Waschmittel [1]

[653] Waschmittel, fettlose. Die durch den Krieg verursachte große Knappheit an Fetten und Oelen zur Herstellung von Seife und seifenhaltigen Waschmitteln[653] hat eine neue Industrie geschaffen: die Industrie fettloser Waschmittel. Wir haben zwar schon vor dem Kriege fettlose Waschmittel gehabt, z.B. die Bleichsoda, ein Gemisch von Soda und Wasserglas, deren Lösung vielfach zum Einweichen der Wäsche benutzt wurde, auch sehr minderwertige, denen besondere Waschwirkungen angedichtet wurden, wie Ammonin und Polysulfin, ersteres aus Sodarückständen bestehend, letzteres lediglich eine unreine und sehr stark wasserhaltige Soda; aber alle solche Waschmittel haben gegenüber von Seife und Seifenpulver nur eine bescheidene Rolle gespielt. Erst der Krieg hat die fettlosen Waschmittel wie Pilze aus der Erde schießen lassen, und wir haben es bereits zu einem Verein der Fabrikanten fettloser Waschmittel sowie einem Grossistenverein fettloser Waschmittel gebracht.

Als durch die Bundesratsverordnung vom 21. Juli 1916 die Monatsration an fetthaltigen Waschmitteln auf 50 g »Feinseife« und 50 g Seifenpulver festgesetzt wurde, ein Quantum, wodurch der Bedarf an Waschmitteln nicht im entferntesten gedeckt war, trat naturgemäß ein dringendes Bedürfnis nach Ersatzwaschmitteln ein, und es setzte eine rege Tätigkeit auf dem Gebiet der fettlosen Waschmittel ein. Waren schon nach der Verordnung vom 18. April des Jahres, wonach an eine Person monatlich nur 100 g Feinseife und 500 g Seifenpulver abgegeben werden durften, massenhaft Tonwaschmittel aufgetaucht, so wurde das Angebot Zweifelhafter Produkte nach Erlaß der Verordnung vom 21. Juli derart, daß die Regierung sich gezwungen sah, durch eine Verordnung vom 5. Oktober den ärgsten Auswüchsen auf dem Gebiete der Tonwaschmittel zu begegnen. Das Wort »Seife« wurde unter Schutz gestellt, indem verboten wurde, zur Bezeichnung von fettlosen Wasch- und Reinigungsmitteln jeder Art das Wort »Seife« oder eine das Wort »Seife« enthaltende Wortverbindung zu verwenden. Reiner Ton wurde einem Höchstpreis unterworfen, und alle zusammengesetzten tonhaltigen Waschmittel wurden hinsichtlich Vertrieb und Preis von der Genehmigung des Kriegsausschusses für Oele und Fette abhängig gemacht. Ein Erfolg dieser Verordnung war, daß die zu Wucher Preisen in den Handel gebrachten Toiletteseifenersatzstücke und Waschseifenersatzstücke aus Ton vom Markte verschwanden und eine Reihe relativ brauchbarer Fabrikate solider Fabriken zu mäßigen Preisen im Handel blieb. Leider traf die Verordnung nur die Tonwaschmittel, und so verblieb dem Schwindel noch ein reiches Feld der Betätigung. Stoffe, denen jede Waschwirkung abgeht, wurden vielfach als Ersatzmittel in den Handel gebracht, z.B. Natriumsulfat als Sodaersatz. Was der Bevölkerung an »Waschmitteln« geboten ist, mögen einige Analysen zeigen, die ein Laboratorium einer größeren Waschmittelfabrik zu Informationszwecken ausgeführt hat [1]: Pugol nur Natriumsulfat, Reinigungskristall nur Natriumsulfat, Garbodes Waschpulver hauptsächlich Sulfat und Kochsalz, Hand in Hand Natriumsulfat und Kochsalz mit Schaummittel, Reinigungskristall Antisol Magnesiumsulfat, Perbol 83% Kochsalz, 4% Sulfat.

Von den fettlosen Waschmitteln lassen sich im wesentlichen drei Gruppen unterscheiden: 1. Emulsionsbildner, namentlich Saponin und saponinhaltige Pflanzenteile; 2. Mittel, die durch eine schwache Alkaliwirkung eine Quellung von Schmutz oder Substrat oder von beiden bewirken und dadurch die mechanische Ablösung des Schmutzes erleichtern, wie Soda, Pottasche, Wasserglas, Borax, Natriumphosphat; 3. mechanisch wirkende Mittel: Ton und Talk, die zugleich die Eigenschaft besitzen, Fette und Farbstoffe anzuziehen und festzuhalten.

Aus der ersten Gruppe ist besonders die Quillajarinde zu nennen, auch Panamarinde genannt, die getrocknete Rinde von Quillaja saponaria, einer in Chile und Peru heimischen Rosacee, die schon lange zum Waschen seiner seidener und wollener Gewebe dient. Ihr wirksamer Bestandteil ist Saponin. Das außer in der Quillajarinde noch in vielen anderen Pflanzen enthaltene Saponin, bei uns namentlich in den Roßkastanien, den Früchten von Aesculus Hippocastanum, und in den Wurzeln des Seifenkrauts (Saponaria officinalis), einer Caryophyllacee, ist ein Glucosid. Es ist ein neutrales, weißes, amorphes, geruchloses, aber starkes Niesen erregendes Pulver von anfangs süßlichem, später kratzendem Geschmack, und ist giftig. Es ist in Wasser und wässerigem Weingeist leicht löslich, unlöslich in wasserfreiem Weingeist. 0,1% Saponin enthaltende wässerige Lösungen schäumen wie Seifenwasser, Man verwendet es vielfach in Mengen von 2 bis 3% als Zusatz zu fettlosen Waschmitteln, um sie schäumend zu machen, sowie zu Seifenpulvern, um ihre Schaumkraft zu erhöhen.

Von den Waschmitteln der zweiten Gruppe haben Borax und Natriumphosphat eine schwach alkalische Wirkung, kommen aber ihres Preises wegen bei Herstellung fettloser Waschmittel kaum in Betracht. Ihre Waschwirkung ist erheblich schwächer als die von Soda. Das Gros der fettlosen Waschmittel besteht aus Soda oder Pottasche mit Wasserglas, eventuell mit kleinen Zusätzen von kaustischem Alkali, die eine bestimmte Grenze nicht überschreiten dürfen, damit die Wäschefaser nicht angegriffen wird. Man sagt gewöhnlich: Seifenpulver und andere Waschpulver dürfen kein freies Alkali enthalten; doch das ist übertrieben. Ein Gehalt von 1 bis 2%. erhöht die Waschwirkung, ohne merklichen Einfluß auf die Wäschefaser auszuüben.

Ueber den Einfluß der Waschmittel auf die Gewebe haben Ad. Grün und Jos. Jungmann [2] eingehende Untersuchungen angestellt, und zwar sowohl auf Baumwoll- wie auf Leinenzeuge. Sie benutzten zu ihren Versuchen eine neutrale Kernseife mit 62% Fettsäuregehalt, 98 prozentige Ammoniaksoda, 38 gradiges Wasserglas und festes Wasserglas (Na2Si4O9) und verwandten das Waschmittel in 2 prozentiger Lösung, und zwar von letzterem 28% vom Gewicht des zu waschenden Gewebes. Alle Waschreihen wurden doppelt ausgeführt, einmal mit hartem Wasser (Leitungswasser von 8,5 Härtegraden), dann in destilliertem Wasser. Jede Waschung wurde 30 mal wiederholt. Dabei ergab sich, daß beim Waschen in hartem Wasser[654] sowohl Baumwolle wie Leinwand weniger angegriffen wurden als bei Verwendung von weichem Wasser. Bei Seife und Soda sind die Unterschiede geringfügig; dagegen zeigt Wasserglas beim Waschen mit destilliertem Wasser eine merkliche Schädigung der Baumwolle. Es stellte sich ferner heraus, daß Leinwand gegen jedes Waschmittel weniger widerstandsfähig ist als Baumwolle. Während aber die mit Seife gewaschenen Zeuge unveränderten, ja erhöhten Glanz zeigen und im auffallenden Lichte blendend weiß erscheinen, sind die mit Soda gewaschenen im zerstreuten Licht stark vergilbt, mit einem Stich nach Rosa; im auffallenden Licht erscheinen sie leicht angegraut. Nach dem Waschen mit Wasserglas sind die Gewebe zwar weiß, aber vollkommen glanzlos, stumpf. Fast noch schlechter als die Farbe und der Glanz ist der Griff der mit Soda oder Wasserglas gewaschenen Zeuge. Bei Verwendung von kombinierten Waschmitteln im Verhältnis 1 : 1 resp. 1 : 1 : 1 zeigten nach 30 maligem Waschen in Leitungswasser Baumwollgewebe gegen die ursprüngliche Fertigkeit bei Seife und Soda eine Abnahme von 9,4%, bei Seife und Wasserglas von 12%, bei Soda und Wasserglas von 0,5%, bei Seife, Soda und Wasserglas von 5,4%, Leinwand bei Seife und Soda eine Abnahme von 22,5%, bei Seife und Wasserglas von 15,2%, bei Soda und Wasserglas von 15%, bei Seife, Soda und Wasserglas von 18,3%; in weichem Wasser Baumwolle bei Seife und Soda eine Abnahme von 6,4%. bei Seife und Wasserglas von 10,6%. bei Soda und Wasserglas von 6%, bei Seife, Soda und Wasserglas von 0,5%, Leinwand bei Seife und Soda eine Abnahme von 14,4%, bei Seife und Wasserglas von 21%, bei Soda und Wasserglas von 12,5%, bei Seife, Soda und Wasserglas von 8,6%. Danach schaden Gemische von zwei und mehr Waschmitteln den Geweben im allgemeinen mehr, als jedes dieser Mittel allein verwandt schadet. Die in Seife- und Sodalösung nur eingeweichten Gegenstände zeigten nach der Behandlung rein weiße Farbe mit schönstem Hochglanz und tadellosen Griff.

Die Fähigkeit des Tons, zu waschen und Schmutz aufzunehmen, ist seit langem bekannt. Sie beruht darauf, daß er mit Wasser plastisch wird und in einen kolloiden Zustand übergeht. Zugleich wirkt er mechanisch. Er hat dann die Eigenschaft, Schmutz und Oel stark aufzunehmen und festzuhalten. Es ist daher nicht zu verwundern, daß bei der Knappheit an Fetten und Oelen und der dadurch bedingten Knappheit an Seife während des Krieges massenhaft Tonwaschmittel im Handel erschienen. Zum Waschen der Wäsche haben sie nur eine untergeordnete Bedeutung; doch sind sie auch dazu herangezogen. Ein altes Rezept zu einer solchen »Tonseife« lautet: 1 Pfund Pottasche, 1/2 Pfund gelöschter Kalk, 20 Pfund getrockneter Ton und 4 Pfund Wasser. Es soll in Stangenform ein Waschmittel für Wäsche geben. – Eine »Tonseife«, die hervorragende Reinigungskraft für Wäsche besitzen soll, besteht aus 75% Ton, 20% Wasser und 5% katz. Soda [3].

Von den verschiedenen in der Natur vorkommenden Formen ist die Porzellanerde oder der Kaolin (vom chinesischen Kao-ling) am reinsten. Er befindet sich auf primärer Lagerstätte, während aller sonstiger Ton, indem er von seinem ursprünglichen Lager fortgeschlemmt wurde, eine sekundäre Lagerstätte einnimmt. Aller Ton, Aluminiumsilikat, ist Zersetzungs- oder Umwandlungsprodukt von Feldspat und ähnlichem Gestein. Kaolin wird nicht so plastisch wie Ton. In letzterem sind es nach Unterteilungen von Rohland, Neubert u.s.w. hauptsächlich Humusstoffe, welche die Plastizität bedingen. Man unterscheidet sie demnach als »fette Tone«, solche mit hohen plastischen Eigenschaften, und als »magere« oder »kurze Tone«, solche mit weniger plastischen Eigenschaften. Alle geschlämmten Tone und Kaolin eignen sich zu Waschmitteln. Unreinigkeiten, wie kleine Quarzsplitter oder Spuren von Eisen, sollen nach Henkel & Co. [4] nicht schaden, während von anderer Seite große Bedenken gegen so verunreinigte Tone geäußert sind. Meist wird der Ton geschlämmt und lufttrocken gezogen, wonach er als Brocken in den Handel gebracht wird. Als solcher hat er etwa 10% Wasser. In dieser Form ist er in Schleudermühlen, Kugelmühlen u.s.w. gut mahlbar.

Walkerde besitzt ebenfalls in hohem Grade Schmutz und Fett aufnehmende Eigenschaften; der Preis und die Farbe sind jedoch derart, daß sie nur für gewisse Zwecke und nur in gewissen Qualitäten verwendbar sind.

Es mögen hier noch einige besondere Tonwaschmittel Erwähnung finden, die wir einer Mitteilung aus dem Laboratorium von Henkel & Co. in Düsseldorf entnehmen [5]:

Durch Pressen von hochplastischem Ton mit Brikettpressen oder dergleichen stellt man Blöcke her, die unter dem Namen Ton- oder Putzstein, Waschblock, Waschpilz in den Handel kommen. Sie zeigen reinigende Eigenschaften, zerfallen aber bald, wenn sie entweder austrocknen oder mit Feuchtigkeit stark in Berührung kommen. – Bei Herstellung von Toiletteton sucht man die plastischen Eigenschaften des Tons durch sorgfältiges Quellenlassen zu erhöhen. Indem man ferner den Ton mit Seifenlösung, Harzseife, Leim oder organischen Schleim- und Bindemitteln versetzt, sucht man einerseits die Plastizität des Tons zu erhalten, andererseits die Eigenschaft des Tons, Wasser schnell aufzunehmen, zu erniedrigen. Ton oder Kaolin von mittleren fetten Eigenschaften wird in Kugel- oder Schleudermühlen sorgfältig gemahlen, dann in einer Mischmaschine mit 30–40% Harzseifenlösung, die ca. 3% Harz enthält, geknetet, so daß die Masse eine zähe, plastische Form annimmt. Ferner werden noch 2–3% Saponin als künstliches Schaummittel zugesetzt. Zur besseren Durchmischung kann man diese Paste durch die Walze gehen lassen. Die weitere Verarbeitung erfolgt durch die Strangpresse. Die hieraus erhaltenen Stücke werden in einer Autopresse oder Handpresse geformt, gestempelt und die Oberfläche mit Talk bestreut. Kurzes Lagern an der Luft macht die Stücke genügend fest. Da der Ton in verschiedenen Graden plastische Eigenschaften besitzt, so ist zu empfehlen, einen Vorversuch zu machen, um zu ermitteln, welche Mengen Wasser resp. Harzseifenlösung notwendig sind, um die Knetbarkeit der Masse auf die gewünschte Form zu bringen. Diese Toilettetone eignen sich zur Reinigung von Hand und Körper. Das Fehlen des Alkali und die Weichheit der Stücke ist nachteilig beim Reinigen von besonders schmutzigen, öligen Händen und [655] Körpern, wie bei Arbeitern der Schwerindustrie sowie der Druckereien und Färbereien. Außerdem dringt der Ton in alle Hautteile ein, auch sind die Stücke sehr empfindlich beim Lagern an feuchten Orten. – Die sogenannte Preßtonseife wird hergestellt, indem man in den Ton Salze, die viel Wasser aufnehmen können, einkristallisieren läßt, und man erreicht dadurch, daß der Quellzustand des Tons erhalten bleibt. Zweckmäßig gibt man 1% Harzseife bei der Herstellung dieser Kristallblöcke aus Ton und kristallisiertem Salz zu, die Kristallblöcke werden gemahlen und dann zu Stücken auf Pressen und hohem Druck gepreßt. Diese Tonseife ist sehr sparsam im Gebrauch und eignet sich besonders zum Reinigen von öligen, schmutzigen, farbigen Händen und anderen Körperteilen. Wegen ihrer Alkalinität eignet sie sich weniger zum Waschen des Gesichts und zarter Hände. Man trägt in eine heiße, 25 prozentige Sodalösung, die 2% Harz enthält, ca. 50% feingepulverten Ton ein und mischt intensiv, bis ein einheitlicher, zäher Brei entsteht. Dieser wird zur Kristallisation gebracht, und die Kristallblöcke werden auf Kollergängen- oder Schlagkreuzmühlen staubfrei gemahlen. Das Pulver wird auf Pressen zu Stücken gepreßt.

Der Speckstein oder Talk ist ein wasserhaltiges Magnesiumsilikat (Mg2H2(SiO3)4) von weißer bis gelblicher Farbe und wird namentlich in Böhmen, Frankreich und Nordamerika gewonnen. Zu Waschmitteln wird er gemahlen verwandt. Er muß vor Feuchtigkeit geschützt aufbewahrt werden, da sich sonst Klumpen bilden. Er zieht in ähnlicher Weise wie Ton künstliche, pflanzliche und tierische Farbstoffe sowie Fette, Oele und Schmutz an und ist daher in gleicher Weise wie Ton zu verwenden. Die Aufnahmefähigkeit für die verschiedenen Farbstoffe ist, wie P. Rohland [6] durch eingehende Untersuchungen festgestellt hat, außerordentlich verschieden. Einfach konstituierte Salze, wie Cuprisulfat und Kalidichromat, werden überhaupt nicht aufgenommen.

Der Talk hat schon immer als Füllmittel für Seifen gedient, aber nicht seiner kolloiden Eigenschaften wegen, sondern lediglich als Streckungsmittel. Namentlich ist er als Füllungsmittel für kaltgerührte Kokosseifen benutzt worden. Seine Verwendung erfolgt meistens in der Weise, daß man ihn mit etwas geschmolzenem Kokosöl anrührt und dann dem ganzen Oelansatz einkrückt. Die mit Talk vermehrten Seifen sind sehr fest, halten sich sehr gut auf Lager, wirken günstig auf die Haut und entwickeln, gut getrocknet, beim Pressen viel Glanz, haben aber den Fehler, daß ihnen jede Transparenz abgeht und daß damit gefüllte weiße Seifen ein mehr graues Ansehen haben [7].

Zur Erhöhung der Waschwirkung oder, richtiger gesagt, zur Erzielung einer Bleichwirkung neben der eigentlichen Waschwirkung hat man vor ungefähr einem Jahrzehnt angefangen, den Waschmitteln noch besondere Bleich- oder Oxydationsstoffe zuzusetzen, und hat damit die sogenannte »selbsttätige« Wäscherei geschaffen. Als diese Bleichwaschmittel auftauchten, wurden sie mit großer Begeisterung aufgenommen, da man die dazu benutzten Bleichmittel für vollkommen unschädlich hielt, und sie haben sich schnell eingeführt. Man verwandte vor allem hierzu das über 10% aktiven Sauerstoff enthaltende Natriumperborat NaBO3 + 4H2O, das den Seifen- oder Waschpulvern zugesetzt wurde (vgl. unter Seife und Seifenpulver). Nachdem während des Krieges die Borsäure und demnach auch das daraus hergestellte Perborat ausgegangen waren, wurde Perkarbonat genommen. Allmählich brach sich aber die Erkenntnis durch, daß diese selbsttätigen Waschmittel doch nicht so unschuldig sind, wie man ursprünglich annahm. Immer häufiger wurden Stimmen laut, daß die Bleichwaschmittel die Wäsche stark angriffen. Daß man anfänglich die Unschädlichkeit der Sauerstoffwaschmittel angenommen hat, hat nach Meinung von P. Heermann [8] wesentlich seinen Grund darin, daß man die Waschversuche an reinen Stoffen vornahm; der Genannte hat jedoch nachgewiesen, daß die Beschmutzung von großer Bedeutung sein kann. Die Anschmutzung gibt dem aktiven Sauerstoff Angriffspunkte für die Faser, so daß der Schmutz gewissermaßen als mechanischer Sauerstoffüberträger dient; dazu kommt aber öfter noch das Vorhandensein echter Sauerstoffüberträger im chemischen Sinne im Schmutz. Heermann hat nachgewiesen, daß gewisse Metallverbindungen, besonders Kupfersalze, eine sehr starke Katalyse der Perverbindungen bewirken und die dadurch bewirkte rapide Sauerstoffabgabe geradezu zu lokalen Zerstörungen des Gewebes führen kann. Er hat unter gewissen Umständen schon nach einmaliger Behandlung bei Vorhandensein von Kupfervitriolflecken Lochfraß in der Wäsche beobachtet. Weniger stark wirkt die Gegenwart von Eisenoxyd. Hier kommt es nicht zur Lochbildung; doch war nach mehrmaliger Wäsche der Stoff an der eisenhaltigen Stelle stark geschwächt. Je nach der Art der Faser (ob Baumwolle oder Leinen), der Dicke des Stoffes, der sonstigen Beschaffenheit der Stoffe, der Konzentration der Sauerstoffbäder, der Menge des aufgetragenen Kupfers u.s.w. tritt die Durchlöcherung schneller oder langsamer ein. Leinen ist besonders empfindlich; bereits nach einmaligem Bleichwaschen in einem Natriumperboratbade von 1 bis 0,1%, also von einem Sauerstoffgehalt von 0,1 bis 0,01%, entstehen in den Leinenstoffen vollständige Durchlöcherungen. Bei Baumwollstoffen erhielt Heermann nach zweimaligem Waschen die ersten Durchlöcherungen, die bei jedem nachfolgenden Waschen zusehends wuchsen und nach 4–6 Waschbehandlungen groschenstückgroße Löcher aufwiesen, und zwar soweit der Kupfergehalt reichte und nicht weiter.

Daß auch ohne Einfluß von besonderem Schmutz, sondern auch die reine Wäschefaser von Perboratlösungen angegriffen werden, haben die Untersuchungen von Ad. Grün und Jos. Jungmann über die Wirkung, welche perborathaltige Waschmittel auf die Gewebe haben, im Vergleich zu den gleichen perboratfreien, gezeigt. Sie haben gefunden, daß fast in allen Fällen die Festigkeitsabnahme bei Gegenwart von Perborat bedeutend größer ist als bei perboratfreiem Waschmittel. Die größte Schädigung zeigt sich bei Seife, geringere bei Soda, die geringste bei Wasserglas. In Leitungswasser von 8,5 Härtegraden gibt ein Gemisch von Wasserglas und Perborat beinahe dasselbe Resultat wie Wasserglas allein. Unter diesen Umständen ist es, wenn man auf die Bleiche nicht verzichten will, unbedingt richtiger, nicht Waschmittel mit[656] einem. Zusatz von Perborat anzuwenden, sondern erst zu waschen und dann die fertige Wasche zu bleichen. Wendet man Perborat allein an, so wird man wie bei jedem anderen Bleichverfahren durch sorgfältige Auswahl der Bedingungen möglichste Ausnutzung des aktiven Sauerstoffes bei geringster Schädigung des Gewebes erzielen können. Bei Verwendung perborathaltiger Gemische, wobei es sich nicht nur um das Bleichen, sondern in erster Linie um das Waschen handelt, kann man die Bedingungen bezüglich Temperatur, Härte des Wassers u.s.w. nicht mehr frei wählen.


Literatur: [1] Seifenfabrikant 1919, S. 256. – [2] Ebend. 1917, S. 507, 529 u. 553 – [3] Seifens.-Ztg. 1916, S. 441. – [4] Seifenfabrikant 1916, S. 493. – [5] Ebend 1916 S. 495 – [6] Ebend. 1915, S. 459. – [7] Deite, Handbuch der Seifenfabrikation, 3. Aufl., 2. Bd. S. 198, Berlin 1912. – [8] Chem.-Ztg. 1918, S. 85; Seifenfabrikant 1918, S. 96, 145, 189, 209, 235, 259, 281, 498 u. 501. – [9] Seifenfabrikant 1917, S. 579 u. 603.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 653-657.
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