[447] Inquisition heißt ein von der röm.-katholischen Kirche eingeführtes Gericht, welchem die Ausspähung und Bestrafung der Ketzereien (s. Ketzer) obliegt. Innocenz III. (s.d.) wird von der Geschichte als der Urheber der Inquisition bezeichnet. Eine Veränderung nämlich des früher gegen abtrünnige Glieder der Kirche beobachteten Verfahrens, nach welchem die Zurechtweisung und Bestrafung derselben unter Anwendung der Kirchenbußen bis zur Ausstoßung aus der Kirchengemeinschaft und bürgerlichen Ehrlosigkeit, den Bischöfen in ihren Bisthümern zustand, wurde durch diesen Papst dadurch herbeigeführt, daß er auf der vierten Lateransynode 1215 den Bischöfen selbst unter drohenden Ermahnungen die größte Strenge gegen die Ketzereien der Albigenser (s.d.) und Waldenser (s.d.) zur Pflicht machte, und zur Ausrottung derselben sogar eine päpstliche Commission nach dem südl. Frankreich schickte. Diese ersten Anfänge der Glaubensgerichte, die h. Inquisition oder das [447] h. Amt (sanctum officium) genannt, erhielten durch die Beschlüsse der Synode von Toulouse 1229, durch die das Verfahren derselben näher bestimmt wurde, und durch den Papst Gregor IX. 1233, der sie von den Bischöfen unabhängig machte und ihre Verwaltung den Dominikanern übertrug, ihre eigentliche Gestalt und Vollendung. Sie erschienen anfangs als ein Werk der Nothwendigkeit und des Segens, durch das jeder Zwiespalt in der großen Familie der Christenheit gleichsam in der Wurzel erstickt werden sollte. Darum gaben auch die Fürsten Ludwig IX., Raimund von Toulouse und Kaiser Friedrich II. die Gesetze, durch welche die weltliche Behörde der Inquisition dienstbar gemacht wurde. Aber das Schwanken des Gerichts, das sich in den h. Angelegenheiten der Religion an ein rechtliches Verfahren nicht gebunden glaubte, machte den Glaubenseifer der Richter häufig zum Fanatismus, zumal da dieselben als Mönche eines strengen Ordens dem Mitleid und der Milde wenig zugänglich waren. Das Gericht konnte auch ohne Ankläger überall nach Ketzereien forschen und mußte dabei von den Bischöfen und der weltlichen Obrigkeit auf das eifrigste unterstützt werden. Hatte der Glaubensrichter oder Inquisitor zur Verwaltung seines Amts in irgend einer Stadt, wozu er gewöhnlich den Bischofssitz wählte, seinen Aufenthalt genommen, so foderte er in einer Predigt die Einwohner derselben auf, die Ketzer, welche sich nicht freiwillig anklagen würden, wozu ihnen eine Frist von 30 Tagen anberaumt war, anzuzeigen. Dafür waren Belohnungen ausgesetzt, während dagegen von der Stadt für jeden der vom Gericht aufgefundenen Schuldigen angemessene Geldstrafen zu erlegen waren. Wurde ein Angeklagter oder Verdächtiger verhaftet, dann gab es keinen Schutz, kein Privilegium mehr für ihn, von welchem Range er auch sein mochte. Freunde und Anverwandte wagten, um selbst nicht als Ketzer zu erscheinen, weder eine Klage über die Verhaftung zu erheben, noch für den Unglücklichen um Gnade zu bitten; man ging in Trauerkleidern und redete von dem im Gerichte Befindlichen wie von einem Todten. Ein der Ketzerei Verdächtiger wurde gewöhnlich drei Mal vor das Officium geladen. Erschien er nicht, so wurde der Kirchenbann über ihn ausgesprochen; erschien er, so wurde er, im Nothfall durch die Folter, zum Geständniß gezwungen. War das Gericht von der ketzerischen Gesinnung des Angeklagten überzeugt, so bedurfte es keines Eingeständnisses, um die Strafen zu verhängen. Diese waren: entehrende Bußen, Einziehung des Vermögens, ewige Gefangenschaft und Feuertod, dem auch Bußfertige nicht immer entgingen. Auch an Leichen Verstorbener konnten noch entehrende Strafen vollzogen und auch Bücher konnten gerichtlich verfolgt werden. – Die ersten Inquisitionsgerichte wurden zu Toulouse abgehalten, aber die Strenge der Strafen erregte heftige Volksbewegungen, durch welche die Inquisitoren vertrieben oder, wie der päpstliche Legat Peter von Castelnau und Robert, der