[792] Gewerbekammern sind durch Wahl aus den Kreisen von Gewerbtreibenden hervorgegangene Organe derselben, deren Aufgabe es ist, die Interessen des Gewerbewesens wahrzunehmen, insbes. die Regierung über die Bedürfnisse desselben zu unterrichten, ihr Wünsche und Anträge zu unterbreiten, Gutachten über Gegenstände der Gewerbepolitik abzugeben, statistische Notizen zu sammeln, von Zeit zu Zeit über den Stand der Gewerbe in ihrem Gebiet Bericht zu erstatten, allenfalls auch administrative Tätigkeiten auszuüben in Fällen, in denen Orts-, Sach- und Personalkenntnis besonders erforderlich ist und eine bureaukratische Behandlung nicht am Platz sein würde, Einrichtung, Aussicht und Leitung von Unterrichtsanstalten etc. zu übernehmen, auf Anrufen der Parteien bei gewerblichen Streitigkeiten schiedsrichterliche Entscheidungen zu fällen etc. Der Wirkungskreis der G. ist nicht überall gleich umfassend. Am weitesten gehen die Aufgaben derselben in Österreich, wo ihnen auf Grund des Gesetzes vom 29. Juni 1868 ausgedehnte Befugnisse übertragen sind. Solche G. (chambres consultatives des arts et manufactures) wurden in Frankreich bereits 1803 eingeführt und wiederholt 1852 und 1873 gesetzlich geregelt. Sie bestehen neben den Handelskammern überall da, wo die Ausdehnung der Gewerbe es nötig macht, die Bedürfnisse derselben besonders wahrzunehmen; sonst sind sie mit den Handelskammern vereinigt. Andre Länder folgten dem gegebenen Beispiel. So wurden gesetzliche Bestimmungen über die Bildung und Einrichtung von G. erlassen in den Niederlanden 1851, Bayern 1853, bez. 1868, Württemberg 1854, Sachsen 1861, bez. 1868, Hamburg 1872, Lübeck 1867, Bremen 1849, Italien 1862, Österreich-Ungarn 1868 und 1884 etc. In einigen Ländern wurden früher geschaffene Einrichtungen später wieder beseitigt, so 1875 in Belgien. Ebenso waren die in Preußen 1849 ins Leben gerufenen 96 Gewerberäte (s. Gewerberat) bis 1864 wieder aufgehoben; 1884 wurde die Einrichtung von G. angestrebt; 1888 gab es bereits 17 G. in 8 Provinzen, doch wurden dieselben, da die Provinziallandtage die Kosten nicht bewilligten, wieder aufgelöst. Meist sind die G. mit Handelskammern (s.d.) vereinigt, bez. bilden sie neben diesen eine besondere Abteilung der Gewerbe- und Handelskammer (Sachsen, Bayern und Österreich). Passives und aktives Wahlrecht für die eine oder die andre Abteilung hängt dann von der Höhe der entrichteten Gewerbesteuer, bez. von der Eintragung in das Handelsregister ab. In Hamburg, Lübeck und Bremen bestehen sie als besondere Organe neben den Handelskammern. In Bremen sind sie eine Art engern Ausschusses des Gewerbekonvents. Letzterer wird von Gewerbtreibenden gewählt und wählt selbst wieder aus seinen Mitgliedern die Gewerbekammer. S. Handelskammern. Über Vertretungen des Handwerks s. Handwerkskammern. Neben den G. bestehen in einigen Ländern noch Organe der Staatsverwaltung, welche die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen des Landes wahrzunehmen haben (Handels-, Gewerbe-, Industrieräte in Frankreich, Italien). In einigen Ländern (England, Belgien) wird ein Teil der Aufgaben der G. durch freie Vereinigungen erfüllt. Vgl. R. v. Kaufmann, Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen (Berl. 1879) und Die Reform der Handels- und Gewerbekammern (das. 1883); M. Block, Chambres consultatives des arts et manufactures (im »Dictionnaire del'administration française«); Grätzer, Die Organisation der Berufsinteressen (Berl. 1890); Hampke, Handwerker- oder Gewerbekammern? (Jena 1893); »Die Handels- und Gewerbekammern etc. des Deutschen Reiches« (Berl. 1894); Weiteres bei Artikel »Handelskammern«.
Brockhaus-1911: Gewerbekammern
Meyers-1905: Handels- und Gewerbekammern