[682] Trauung (Kopulation), die kirchliche Zusammengabe der Eheleute. Nachdem neuerdings die der T. im Laufe der geschichtlichen Entwickelung zugefallene eheschließende Funktion auf einen unter standesamtlicher Mitwirkung stattfindenden juristisch analogen bürgerlichen Akt übergegangen ist, hat man den Ausdruck T. auf diese bürgerliche Eheschließung übertragen und bezeichnet sie im Gegensatz zur kirchlichen T. oder T. schlechthin als Ziviltrauung. Fast bei allen Völkern werden eheliche Bündnisse mit gewissen, insbes. religiösen Zeremonien gefeiert (s. Hochzeit). Die christliche Kirche hat allerdings die göttliche Einsetzung einer bestimmten kirchlichen Eheschließungsform niemals angenommen, und die römische Kirche hat trotz mancher Schwankungen an der ehewirkenden Kraft der bloßen Konsenserklärung festgehalten. Aber sie hat von jeher dem Bewußtsein ihrer Glieder die Forderung geistlicher Mitwirkung eingeschärft und verstanden, im Laufe der Zeit diese Mitwirkung stufenweise zu steigern. Sie besteht ursprünglich in der (durch Kaiser Leo 813 für die griechische Kirche gesetzlich eingeführten) Einsegnung, Abhaltung von Brautmessen, die aber der Eheschließungserklärung nachfolgen. Der Erweiterung dieses Anteils der Kirche ist dann das germanische Eheschließungsrecht mittelbar entgegengekommen. Im ältern deutschen Recht ist die T. die durch den Muntwalt vollzogene Übergabe der Braut in die Schutzgewalt (Mundium) des Verlobten, dem sie »anvertraut« wird. Indem nun an Stelle dieser seit Abschwächung der Geschlechtsvormundschaft durch jeden beliebigen Dritten ersetzbaren Mittelsperson der Priester eingetreten ist, war die bisher dem Eheschließungsakt nachgefolgte kirchliche Einsegnung zur Zusammengabe (Kopulation) entwickelt, die einen organischen Bestandteil des Eheschließungsaktes selbst bildet. So wenig freilich wie früher die Einsegnung vermochte die Kirche jetzt die T. und das oft wiederholte Verbot der Laienkopulation allgemein durchzusetzen. Auch das Tridentinum, das dem katholischen Eherecht die abschließende Gestalt gegeben hat, stellt die priesterliche T. zwar als die normale, nicht aber notwendige Form fest, und hat das mittelalterliche Recht nur insofern fortgebildet, als es die ehewirkende Kraft nur mit der in bestimmter Form, nämlich vor dem zuständigen Pfarrer und zwei Zeugen, abgegebenen Konsenserklärung verknüpft. Den letzten Schritt, den das Tridentinum nicht unternommen hatte, hat dann später eine durch das evangelische Kirchenrecht vorbereitete und bestimmte Entwickelung zurückgelegt. Aus einem neben der eigentlich ehewirkenden Konsenserklärung nebensächlichen Akt ist seit dem Ende des 17. Jahrh. das Zusammensprechen des Geistlichen in evangelischem Rechtsbewußtsein und bürgerlicher Gesetzgebung zu einem der Konsenserklärung ebenbürtigen, notwendigen Bestandteil der Eheschließungsform geworden (vgl. Allgemeines preußisches Landrecht II, 1, § 136). Das Ergebnis war im übrigen für alte und[682] neue Kirche das gleiche: die Eheschließung war ausschließlich Kirchensache geworden; das bürgerliche Recht hatte auf eine selbständige Eheschließungsform verzichtet. Das moderne Recht hat diesen Zusammenhang gelöst und in der durch das Reichspersonenstandsgesetz vom 6. Febr. 1875 eingeführten standesamtlichen Eheschließung eine selbständige bürgerliche Eheschließungsform konstituiert. Die kirchliche T. ist von nun an für die Schließung einer bürgerlich gültigen Ehe weder ausreichend noch erforderlich, also ohne rechtliche Bedeutung für das bürgerliche Leben (Bürgerliches Gesetzbuch, § 1588). Sie ist nur auf Grund des Nachweises der vorher erfolgten standesamtlichen T. zulässig. Nach dem im Gesetz von 1875 gemachten selbstverständlichen Vorbehalt sind durch dessen Bestimmungen die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf die T. nicht berührt worden. Nur stehen sie jetzt nicht mehr unter der Garantie des Staates, sondern allein der Kirchenordnung. Im übrigen war der Einfluß dieser Neuerung auf das kirchliche Trauungswesen verschieden. Die katholische Kirche faßt die Ehe als Sakrament auf, ignoriert die nach ihrer Auffassung unzuständige Staatsgesetzgebung und hat darum ihre bisherige Trauordnung unverändert beibehalten. Die evangelische Kirche dagegen erkennt die staatliche Ehegesetzgebung und damit auch die bürgerliche Eheschließungsform ohne weiteres an, schärft aber ihren Gliedern die nachträgliche kirchliche T. als eine kirchenrechtliche Pflicht ein, deren Verletzung sie mit verschiedenen Mitteln ihrer Disziplinargewalt (von Entziehung der kirchlichen Wahlrechte ansteigend unter Umständen bis zum Ausschluß vom Abendmahl) ahndet. Dem Umstand, daß die kirchliche T. ihre einstige eheschließende Funktion nicht mehr hat, hat sie in den neu erlassenen Trauungsordnungen (z. B. preußisches Kirchengesetz vom 27. Juli 1880, Trauordnung für die Provinz Hannover vom 6. Juli 1876, für Bayern von 1879, für Sachsen von 1881, Württemberg 1875 etc.) durch Ausstellung neuer Trauformulare Rechnung getragen, die dem also veränderten Rechtszustand sich mehr oder weniger anzupassen suchen. Die den Eheleuten vorzulegende Frage des Geistlichen ist nicht mehr auf die Eheschließung schlechthin, sondern auf das Gelöbnis christlicher Eheführung gerichtet und sinngemäß auch die Kopulationsformel modifiziert. Einzelne vom Gesetz vom 6. Febr. 1875 nicht rezipierte Ehehindernisse des bisherigen Eherechts (so insbes. die sogen. disparitas cultus, d. h. Ehe eines Christen mit Nichtchristen, Ehe solcher Personen, die als Verächter des christlichen Glaubens oder wegen lasterhaften Wandels nicht ohne Ärgernis den Segen der T. erhalten könnten) sind als Trauungshindernisse beibehalten. In den Einzelheiten der Trauordnung besteht noch vielfach Übereinstimmung der katholischen und evangelischen Kirche. Der T. geht ein schon vom vierten lateranensischen Konzil (1215) vorgeschriebenes und auch von den neuern evangelischen Trauordnungen als Eheverkündigung beibehaltenes Aufgebot voraus; Dispensation ist zulässig. In den vom Tridentinum festgesetzten sogen. geschlossenen Zeiten (Fasten- und Adventszeit), die aber in den evangelischen Trauordnungen erheblich reduziert sind (vgl. preußische Trauordnung, § 3), sollen Trauungen nicht stattfinden. Zuständig ist der Pfarrer am Wohnort der Braut, bez. auch des Bräutigams (nach evangelischen Ordnungen auch der des künftigen Wohnsitzes), jeder andre nur kraft eines ihm erteilten Erlaubnisscheins (sogen. Dimissoriale). Ort der T. ist die Kirche; Haustrauungen sind kraft besonderer Dispensation, in manchen evangelischen Landeskirchen auch nach freiem Ermessen des Pfarrers zulässig. Abgabe der Konsenserklärung durch Stellvertreter ist im katholischen Recht zugelassen. Die der Konsenserklärung nachfolgende Benediktion unterbleibt nach katholischem Recht bei gemischten Ehen, sofern nicht die geforderten Kautionen (insbes. eidliches Gelöbnis, sämtliche Kinder katholisch zu erziehen) geleistet worden, häufig auch bei zweiten Ehen. Eine noch heute übliche Zeremonie ist das schon im Altertum übliche Wechseln der Trauringe. Von den Hochzeitkränzen, die in der alten Kirche beiden Verlobten bei ihrer Einsegnung aufgesetzt wurden, ist in der abendländischen Christenheit nur noch der Brautkranz als Bild der unverletzten Jungfernschaft übriggeblieben und dessen Verweigerung für Gefallene als Mittel der Kirchenzucht. Nach der T. findet die Eintragung in das Trauregister statt. Vgl. außer den Lehrbüchern des Kirchenrechts: Friedberg, Das Recht der Eheschließung (Leipz. 1865); Sohm, T. und Verlobung (Weimar 1876) und Zur Trauungsfrage (Heilbr. 1879); Löning, Geschichte des deutschen Kirchenrechts, Bd. 2 (Straßb. 1878); v. Scheurl, Das gemeine deutsche Eherecht (Erlang. 1882); Freisen, Geschichte des kanonischen Eherechts bis zum Verfall der Glossenliteratur (Tübingen 1888).