[602] Liscow, Christian Ludwig, Satiriker, geb. 29. April 1701 zu Wittenburg in Mecklenburg-Schwerin als Sohn eines Predigers, gest. 30. Okt. 1760 auf seinem Gute Berg bei Eilenburg, besuchte die Universitäten Rostock, Jena und Halle und versuchte sich zuerst 1726 als Schriftsteller mit einer allerdings erst 1755 veröffentlichten Schrift gegen den Rostocker Professor Manzel, der das Naturrecht wieder auf die Offenbarung zu gründen versucht hatte. In Lübeck, wo sich L. seit 1728 oder 1729 als Privatlehrer aufhielt, griff er den pfäffisch bornierten Magister Sievers und den halbverrückten Literaten Philippi in mehreren satirischen Schriften an. 1735 trat er in den Dienst des aus seinem Lande vertriebenen Herzogs Karl Leopold von Mecklenburg; er gab sich dazu her, im Interesse des Herzogs nach Paris zu gehen, um die Unterstützung Frankreichs zu dessen Wiedereinsetzung zu erlangen. Da der Zweck der Sendung unerreicht blieb, erhielt L. von dem Herzog nicht einmal die Mittel zur Heimkehr. 1740 wurde er Sekretär des preußischen Gesandten Grafen Danckelmann in Frankfurt,[602] und im folgenden Jahr trat er in die Dienste des Grafen Brühl in Dresden. Der schriftstellerischen Tätigkeit wurde er nun entfremdet, nur daß er 1742 die 2. Auflage von Heineckes Longin-Übersetzung mit einer ausführlichen, gegen Gottsched gerichteten Vorrede versah. Nachdem er 1745 zum polnischen Kriegsrat ernannt worden, brachten ihn vier Jahre später freimütige Äußerungen über die sächsische Finanzwirtschaft in Hast, aus der er 1750 unter Entsetzung von seinem Amt entlassen wurde. L. richtete seine satirischen Feldzüge freilich nur gegen Persönlichkeiten von sehr untergeordneter Bedeutung und erhob sich nirgends zum Angriff wider allgemeine Gebrechen seiner Zeit; aber in stilistischer Hinsicht erscheinen seine Aufsätze so verschieden von verwandten Produkten jener Periode, die Darstellung darin ist von einer solchen Klarheit, Korrektheit und Lebendigkeit, daß man mit Recht auf eine gewisse Verwandtschaft Liscows mit Lessing hingewiesen hat. Am bekanntesten unter Liscows Aufsätzen ist der »Über die Notwendigkeit elender Skribenten«. Als bedeutender müssen jedoch andre bezeichnet werden, namentlich das »Sendschreiben über eine gefrorne Fensterscheibe«. Eine Sammlung seiner Schriften gab L. selbst (Hamb. 1739) heraus; einen neuen Abdruck besorgte Müchler (Berl. 1806, 3 Bde.), eine Auswahl Holder (Halle 1901). Eine posthum erschienene Schrift: »Über die Unnötigkeit der guten Werke zur Seligkeit« (Leipz. 1803), ist wahrscheinlich unecht. Vgl. Helbig, Chr. Ludw. L. (Dresd. 1844); Lisch, Chr. Ludw. Liscows Leben (Schwer. 1845); Classen, Über Ch. L. Liscows Leben und Schriften (Lübeck 1846); Litzmann, L. in seiner literarischen Laufbahn (Hamb. 1883); P. Richter, Rabener und L. (Dresd. 1884); J. Müller, L. und die Bibel (Königsb. 1896).