[129] Bodenspeicher werden diejenigen Lagerhäuser genannt, die aus mehreren (in der Regel 56, aber auch bis 10) Stockwerken bestehen und meist nur durch wenige senkrechte Zwischenwände (mindestens 38 cm starke und 11,5 m über Dach geführte Brandmauern, durch die keinerlei Konstruktionsteile gelegt werden dürfen) unterteilt sind. Die Bodenspeicher dienen zur Lagerung von loser oder gesackter Frucht (Getreide, Kaffee, Reis u.s.w.), ferner von Fässern, Ballen, Kisten u. dergl. Vgl. a. Silospeicher und Massentransport.
Der beste Bauplatz für einen Speicher ist naturgemäß die Stelle, wo die Verkehrsmittel (Schiffe, Eisenbahnwagen und Landfuhrwerk) sich so weit als möglich nähern, damit auch der häufig sogar durch den Speicher vermittelte Umschlagverkehr die kürzesten Wege nehmen kann. Die Grundrißform der Bodenspeicher ist meist rechtwinklig (lange Front); die Tiefe schwankt zwischen etwa 12 und 32 m (eine noch vorteilhafte Lagerung der Waren gibt die untere, die genügende Tagesbeleuchtung und Lüftung die obere Grenze). Die Hauptabmessungen (Gebäudetiefe, Geschoßhöhen) einiger Bodenspeicher gibt Tabelle I [1]; im übrigen vgl. [2].
Als Grenzwerte finden sich die lichten Höhen für Keller 2,33,5 m, Erdgeschoß 3,04,8 m, obere Stockwerke 2,74,0 m, Dachgeschoß 2,55,5 m. Die Entfernung der zweckmäßig senkrecht zu den einfallenden Lichtstrahlen anzuordnenden Unterzüge beträgt in der Regel 45 m, die der Balken 34 m. Die Nutzlastbelastung auf 1 qm wird meist angenommen bei leichten Speichern 1000 kg, bei schweren Speichern für das Erdgeschoß 18002000 kg, für die Böden 12501800 kg und für den Dachboden 5001000 kg. Ueber die Gründung von Bodenspeichern vgl. [3] (Rammtafeln und Formeln) und unten (erstes Beispiel). Die Mauern werden durch Wandsäulen und Unterzüge entlastet und mit der demnach unabhängig aufzuhellenden Tragkonstruktion nur leicht verankert; die zweckmäßig mit 6 cm Luftschichten auszubauenden Umfassungswände erhalten im Keller meist eine Stärke von 6375 cm, für das Erdgeschoß und die ersten zwei Böden 5063 cm, für die oberen Stockwerke 50 cm (alles einschließlich Luftschicht); Wände unter 11/2 Stein (38 cm) sind für Bodenspeicher nicht empfehlenswert. Als Material für die Tragkonstruktion, dessen Wahl insbesondere abhängig ist von den örtlichen Baupolizeibestimmungen, kommen in Betracht: Holz, Guß- und Schmiedeeisen, Mörteldecken, Monierkappen oder andre massive Decken (Hennebique) u.s.w.
Die meist zur Lagerung von Butter, Oel, Spiritus u. dergl. verwendeten Keller sind mit ihrer Sohle über das bekannte höchste Grundwasser zu legen oder mit wasserdichten Fußböden und Wänden auszustatten. Wegen der Feuersgefahr werden die Stützen meist aus Eisen oder Stein hergestellt und die Decken gewölbt oder aus Betonguß gefertigt. Das Erdgeschoß wird gern in Höhe der Ladebühnen (1,12 m über Schienenoberkante) angeordnet. Vorteilhaft ist es, allen Decken von der Mitte nach den Luken ein Gefälle von etwa 1 : 200 zu geben und in die Wände Tonröhren einzumauern zum Abfluß etwaigen Löschwassers. Empfohlen wird eine Entfernung der 1,82,9 m hohen und 1,72,3 m breiten, nach innen schlagenden Luken von etwa 10 m; die Fenster pflegt man 20 : 25 cm zu wählen (zwei Scheiben zum Oeffnen, häufig Drahtgitter zum Schütze gegen Vögel). Die massiven, vom Keller bis zum Dachboden führenden und nur dem Personenverkehr dienenden Treppenhäuser haben meist Umfassungswände wie die Brandmauern (s. oben), Stufen 20 cm hoch, 24 cm tief und mindestens 90 cm breit. In der Regel werden hier auch die Aborte, Leitungsröhren und Kabel untergebracht; Türen selbstschließend, eisenbeschlagen, mit Gucklöchern und Vorlegeschlössern. Für den Warentransport dienen Hebezeuge (Aufzüge s.d.). Ueber Schutzmaßregeln gegen Feuersgefahr s. [3], ferner Vorrichtungen für Feuerlöschzwecke vgl. [1] und [4].
In den für die Lagerung und Erhaltung von lose geschüttetem Getreide bestimmten Bodenspeichern, den sogenannten Schüttbodenspeichern, die namentlich in Europa heutzutage sehr oft mit Silospeichern (s.d.) vereinigt werden, wird das Korn in einer Schicht von 1,22,5 m Höhe auf dem Fußboden ausgebreitet (für frisch geerntete Frucht die beste Lagerung); die bei dieser Aufbewahrungsart zur Erhaltung der Frucht nötige Lüftung wird durch zahlreiche Fenster und Luken bewirkt. Das Korn wird in Gänge von 0,81,5 m Breite (Feuerpolizei)[129] zwischen sich freilassende Beete oder Felder abgeteilt, die um so flacher sein und um so häufiger umgeschaufelt werden müssen, je feuchter das Getreide ist. Schneller und billiger als von Hand geschieht das Umlagern (Umstechen) durch nahezu selbsttätig arbeitende Rieseleinrichtungen [5]. Die für größere, maschinell betriebene Bodenspeicher überaus zweckmäßige Anordnung besteht nach Fig. 1 in einer der Balkenteilung entsprechenden reihenweisen Durchlockung des Fußbodens nun aus entsprechenden gelochten, durch Handhebel verstellbaren Flacheisenschiebern unter dem Fußboden (Durchmesser der Riesellöcher für Weizen und Roggen 34 cm, für den sperrigeren Hafer 6 cm, Abstand etwa 0,6 m). Sobald die Schieber geöffnet werden, fließt das Getreide durch die Rieselöffnungen ab und fällt auf unterhalb der Schieber angebrachte, durchgehende Abweisewinkel (Spritzdächer), die den Getreidestrom fein verteilen und in innige Berührung mit Luft bringen. Gleichzeitig mit der Umlagerung und Lüftung findet eine Reinigung des Getreides von leichteren Beimengungen statt. Der Rückstand auf dem oberen Lagerboden (etwa 1/10 der Getreidemasse) wird den Riesellöchern von Hand zugeführt. Das Abrieseln einer Getreidescheibe von 1,2 m Schütthöhe erfordert nach den Beobachtungen in den neuen Speichern der Heeresverwaltung in Berlin (das Fassungsvermögen eines Bodens beträgt dort rund 250300 t) etwa 10 Minuten, während bei Handarbeit nur rund 2,5 t in 1 Stunde umgestochen werden können. In bezug auf Raumausnutzung (s. unten) hat jedoch der Bodenspeicher mit Rieselung gegen den gewöhnlichen Bodenspeicher den Nachteil, daß stets ein Lagerboden frei sein muß. Besonders gut eignet sich das System für Speicher mit möglichst einheitlicher Fruchtart (Mühlen, Mälzereien, Futterspeicher; Inhalt der Mühlenspeicher bei großen Mühlen gleich dem 2530 fachen Betrag der Tagesvermahlung). Die Kosten der Rieseleinrichtung betragen für 1 qm Bodenfläche etwa 2,753 ℳ.
Auf die Böden gelangt das Getreide mittels Elevatoren (s.d.), Gurtförderern (s.d.) bezw. Schnecken (s.d.); entnommen wird es mit Hilfe von Drehschiebern durch Fallrohre, als welche häufig die hohlen eisernen Stützsäulen dienen [6]. Meist wird das Korn vor der Einlagerung einer Vorreinigung unterworfen, durch die Staub und Unkraut entfernt werden (s. unten, zweites Beispiel).
Die Vorteile der (älteren) Bodenspeicher gegenüber den (jüngeren) Zellenspeichern (Silos) liegen darin, daß außer dem je nach der trockeneren oder feuchteren Beschaffenheit in mehr oder minder hoher Schicht aufzubewahrenden Körnergut auch Stückgut gelagert werden kann, daß Proben leicht zu entnehmen sind und dauernd Zugluft möglich ist. Demgegenüber steht als wesentlicher Nachteil, daß die Raumausnutzung verhältnismäßig klein ist. Praktisch wird das durch die Beispiele in Tabelle II bewiesen; ein theoretisches Beispiel liefert fast dasselbe Durchschnittsergebnis: ein Bodenspeicher von 30 : 20 m Grundfläche und 6 Stockwerken von
je 3 m Höhe hat einen Rauminhalt von R = 10800 cbm. Beträgt die Schütthöhe des Getreides 1,2 m, so ist die lagernde Fruchtmenge nach Abzug von rund 25% für Gänge u.s.w.: [130] M = 0,75 · (30 · 20 · 1,2 · 6) = 3240 cbm, d.h. M: R = 0,3. Ueber weitere Vorteile der Silospeicher s.d. Im allgemeinen wird man sagen können: Wo Grunderwerbs- und Baukosten groß sind, werden sich Silos empfehlen, wenn das Korn Zellenlagerung verträgt; sonst ist die Wahl zwischen Silo, Bodenspeicher und vereinigtem System von den jeweiligen gegebenen Verkehrs-, Betriebs- und sonstigen besonderen Verhältnissen abhängig.
Fig. 2 zeigt als Beispiel eines Bodenspeichers für Waren aller Art einen Schnitt durch das Niederlagegebäude des »Packhofes« in Berlin [5]. Die Kosten des in Backsteinrohbau mit Vollklinkerverblendung hergestellten Gebäudes haben sich ausschließlich der 107900 ℳ. erfordernden künstlichen Gründung auf 1068380 ℳ. belaufen. Bei einem Inhalt der bebauten Grundfläche von 4595 qm kommt auf das Quadratmeter der Einheitsbetrag von 232,50 ℳ. (ohne Gründung). Der Rauminhalt des Bodenspeichers beträgt 95116,50 cbm, der Einheitspreis für den Kubikmeter also 11,20 ℳ. Die nutzbare Lagerfläche mißt 17300 qm, demnach berechnet sich der Einheitsbetrag der Gesamtkosten für das Quadratmeter auf 68 ℳ.
Als Beispiel eines neueren, maschinell betriebenen Bodenspeichers für Getreide sei die im Hafen von Dérindjé an der Anatolischen Bahn (Kleinasien) [7] erbaute Speicheranlage (Fig. 35) kurz beschrieben. Diese enthält mechanische Einrichtungen für die Entnahme des Getreides von der Bahn, für die Reinigung, Verwiegung und Einlegung sowie für die unmittelbare Verladung in den Dampfer. Von den beiden Speichern ist der eine auf das feste Land, der andre zum Teil ins tiefe Wasser gebaut; sie liegen unmittelbar hintereinander und lassen zwischen sich Raum für vier Betriebsgleise. Hinter den Speichern befindet sich das Maschinenhaus mit zwei Dampfmaschinen von je 40 PS., welche die mechanische Einrichtung der beiden Speicher antreiben; eine dritte, kleinere Maschine (in der Zeichnung nicht mit dargestellt) dient zur Beleuchtung der Speicherräume. Der Landspeicher ist auf einem Pfahlrost gegründet. Das Fundament des Wasserspeichers wurde auf der wasserseitig gelegenen Hälfte mit Hilfe von hölzernen Senkkasten hergestellt, die schwimmend herangebracht und an Ort und Steile versenkt wurden. Dieses Senkkastenfundament reicht bis zu 8,5 m, und die Wassertiefe vor der Speicheranlage beträgt im Striche des anlegenden Schiffes etwa 8 m. Die 75,9 m langen und 15 m breiten Speichergebäude bestehen aus Holz und haben einen Mantel aus verzinktem Wellblech. Ueber dem Kellergeschoß erheben sich sechs Schüttböden, von denen die fünf unteren je 3,10 m, der oberste 2,5 m hoch ist. jeder Boden hat eine Schüttfläche von etwa 850 qm; in beiden Speichern sind also 10200 qm Schüttfläche vorhanden. Die Beschüttung der Böden ist durchschnittlich zu 1,6 m Höhe = 1,2 t/qm angenommen, so daß sich eine Aufnahmefähigkeit von 12240 t für beide Speicher ergibt.[131]
