[8] Velde, van de, holländ. Künstlerfamilie: 1) Jan, Sohn des seiner Zeit berühmten Schreibmeisters Jan van de V. aus Antwerpen, geb. zwischen 1595 und 1597 in Rotterdam, gest. vor 1652 in Haarlem, war ein fruchtbarer Kupferstecher und Radierer, der bei J. Matham gelernt hatte und über 400 Landschaftsblätter hinterlassen hat. Er erscheint 1614 als Mitglied der Haarlemer Malergilde und bekleidete 1635 das Amt eines Kommissars der Gilde. Vgl. Franken und van der Kellen, L'œuvre de Jan van de Velde (Amsterd. 1883).
2) Esaias, vielleicht Bruder des vorigen, geb. um 1590 in Amsterdam. war seit 1610 in Haarlem ansässig, trat 1612 in die Malergilde daselbst, lebte seit 1618 im Haag, wo er 18. Nov. 1630 begraben wurde. Er hat Soldatenbilder, Repräsentationsstücke, figurenreiche Landschaften zur Sommer- und Winterzeit (Kirmessen, Volksbelustigungen, Jagdszenen, Eislauf, Gartenfeste u. dgl) in lebendiger Auffassung gemalt und auf die Entwickelung der Landschaftsmalerei in Haarlem einen bedeutenden Einfluß geübt.
3) Willem der Ältere, vielleicht Bruder der vorigen, geb. 1611 oder 1612 in Leiden, Marinezeichner, war bis 1657 in Amsterdam tätig, ging später nach London, wo er Hofmaler Karls II. und Jakobs 11. war und 16. Dez. 1693 begraben wurde. Er fertigte Zeichnungen von Seeschlachten, Schiffen etc., die sein Sohn Willem zum Teil in Ölmalerei ausführte.
4) Willem der Jüngere, der hervorragendste der Familie, genannt der »Raffael der Seemalerei«, getauft 18. Dez. 1633 in Amsterdam, war Schüler seines Vaters und des Simon de Vlieger und trat 1677 in die Dienste der englischen Könige. Er starb 6. April 1707 in Greenwich. In der ersten Hälfte seiner Laufbahn malte V. die Siege der Holländer über die englische Flotte, sodann die der englischen Flotte. Bewundernswert ist er besonders in Gemälden mit ruhiger See, die Spiegelung pflegt zauberhaft zu sein; doch sind auch seine Schlachten- und Sturmbilder vorzüglich. Seine Hauptwerke befinden sich in der Nationalgalerie zu London, in der Bridgewater Galery und andern englischen Privatsammlungen und im Reichsmuseum zu Amsterdam (der Kanonenschuß, die viertägige Seeschlacht).
5) Adriaen, Bruder des vorigen, getauft 30. Nov. 1636 in Amsterdam, gest. daselbst 21. Jan. 1672, Schüler von Wynants und Wouwerman, zeichnete sich als Tier- und Landschaftsmaler aus. Sein Pinsel ist äußerst zart. Er hat Strandbilder, Eisbelustigungen, Jagdpartien und Landschaften mit Vieh gemalt, die an Paul Potter erinnern, gegen 200 (davon über die Hälfte in England, andre in Berlin, Dresden, München, Paris, Amsterdam, Haag). Die Meisterschaft, mit der er die Staffage malte, bewog andre Künstler, ihn dazu zu benutzen, so Ruisdael, Hobbema, Hackaert, van der Heyden u. a. Seine 25 Radierungen gehören zu den vorzüglichsten der holländischen Schule. Vgl. Michel, Les Van de Velde (Par. 1892).
6) Henri van de, belg. Maler und Zeichner für das Kunstgewerbe, geb. 3. April 1863 in Antwerpen, Schüler von Verlat, dann in Paris von Carolus-Duran, zeichnete und malte anfangs Bilder aus dem Landleben in der Art von Millet, schloß sich aber später den Neo-Impressionisten (s. d.) an, an deren Ausstellungen er sich seit 1890 beteiligte. Bald führte ihn aber seine Neigung für das dekorative Element in der Kunst dem Kunstgewerbe zu, für das er sich zunächst in Entwürfen für Möbel und später auch für die gesamte Ausstattung der Wohnungen betätigte. Ursprünglich von dem englischen Möbelstil ausgehend, beschränkte er sich unter dem Ausschluß jeglicher ornamentaler Zutaten auf rein konstruktive Grundformen und suchte nur durch den Schwung der Linien sowie durch die Farben des Materials ästhetische Wirkungen hervorzurufen (s. Tafel »Möbel III«, Fig. 6 u. 7). Später wandte er seine rein lineare Art auch auf Flächendekoration (Tapeten, Stoffmuster, Bucheinbände, Buchschmuck, Plakate, Glasfenster u. dgl.), auf Schmucksachen (s. Tafel »Schmucksachen III«, Fig. 12), Metallarbeiten etc. an, und nach den Grundsätzen des rein Zweck- und Vernunftgemäßen hat er auch, ohne eine Vorbildung als Architekt erlangt zu haben, in Belgien, besonders in der Umgebung Brüssels und in Ostende, Wohnhäuser und Villen erbaut. In seinem künstlerischen System hat die Phantasie keinen Platz, sondern, wie er selbst sagt, »die Vernunft, die Vernunftgewißheit in Sein und Schein«. Nachdem V. erst in Brüssel, dann einige Zeit in Berlin tätig gewesen war, wurde er 1902 als Professor an die Kunstgewerbeschule in Weimar berufen. Er schrieb: »Die Renaissance im deutschen Kunstgewerbe« (Berl. 1901); »Kunstgewerbliche Laienpredigten« (Leipz. 1902); »Vom neuen Stil« (Weim. 1906) u. a.