Görtz

[144] Görtz (Schlitz, genannt von G.), altadlige Familie, die im Mittelalter die Herrschaft Schlitz an der Fulda erwarb und seit 1100 bei dem Hochstift Fulda die Erbmarschallswürde bekleidete, nahm um 1400 den Namen von G. an, wurde 1677 in den Reichsfreiherren- und 1726 in den Reichsgrafenstand erhoben. Durch die Rheinbundsakte kam die Herrschaft unter großherzoglich hessische Oberhoheit; aber der Familie wurden später die standesherrschaftlichen Rechte und ihrem Haupte 1829 das Prädikat Erlaucht verliehen. Die Familie teilt sich in zwei Linien, in die ältere zu Schlitz oder die standesherrliche und die jüngere in Braunschweig und Hannover, die sich G.-Wrisberg nennt. Die namhaftesten Glieder der Familie sind:

1) Georg Heinrich, Freiherr von, Staatsmann, geb. 1668, gest. 2. März 1719 in Stockholm, trat 1698 in holstein-gottorpsche Dienste, seit 1709 leitender Minister daselbst, und wurde 1715, obwohl er gottorpscher Untertan blieb, von Karl XII. mit der obersten Leitung der schwedischen Finanzen und auswärtigen Angelegenheiten beauftragt. Die kostspieligen Kriege des Königs, die G. zu finanziellen Zwangsmaßregeln nötigten, zerrütteten Schweden völlig und erregten daselbst die größte Erbitterung. Auch seine auswärtige Politik war wenig erfolgreich. Die 1716 in anti englischem Sinne von ihm mit den Jakobiten (s. d. 2) angeknüpften Beziehungen führten 1717 in Arnheim zu seiner Verhaftung, und auch die 1718 von ihm mit Rußland begonnenen Separatfriedensverhandlungen blieben ergebnislos. Nach Karls XII. Tode auf Befehl des Erbprinzen Friedrich sofort verhaftet, ward er von einer Kommission wegen angeblichen Unterschleifs und Landesverrats zum Tode verurteilt und enthauptet. Vgl. F. K. v. Moser, Rettung der Ehre und Unschuld des Freiherrn G. H. v. Schlitz, genannt v. G. (1776); Beskow, Friherre Georg Henrik v. G., statsman och statsoffer (Stockh. 1868); Syveton, L'erreur de G. (»Revue d'histoire diplomatique«, 1895–96); de Beaufort, De gevangenneming van den Zweedschen minister Baron v. G. te Arnhem in 1717 (Haag 1897); Westrin, Friherre G. H. v. Görtz' bref ur fängelset i Arnhem 1717 (mit wertvoller Einleitung in der »Historisk Tidskrift«, 1898).

2) Johann Eustach, Graf von Schlitz, genannt v. G., Staatsmann, geb. 5. April 1737 zu Schlitz in Hessen, gest. 7. Aug. 1821 in Regensburg, trat 1755 in weimarische, dann in gothaische Staatsdienste und leitete 1762–75 die Erziehung der Prinzen Karl August und Konstantin von Weimar. Im Auftrage König Friedrichs II. bewog er 1778 den Herzog Karl von Zweibrücken zum Einspruch gegen die geplante Abtretung eines Teiles von Bayern an Österreich und ward infolgedessen preußischer Staatsminister. 1779–85 war er als Gesandter in Petersburg, konnte aber die Abwendung der Kaiserin Katharina vom preußischen Bündnis nicht hindern. Als preußischer Reichstagsgesandter in Regensburg 1788 bis 1806 wohnte er dem Rastatter Friedenskongreß und der zur Vollziehung des Lüneviller Friedens in Regensburg zusammengetretenen außerordentlichen Reichstagsdeputation bei. Er schrieb: »Mémoires, ou Précis historique sur la neutralité armée« (Basel 1801); »Mémoires et actes authentiques relatifs aux négociations qui ont précédé le partage de la Pologne« (Weim. 1810); »Mémoire historique de la négociation en 1778« (Frankf. 1812). Aus seinem Nachlaß erschienen: »Historische und politische Denkwürdigkeiten« (Stuttg. 1827–28, 2 Bde.).

3) Karl Heinrich, Graf von, großherzoglich hess. Generalmajor à la suite, geb. 15. Febr. 1822, gest. 7. Dez. 1885, machte 1844–47 eine Reise um die Welt, deren Beschreibung er (Stuttg. 1852, 3 Bde.; 2. Aufl. in 1 Bd., 1864) herausgab, ward 1850 hessischer Gesandter in Berlin, 1852 in Dresden, dann in Kassel, und war lange Präsident der hessischen Ersten Kammer. – Gegenwärtiges Haupt der ältern Linie zu Schlitz ist sein Sohn, Graf Emil Friedrich, geb. 15. Febr. 1851, Präsident der Ersten Kammer des Großherzogtums Hessen.

4) Hermann, Graf von G.-Wrisberg, geb. 5. April 1819 in Hannover, gest. 22. Febr. 1889 in Braunschweig, studierte die Rechte, trat in den braunschweigischen Staatsdienst, ward Rat in der Ministerialabteilung für Finanzen, 1876 Wirklicher Geheimer Rat und Mitglied des Ministeriums, 1883 Staatsminister und trat, als 18. Okt. 1884 der braunschweigische Thron durch den Tod des Herzogs Wilhelm erledigt wurde, als Präsident an die Spitze des Regentschaftsrats, um nach der Einsetzung des Prinzen Albrecht von Preußen als Regenten wieder den Vorsitz im Staatsministerium zu übernehmen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 144.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika