[252] Lausanne (spr. losánn', röm. Lausonium), Hauptstadt des schweizer. Kantons Waadt, liegt (im Schloß) 529 m ü. M., 2 km vom Genfer See, ist Knotenpunkt der Eisenbahnen Genf-L.-St.-Maurice, L.-Bern-Luzern und L.-Biel-Basel, ferner mit dem Hafen Ouchy durch eine Drahtseilbahn und mit Echallens durch eine Schmalspurbahn verbunden. Die Stadt erstreckt sich über fünf durch Erosion und glaziale Aufschüttung gebildete Hügel am Südabhang des Jorat (Jurten) und liegt im Mittel 140 m über dem Genfer See.
Einst durch die Tobel des Flon und der Louve sehr zerstückelt, ist sie durch Anlage einer Ringstraße 1836, Erbauung des 180 m langen und 25 m hohen Grand Pont, Zuschüttung von Talstrecken und der dadurch gewonnenen schönen, öffentlichen Plätze, endlich durch eine elektrische Straßenbahn leichter zugänglich geworden. Gleichwohl sind die verschiedenen Stadtteile, die im 14. Jahrh. zu einem Gemeinwesen vereinigt wurden und zur Zeit der Eroberung durch Bern noch mit Ringmauern und Türmen umgeben waren, heute noch zum Teil eng und hügelig. Die Cité liegt auf dem durch Flon und Louve isolierten Molassehügel und trägt nebst dem jetzt als kantonales Regierungsgebäude dienenden ehemaligen bischöflichen Schloß (vom Jahr 1431) die aus dem 13. Jahrh. stammende, herrliche gotische Kathedrale (1876 wurde der Neubau des einen Turmes über dem Chor vollendet). In dieser Kirche fand im Oktober 1536 die Disputation statt, der Calvin, Farel und Viret beiwohnten, und welche die Einführung der Reformation in dervon den Bernern eroberten Landschaft zur Folge hatte. Noch sind von kirchlichen Gebäuden die St.-Lorenzkirche wegen ihrer schönen Fassade und die St.-Françoiskirche, in die sich 1449 das Baseler Konzil flüchtete, zu erwähnen. Von andern öffentlichen Gebäuden sind hervorzuheben: das 1458 erbaute Stadthaus auf dem Paludplatz, der auf Grund eines Legats von Gabriel de Rumine 18981904 erbaute Ruminepalast (mit Hörsälen, Laboratorien und der Kantonsbibliothek), das 18961901 erbaute eidgenössische Postgebäude, der 190003 erbaute Palast der Kantonalbank, die 1822 nach dem amerikanischen Pönitenziarsystem erbaute Straf- und Besserungsanstalt, das Theater, der 1886 vollendete, auf einer Moräne ruhende eidgenössische Justizpalast auf dem Montbenon und das 1883 eröffnete Kantonsspital oberhalb der Stadt. L. besitzt Denkmäler des Politikers Davel (s. d.), des Obersten Charles Veillon, des Theologen Alexander Vinet (s. d.) und ein zum Andenken an die Aufnahme der 1871 hier internierten französischen Soldaten vom Pariser Osiris Iffla errichtetes Telldenkmal. L. hatte 1709: 7432 Einw., 1803: 9965, 1850: 17,108, 1900: 46,407 und 1903: 47,444 vorherrschend prot. Einwohner, zum Teil von internationalem Charakter, denn die Stadt hat weder großen Handel (4 Banken) noch bedeutende Industrie (Buchdruck, Zuckerbäckereien, Schokoladefabriken und ein bedeutendes Elektrizitätswerk), sondern ist ein Ort der Erziehung und der Fremdenindustrie. Die südländischen perennierenden Sträucher und Bäume verraten ein mildes Klima (Winter +0,5°, Frühling 7,6°, Sommer 17,6°, Herbst 9,6°). Die prachtvolle Lage über dem See, das angenehme Klima und die treffliche Wasserversorgung[252] laden zum Aufenthalt ein. Etwa 103 Lehrinstitute (»Pensionen«) für Mädchen und 19 für Knaben dienen der privaten Ausbildung in Sprachen, Künsten etc. Außer trefflichen öffentlichen Primär- und Sekundärschulen besitzt L. ein humanistisches Gymnasium, ein Real- und Progymnasium, ein Lehrerseminar, eine Industrie- und Handelsschule, ein Gymnasium für Mädchen (Ecole Vinet) und eine landwirtschaftliche Schule. Die 1537 gegründete Akademie ist 1890 in eine Universität umgewandelt worden (Winter 1903/04: 852 Studierende und Hörer). Die Zahl der gemeinnützigen Institute, inkl. Spitäler und Irrenanstalt, ist sehr groß. Von Sammlungen sind unter andern zu nennen: das Kantonsmuseum (Naturalienkabinett, Altertümer), Musée d'Arlaud (Kunst), die Universitätsbibliothek (inkl. Institut du droit international) mit ca. 230,000 Bänden und Manuskripten. L. ist Sitz der Kreisdirektion I der schweizerischen Bundesbahnen, einer Kreispost- und Telegraphendirektion und des schweizerischen Bundesgerichts. Die Umgebung ist reich an herrlichen Aussichtspunkten. Auf das Signal (647 m) führt seit 1899 eine Bahn. Bei dem Hafen Ouchy, wo Lord Byron seinen »Prisoner of Chillon« schrieb, steht das Hôtel Beaurivage (s. Tafel »Gasthäuser«, Fig. 5), von schönen Anlagen umgeben. L., zur Römerzeit Lousonna, ward um 580 Sitz des von Avenches hierher verlegten Bistums und blieb es bis zur Einnahme der Stadt durch Bern bei der Eroberung der Waadt 1536 und der damit verbundenen Einführung der Reformation, infolge deren der Bischof nach Freiburg übersiedelte. 1798 wurde es Hauptstadt des neugebildeten Kantons Leman oder Waadt, wie er seit 1801 wieder genannt wurde. Vgl. Blanchet, L. des les temps anciens (Lausanne 1866); Buillermat, Le vieux L. (das. 1890); Bendas »Guide de L.« (das. 1901).