viele von nur 10 m Breite; diese sind nur teilweise gepflastert oder makadamisiert und durch Petroleum, Gas oder elektrisch erleuchtet. Trinkwasser wird für einen Teil der Stadt aus dem La Plata in ein Reservoir gehoben und filtriert. Die 1873 begonnene Kanalisation ist erst teilweise vollendet. Die Enge der Straßen wird einigermaßen ausgeglichen durch 12 Plätze, 2 Promenaden und mehrere Boulevards. An der Plaza Mayo (früher Victoria) befinden sich der Regierungspalast, die Kathedrale, der erzbischöfliche Palast, das Kongreßgebäude, auf der Plaza San Martin (früher Retiro) steht die Reiterstatue des Generals San Martin. Schöne Parkanlagen sind die Recoleta und der Palermopark, letzterer mit zoologischem Garten, und der Korso der vornehmen Welt. Von öffentlichen Bauten sind außer den Banken zu nennen: die Casa Rosada (Residenz des Gouverneurs), Universität (seit 1821) mit Bibliothek und Museum, Münze, Generalpostamt,[568] Opernhaus, Börse. Von den 25 z. T. großen und prachtvollen katholischen Kirchen ist die Kathedrale (s. oben) die schönste, unter den 4 protestantischen befindet sich auch eine deutsche. Die Häuser sind meist einstöckig und unansehnlich, Ausnahmen machen die Calle Rivadavia, die, am Stromufer beginnend, die Stadt in zwei Hälften teilt. Sie wird gekreuzt von der Calle Florida mit den schönsten Läden, während die Calle San Martin Sitz der Geldaristokratie und Bankviertel ist. Die Bevölkerung, die 1853 erst 91,500,1869 schon 177,800,1896 aber 690,768 Seelen betrug, ist jetzt auf über 800,000 angewachsen, fast ein Drittel sind Italiener. Von 61,226 Einwanderern im Jahre 1895 waren 41,203 Italiener, 11,288 Spanier, 2448 Franzosen, 1067 Schweizer. Die Industrie ist bedeutend; 1887 verarbeiteten 1244 Fabriken mit 42,321 Arbeitern u. 6277 Dampfpferdekräften Materialien im Werte von 47,7 Mill. Pesos, wovon das Land selber für 29,251,500 Pesos lieferte. Hervorzuheben sind 23 Eisengießereien, 36 Dampfsägemühlen, 23 Mahlmühlen, 98 Brennereien, 89 Druckereien, 35 Gerbereien, 31 Schuhfabriken, 84 Kutschenfabriken u. a. Seit 1882 entstand eine Reihe industrieller Unternehmungen, von deren auf 950,1 Mill. Pesos berechnetem Kapital 90 Proz. verloren gegangen sein sollen.

Lageplan von Buenos Aires.
Lageplan von Buenos Aires.

Weit wichtiger ist jedoch der Handel, der drei Viertel des ganzen auswärtigen Handels ausmacht (s. Argentinische Republik, S. 745). Der Großhandel ist fast ganz in den Händen von Engländern, Franzosen und Deutschen. Der Hafen von B., dessen Schiffsverkehr 1891 im Eingang 3,240,000 Ton. umfaßte, ist durch zwei 600 m lange Wellenbrecher geschützt und für Schiffe von 5,5 m Tiefgang benutzbar gemacht. Von hier zieht sich eine Reihe von Docks nordwärts und bildet den neuen Hafen. Ein breiter Kai umsäumt das Stadtufer, von dem drei 1/2 km lange Landungsbrücken bis in 4 m tiefes Wasser führen. Direkte Dampferlinien verbinden B. mit Southampton, Liverpool, London, Bordeaux, Hamburg, Bremen, Antwerpen, Marseille, Genua und New York, drei Kabel mit Europa. B. ist Ausgangspunkt von sechs Eisenbahnen, die 1891: 6,550,000 Reisende und 1,370,000 T. Güter beförderten, während auf den sechs Straßenbahnlinien (293 km) 57,800,000 Personen verkehrten. Drei telephonische Linien gehen nach Montevideo, La Plata und Rosario. Es bestehen in B. 17 Banken, darunter eine deutsche. Von Wohltätigkeitsanstalten bestehen 15 Krankenhäuser (darunter ein deutsches), ein Irrenhaus, 20 Asyle für Waisen oder Bedürftige, eine Entbindungsanstalt. An Bildungsanstalten gab es 1895: 238 Schulen (109 öffentliche, 129 private) mit 20,324 Schülern, ein Nationalkolleg mit 1192 Schülern, zwei Seminare, eine Universität mit drei Fakultäten und 699 Studierenden, je 2 Militär- und Marineschulen, Gewerbeschule, Taubstummenanstalt, Museum, 2 Bibliotheken mit 100,000 Bänden, 77 Zeitungen, davon 17 tägliche, darunter 8 spanische, 3 italienische und je 2 deutsche, englische und französische, das Argentinische geographische Institut (seit 1879), die Geographische Gesellschaft (seit 1882), einen Landwirtschaftlichen Verein, 55 Klubs, darunter 9 deutsche Vereine. B. ist Sitz der obersten Staatsbehörden, des Kongresses, eines Erzbischofs, des diplomatischen Korps (auch eines deutschen Gesandten und Berufskonsuls). Die Verwaltung ruht in den Händen eines Intendanten (Bürgermeisters) und von 31 Stadträten. Das Polizeikorps besteht aus 3045 Mann, eine sehr starke, aber durch das bedenkliche Anwachsen von Verbrechen gebotene Zahl. Nordwestlich von B. an der Bahn nach Rosario liegt Belgrano, westlich an der Westbahn San José de Flores, beide immer mehr mit B. zusammenwachsend. – B. wurde schon 1535 von Pedro de Mendoza gegründet, doch nach vier Jahren durch die Indianer verwüstet. 1580 legte darauf I. de Garay die Stadt an ihrer jetzigen Stelle an. 1620 wurde sie Bischofssitz, 1776 Hauptstadt des Vizekönigreichs von La Plata und 1816 die der Vereinigten Staaten des Rio de la Plata; seit 1853 war sie Hauptstadt eines selbständigen Freistaates (s. oben), bis sie 1862 zum Regierungssitz der Argentinischen Konföderation erhoben und 1880 als Nationalhauptstadt aus der gleichnamigen Provinz ausgeschieden wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 568-569.
Lizenz:
Faksimiles:
568 | 569
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon