Angelsächsische Literatur

[188] Angelsächsische Literatur. Aus der Heidenzeit der Angelsachsen sind nur drei bedeutende Gedichte auf uns gekommen: das Beowulfs Lied, des Sängers Weitfahrt und die Schlacht bei Finnsburg. Mit der Bekehrung zum Christenthume nahm die Poesie einen neuen Aufschwung; es gab viele religiöse Dichtungen, aber! wir haben aus der Zeit vor Alfred von diesen Dichtungen nur einen Theil von denen des Kädmon, der erst im Mannesalter seine poetische Begabung aufschloß. Berühmter Gelehrter und Dichter war Aldhelm (geb. 656, st. 709 als Bischof von Sherburn), dessen angels. Gedichte aber verloren sind, obwohl sie Jahrhunderte im Munde des Volkes lebten. Am höchsten unter allen gelehrten Angelsachsen steht jedoch Beda, geb. 673, seit seinem 7. Jahre in dem Kloster Wearmouth oder dem benachbarten Jarrow. Er war hochberühmter Lehrer und sehr fruchtbarer Schriftsteller; er schrieb: Commentare zum A. u. N. Testament, eine Abhandlung über die Natur der Dinge, Homilien, eine Abhandlung über die Zeitrechnung, eine beträchtliche Anzahl grammat. und philol. Werke, die alle seine Belesenheit in den lat. und griech. Schriftstellern beurkunden, Uebersetzungen, und sein Hauptwerk: die Geschichte der engl. Kirche von der Ankunft der Sachsen bis 731. Zu jener Zeit war unter dem engl. Clerus ein reger Eifer zur Förderung der Wissenschaft; in den Klöstern schufen fleißige Abschreiber Bibliotheken und in den Schulen der Klöster lehrten strenge Mönche das Trivium und Quadrivium. Vieles zerstörte der normann. Sturm, aber Alfred baute wieder auf; er wurde der Classiker seines Volkes und durch ihn die westsächsische Sprache zur Schriftsprache (seine Werke s. Alfred); mit ihm beginnt eine neue Periode der a. L. Wir nennen: Odo, Erzbischof v. Canterbury, Fridegode, Ethelwold, Dunstan, Oswald, Wolstan, Bridferth, Aelfrik, den berühmten Uebersetzer eines großen Theils der hl. Schrift, seinen Nachfolger Aelfrik Bata. Von dem Abt Kynewulf von Peterborough haben wir das klassische Gedicht »Elene«, auch »Juliana« ist wahrscheinlich von ihm. Unbekannt sind die Verfasser der Gedichte Andreas und Holofernes, von einer Menge lyrischer Dichtungen, namentlich Elegien und schönen Hymnen, des Siegeslieds auf die Schlacht von Brunanburg u.s.w. Durch die normann. Eroberung 1066 wurde aber die selbständige weitere Entwicklung der a. L. abgebrochen und so steht sie nur als eine Ruine unter der altgermanischen, von der deutsch. Wissenschaft [188] mehr erkannt und erforscht als von der englischen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 188-189.
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188 | 189
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