Jeder Speicher ist mit einer Empfangsvorrichtung für 50 t/Stunden und einer Ausladevorrichtung für. 100 t/Stunden ausgerüstet. Falls nichts aufgenommen wird, können aus jedem Speicher 100 t/Stunden, zusammen also 200 t/Stunden, in den Dampfer verladen werden. Die Empfangsvorrichtung besteht je in einer 20 m langen Längsschnecke, mit der das Getreide, das aus den Wagen unmittelbar in die Schnecke hineinläuft, nach einem Elevator befördert wird; dieser bringt es zunächst nach einer selbsttätigen Wage (s. Wagen), auf der es in ungereinigtem Zustande gewogen wird. Von da geht es zur Reinigungsmaschine, dann zu einer zweiten Wage, wird darauf von dem zweiten Elevator auf ein Förderband gehoben und von diesem schließlich durch Abfallrohre nach den einzelnen Böden befördert. Bei der Ausgabe gelangt das Getreide durch die Abfallrohre und das Längsförderband wenn es aus dem Landspeicher kommt, weiter über ein Querband im Verbindungstunnel zu dem großen Elevator im Wasserspeicher und wird durch diesen über eine selbsttätige Wage nach den dreh- und ausziehbaren Ausladeröhren befördert, die es unmittelbar in das Schiff auslaufen lassen. Die Einrichtungen gestatten auch, das Getreide umzulagern. Zu dem Zweck wird es durch die Abfallrohre und das Längsförderband nach dem großen Elevator geführt. Jeder Speicher besitzt eine Reinigungsanlage, in der Staub, Kaff, Steine u.s.w. ausgeschieden werden; die Reinigung kann entweder beim Empfang oder später beim Umlagern des Getreides vorgenommen werden. Auch kann die Gerste durch sogenannte Entgranner geführt werden, von denen in jedem Speicher einer untergebracht ist. Hier werden den Körnern die Köpfe gebrochen und sie somit für Mälzereizwecke vorbereitet. Die Staubluft wird von der Reinigungsmaschine in zwei Zyklone hineingeblasen, aus denen sie nahezu staubfrei austritt. Zur Vermeidung übermäßiger Staubentwicklung beim Empfang und bei der Ausladung des Getreides arbeitet in jedem Speicher ein Exhaustor, der die Luft aus den Wägevorrichtungen absaugt.
Literatur: [1] Buhle, Transport- und Lagerungseinrichtungen für Getreide und Kohle, Berlin 1899, S. 15 und 25. [2] Buhle, Technische Hilfsmittel zur Beförderung und Lagerung von Sammelkörpern (Massengütern), Berlin 1904, 2. Teil, 3. Zahlentafel, S. 198 und 199. [3] Baukunde des Architekten, Berlin 1897, Bd. 2, 1. Teil, 4. Abschnitt (Ohrt), S. 427 ff. [4] Hagn, Denkschrift über den Schutz von Eisenkonstruktionen gegen Feuer, Hamburg 1904. [5] Berlin und seine Bauten, Berlin 1896, 1. Teil, S. 500. [6] Baumgartner, Handbuch des Mühlenbaues und der Müllerei, Berlin 1902, Bd. 1, 2. Teil, S. 824 ff. [7] Buhle, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1904, S. 225 ff.; ferner Luther, G., Die Konstruktion und Einrichtung der Speicher, Braunschweig 1886; Burmester, Die großen Speicherbauten Hamburgs und Altonas, Hamburg 1891; Hamburg und seine Bauten, Hamburg 1890; Klasen, Grundrißvorbilder, Liefg. 74 und 75, Leipzig 1893; Die Hafen- und Uferbauten zu Worms, Worms 1893; Der neue Rheinhafen zu Düsseldorf, Düsseldorf 1896; Neue Werft- und Hafenanlagen zu Köln, Köln 1898; Die Hafenanlagen zu Breslau, Breslau 1901; Das städtische Tiefbauwesen in Frankfurt a.M., Frankfurt a.M. 1903.
M. Buhle.
Lueger-1904: Bodenspeicher [2]
Buchempfehlung
Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro