Herold [1]

[285] Herold, 1) (gr. Keryx, lat. Praeco), bei den Griechen ein angesehener freier Mann, welcher in den ältesten Zeiten das Volk zur Versammlung rief, Ordnung u. Stille in derselben hielt, Kämpfende auseinander brachte, alles zum öffentlichen Opferdienst Gehörige besorgte, bei Opfer- u. Festschmäusen aufwartete. Da ihre Dienste nur öffentlich waren, so gehörten sie zu den Demiurgen (s.d.), u. ihr Abzeichen war ein Stab (Skeptron). Als unter dem Schutz des Zeus stehend, waren sie heilige u. unverletzliche Personen, daher gewöhnlich Begleiter der Fürsten, od. wurden von Fürsten Anderen als solche mitgegeben, weil das Geleit eines H-s persönliche Sicherheit gab. Auch die Götter hatten an Hermes einen H. Bei den Römern gab es verschiedene[285] H-e, die Praecones, durch einen breiten Purpurstreifen an der Tunica ausgezeichnet, geboten Stille beim Gottesdienste, leiteten die Abstimmung bei den Comitien, machten die Ausrufer bei Auctionen, lasen im Senate die Schreiben vor, riefen bei Leichenbegängnissen die Namen der Begleiter nach bestimmter Ordnung aus. Zu Kriegsgeschäften waren die Fetiales, welche Kriege ankündigten, u. die Caduceatores, welche mit dem Caduceus versehen, Friedensverhandlungen leiteten. 2) Im Mittelalter waren die H. Leiter aller öffentlichen Feierlichkeiten, bei Krönungen, fürstlichen Vermählungen, Taufen u. Leichenbegängnissen in Wirksamkeit; sie waren Richter in allen das Adelswesen betreffenden Streitigkeiten, Sittenrichter des Adels, Verfertiger u. Verbesserer der Wappen, bei Turnieren hatten sie die Wappenschau u. die Entscheidung über die Turnierfähigkeit; genaues Studium der Wappenkunde war daher ihre Hauptbeschäftigung. Die H. zerfielen in drei Klassen: Wappenkönige (Rois d'armes), die Vorsteher des Collegiums, Herolde (Herauts d'armes) u. Persevanten (Poursuivants d'armes), Letztere Lehrlinge, welche den Unterricht von den H-n mündlich empfingen. In Frankreich bekam der Wappenkönig durch kirchliche Feier u. Krönung sein Amt übertragen; ebenda waren sonst der H-e im Ganzen 39 (Reichsherolde); der nächste nach dem Wappenkönig nannte sich nach dem Feldgeschrei des Königs Dagobert, Montjoye St. Denis, die anderen nach den Provinzen Guienne, Bourgogne, Normandie, Dauphiné etc. Die H-e trugen einen Wappenrock, auf Brust u. Rücken Wappen u. Insignien des Fürsten gestickt, dem sie dienten, außerdem trugen sie einen Stab. Die Pflichten des H-s wurden von einer eigenen Wissenschaft (Heroldswissenschaft) umfaßt u. in einer eigenen Zunft od. Gesellschaft der H-e geheim gehalten. Diese Heroldswissenschaft umfaßte, außer der Heraldik (s.d.), noch das Ceremonienwesen. Mit dem Verfall der Ritterspiele ging nach u. nach der allgemeine Gebrauch der H-e verloren, u. sie kommen, so wie auch jetzt noch, nur bei ausgezeichneten Gelegenheiten, wie bei Krönungen, Einführung der Gesandten, Reichsversammlungen (daher Reichsherolde), feierlichen Friedensschlüssen etc. vor. Auch haben die meisten Ritterorden in Europa einen Officianten, welcher den Titel H. führt u. bei Feierlichkeiten des Ordens in vorgeschriebener Ceremonientracht erscheint, auch außerdem gewöhnlich die Kanzleigeschäfte des Ordens besorgt. England bat noch drei Wappenkönige; der vornehmste ist der Wappenkönig des Hosenbandordens (Garder principal), der zweite der für die südlichen Provinzen (Clarencieux), der dritte für den Norden (Norroy). Außerdem haben sie sechs ihnen untergeordete H-e (von Windsor, Chester, Lancaster, York, Richmond u. Somerset) u. vier Poursuivants (Heroldsdiener). Vgl. Heroldsamt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 285-286.
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