Ketzerhammer genannt (der in den ersten drei Monaten seiner Amtsführung mehr als 50 der Ketzerei verdächtige Christen entweder verbrennen oder lebendig begraben ließ), erschlagen wurden. Dennoch erhielt sich das Gericht in seiner fürchterlichen Gestalt und wurde in Frankreich von König Ludwig IX. in Schutz genommen. In kurzer Zeit verbreitete es sich auch nach Italien, Venedig, Catalonien, Aragonien und ganz Spanien, nach Portugal, Deutschland, Polen. In den Niederlanden wollten Kaiser Karl V. und später Philipp II. von Spanien durch den Herzog Alba die Inquisition einrichten lassen, doch stellten sich dem Unternehmen große Hindernisse entgegen. In Deutschland vereinigte sich das Volk mit den Bischöfen gegen das aufgedrungene Ketzergericht, und dessen Haupt, Konrad von Marburg, wurde mit seinem Anhange 1233 erschlagen. Später bestellte man in Rom zwar fortwährend Inquisitoren für Deutschland, aber sie konnten nur unter besondern günstigen Verhältnissen einzelne Machthandlungen ausüben und kommen nur vorübergehend im Jahre 1372 gegen die Geißler (s.d.) vor. Am fürchterlichsten herrschte die Inquisition in Spanien und Portugal, Ländern, die Jahrhunderte hindurch in patriotischen Kriegen sich gewöhnt hatten, Reinheit des Glaubens für das Höchste zu halten. Ferdinand der Katholische gebrauchte sie als Mittel, seine Macht zu heben und zu sichern. Den Plan zu ihrer neuern Einrichtung entwarf Mendoza, Beichtvater des Königs und Erzbischof von Sevilla, und Franz Ximenez, später Großinquisitor von Castilien. Den Plan vollendete der Dominikaner Thomas de Torquemada, seit 1478 erster Generalinquisitor von Spanien. Unter seiner von dem Könige allein abhängigen Schreckensregierung bestiegen Tausende den Scheiterhaufen oder starben unter der Folter, oder verschmachteten im Kerker, oder wanderten, wie die Juden und Mauren, gegen die hauptsächlich die vernichtende Gewalt der Inquisition gerichtet war, ins Elend. Als der König die Juden gegen ein angebotenes Geschenk von 30,000 Dukaten von der Gewalt der Inquisition freigeben wollte, schreckte ihn Torquemada von diesem Vorhaben zurück, mit einem ihm vorgehaltenen Crucifixe ausrufend: Ob er den theuern Heiland geiziger noch als Judas verkaufen wolle? – Nach dem von ihm durchgeführten Plane waren in den Hauptstädten Spaniens 15 Ketzergerichte eingerichtet. Der Großinquisitor, der zugleich Erzbischof von Toledo war, führte die Oberaufsicht über alle; damit Niemand nach Rom appelliren könne, wurde er zugleich zum päpstlichen Stellvertreter ernannt. Zur Ausspürung der Ketzer wurden besondere Diener, Familiares, angestellt; als solche ließen sich von jeher die vornehmsten Leute gleichsam als Sicherheitsmittel für sich selbst gebrauchen. In Spanien belief sich die Anzahl derselben auf 20,000. Beim Gericht selbst wurden theils Geistliche, theils Rechtsgelehrte als Richter verordnet. Das Haus, in welchem die Angeklagten aufbewahrt wurden, erhielt den Namen casa santa oder das h. Haus. Vor der Bekanntmachung ihres Urtheils erkannten schon die Gefangenen ihre Strafe aus der Kleidung, welche sie erhalten hatten. Behielten sie ihre gewöhnliche Kleidung, so sollten sie nur um Geld gestraft werden. Die, welche einen gelben Rock ohne Ärmel (Sanbenito genannt) und mit einem Andreaskreuze versehen, anlegen mußten, blieben gleichfalls am Leben, wurden aber an den Pranger gestellt und aller ihrer Güter beraubt. Diejenigen, deren Sanbenito mit Stücken von rothwollenem Zeuche, Flammen vorstellend, versehen und ohne Kreuz bezeichnet war, erhielten ihre Freiheit, doch wurden sie beim Verdachte neuer Ketzerei ohne Weiteres verbrannt. War auf dem Sanbenito noch das Bildniß Dessen, der es tragen sollte, angeheftet und mit Teufelsgestalten umgeben, so hatte der Verurtheilte den Flammentod zu erwarten, welche feierliche Hinrichtung Auto da Fe (s.d.) genannt[448] wurde. Dem Flüchtling war immer die Strafe der Hinrichtung bestimmt.
Die von den Spaniern und Portugiesen beherrschten Länder Amerikas und Ostindiens wurden gleichfalls unter die Aufsicht der Inquisition gestellt. Mexico, Cartagena, Lima und Goa in Ostindien wurden durch sie ein Schauplatz blutiger Verheerungen. Nirgend aber haben sich die nachtheiligen Folgen der Inquisition auffallender geäußert, als in Spanien, wo sie die natürliche Entwickelung des Volks aufhielt und dasselbe geistig verkümmern ließ. Erst durch Napoleon wurde sie hier, wie auch in Italien, aufgehoben. Ferdinand VII. rief sie wieder ins Dasein, bis sie 1820 abermals aufgehoben wurde. Johann VI., König von Portugal und Kaiser von Brasilien, hob die Inquisition in allen seinen Besitzungen auf. Wenn Papst Pius VII. 1814 die Inquisition in Rom wiederherstellte und Gregor XVI. 1833 zu ihrer Wiedereinführung in Sardinien schritt, so lag dies im Interesse des röm. Stuhls, der in ihr ein Schutzmittel der vielfach angefochtenen Grundlagen der Kirche fand.
Ursprünglich bedeutet Inquisition Aufsuchung oder Unterstützung und man nennt daher Inquisitionsproceß diejenige Art des Criminalprocesses, bei welcher dem Richter übertragen ist, Alles zu untersuchen, was zur Festsetzung und Erkenntniß des begangenen Verbrechens dienen kann, und den Angeklagten sowie die Zeugen zu verhören, um nicht allein Jenen zum Geständniß zu bringen, sondern auch durch die Übereinstimmung mit allen Nebenumständen und die Aussagen aller Zeugen die That nach ihrer Wahrheit darzustellen. Der diese Untersuchung führende Richter heißt dem Angeschuldigten gegenüber Inquirent, und der Angeschuldigte, so lange als das geschehene Verbrechen noch nicht soweit ermittelt ist, daß er durch richterlichen Ausspruch zur förmlichen Anklage für hinreichend verdächtig erklärt werden kann, Inculpat, nachher aber Inquisit. Das Verfahren beim Criminalprocesse in Deutschland erfodert, daß der Angeklagte von dem Richter nicht durch irgend welche Zwangsmittel, sondern nur durch die Macht der Wahrheit und die innere Anerkennung des begangenen Unrechts zum Eingeständniß des Verbrechens gebracht werde, während in Frankreich und England die Überführung des Angeklagten, ja wol gar die Wahrscheinlichkeit, welche aus der Untersuchung sich ergibt, hinreicht, um ein Strafurtheil zu begründen. Das deutsche Verfahren ist langsamer als das engl. und franz., aber jedenfalls der menschlichen Würde angemessener. (Vgl. Criminalrecht.)
Buchempfehlung
Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.
40 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro