Rolle [1]

[238] Rolle, 1) Scheibe od. Walze, welche sich um ihren Mittelpunkt bewegen; 2) (Kloben), Scheibe von Holz od. Metall, auf der Stirne mit einer rinnenartigen Vertiefung versehen, in welche ein Seil od. eine Schnur gelegt wird. Die Scheibe selbst dreht sich um einen, durch ihren Mittelpunkt gesteckten, runden Bolzen, od. der vierkantige Bolzen (Walzbolzen) steckt fest in der Scheibe u. dreht sich mit seinen beiden runden Enden in Zapfenlöchern der Hülfe. Bei der festen R. (R-n der ersten Art, einfache, unbewegliche R.) bleibt die R. stets an ihrer Stelle u. dreht sich blos um ihren Bolzen; sie gestattet nur eine günstigere Richtung der anzuwendenden Kraft. Soll z.B. eine Last in die Höhe gezogen werden, so wird das Seil, woran die Last hängt, um eine oben befestigte R. geschlungen, worauf man am andern Seilende bequem nach unten zieht; oft wird auch unten das Seil nochmals um eine feste R. geschlungen, so daß man jetzt die Zugkraft z.B. von Pferden od. Ochsen horizontal wirken lassen kann. Da das Seil nicht über die R. fortrutscht, so ist außer der geringen Zapfenreibung des Bolzens nur die ebenfalls nicht beträchtliche Seilsteifigkeit beim Auf- u. Abwickeln von der R. zu überwinden. Die lose R. (R. der zweiten Art, bewegliche R.) wird zugleich mit der Last gehoben u. bewirkt eine Ersparniß an Kraft. Diese R-n lagern mit ihrem Bolzen in einer Hülse, welche nach unten in einen Haken endigt u. an diesem die Last trägt. Soll damit eine Last gehoben werden, so ist das eine Seilende oben fest geknüpft, läuft herab, um die R., an welcher die Last hängt, u. wieder nach oben, wo es gewöhnlich noch um eine feste R. geschlungen wird. Sind die beiden Seilenden, zwischen welchen die bewegliche R. hängt, parallel, so wirkt sie wie ein ungleicharmig zweiarmiger Hebel u. erspart die halbe Kraft, wenn man die Schwere der R. u. die stattfindende Zapfenreibung u. die Seilsteifigkeit nicht mit in Anschlag bringt; der Durchmesser der Scheibe bildet den Hebel; der Punkt, wo das feste Seilende die Scheibe berührt, ist der Unterstützungspunkt; der Punkt, wo das gezogene Seilende die Scheibe verläßt, der Punkt der Kraft, u. der Punkt der Last liegt gerade in der Mitte, der Kraftarm ist also doppelt so lang, als der Lastarm, u. daher muß sich die Kraft zur Last verhalten wie 1 zu 2. Dafür muß aber auch die Kraft einen doppelt so großen Weg machen, als die Last, d.h. die Last hebt sich blos halb so hoch, als die Länge des fortgezogenen Seiles beträgt. Bedeckt das Seil nicht die halbe R., so laufen die Seilrichtungen nicht parallel, sondern sie schneiden sich in ihren Verlängerungen, u. dann verhält sich die Kraft zur Last wie die Sehne des vom Seil bedeckten Bogens zu dem Halbmesser der R.; faßt der vom Seil umspannte Bogen 60°, d.h. ist 1/6 des Rollenumfangs von dem Seile bedeckt, so wird die Kraft gleich der Last; wird der umspannte Bogen noch kleiner, so wird die nöthige Kraft größer, als die zu überwindende Last. Die R-n beider Arten findet im Maschinenwesen häufige Anwendung, aus der Verbindung mehrer R-n der ersten u. zweiten Art entsteht der Flaschenzug. 3) (Leitrollen), kleine feste R-n, welche dazu dienen, einer darüber laufenden Schnur od. Riemen eine bestimmte Richtung zu ertheilen, namentlich so, daß die Riemen auf einer Riemenscheibe gerade auflaufen, od. vor dem Anschleifen an unbeweglichen Körpern schützen.[238] Eine andere Anwendung der festen R-n sind die Reibungsrollen (s.d.); 4) kleine Scheiben od. Walzen an den Bogenbohrern (s. Bogen B), an den Spindeln der Spinnräder, an der Spindel der Drehbank etc., um diesen Gegenständen mittelst einer Schnur eine drehende Bewegung zu geben; 5) kleine massive Räder od. Walzen, welche unten an den Beinen der Stühle u. Tische angebracht werden, um diese leichter fortschieben zu können: daher Rollstühle, Rolltische; 6) kleine hölzerne Cylinder mit erhabenem Rande, auf welche man Saiten, Draht, Garn, Seide, Band wickelt; daher auch beim Drahtziehen auf der Scheibenziehbank die Scheibe, auf welche der aus dem Zieheisen kommende Draht sich aufwickelt; 7) so v.w. Mandel 5); 8) so v.w. Kurbel, s. Buchdruckerpresse 9); 9) die Spule des Trittrades; 10) (Buchb.), so v.w. Kranzrolle; 11) ein scheibenförmig aufgewickelter Gegenstand, z.B. eine R. Band, Garn, Tabak, ein Stück Tapete u. dgl., dann oft im Kleinhandel ein Maß; 12) eine alte Schrift od. Urkunde, weil ehemals die Bogen zusammengerollt aufbewahrt wurden; daher z.B. Geleitsrolle, Rolle des Gesetzes (s. Pentateuch) u. 13) noch jetzt eine Liste, ein Verzeichniß, daher Bürgerrolle; 14) Trag- u. Schlußsteine, welche an den Seiten mit gewundenen Schnörkeln verziert sind; 15) so v.w. Sieb, Räder, Durchwurf, daher Kornrolle, so v.w. Kornsieb; 16) (Forstw.), so v.w. Holzrutsche; 17) in manchen Gegenden die großen Schellen, welche den Kühen u. Mauleseln umgehängt werden; 18) Risse u. Höhlen in einem Deiche, durch welche das Wasser dringt; 19) eine Art französischer Flanell, blau, braun, grün od. roth gefärbt, mit langhaariger Oberfläche, geköpert u. ungeköpert, etwas gewalkt, auf beiden Seiten gerauht u. auf einer geschoren; 20) (Bergb.), so v.w. Gesenke.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 238-239.
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