[610] Apennīn oder Apennīnen (ital. Apennino, lat. Apenninus, vom kelt. Wort Pen, »Felsenspitze«), das Hauptgebirge Italiens, das auf eine Länge von etwa 1190 km und mit einer Breite von 30135 km die Halbinsel (daher »Apenninhalbinsel«) ihrer ganzen Ausdehnung nach von Savona bis Reggio in der Form eines nach W. offenen Bogens durchzieht (s. Karte »Italien«). Im geologischen Sinn entsprechen die Apenninen den Alpen. Sie stellen gleichsam die Verbindung zwischen jenen und den nordsizilischen und nordafrikanischen Gebirgsketten dar. Granit und kristallinische Schiefer (Gneis, Glimmerschiefer etc.) erscheinen in den Ligurischen Apenninen im W. von Genua und besonders in Kalabrien südlich vom Golfe von Tarent. Die Apenninen im engern Sinne bestehen vorwaltend aus Kalksteinen, Dolomiten, Sandsteinen und Mergeln der Kreide- und Tertiärformation, die zumal im N. vielfach Gabbro und Serpentin eingelagert enthalten und hier und da, namentlich am Monte Vulture, von Trachyt und Basalt durchbrochen werden. In mächtiger Ausdehnung finden sich in den nördlichen Apenninen wie im toskanischen Bergland die Bildungen des Flysch und des Macigno, Mergel, Schiefertone und Sandsteine, die z. T. der Kreide, z. T. den alttertiären Bildungen angehören. Ein dichter, weißgrauer Kreidekalkstein (Apenninenkalk) beteiligt sich ebenfalls in großartigem Maß am Aufbau des Gebirges, so auch das Gran Saffo d'Italia (s. Tafel »Bergformen II«, Fig. 4). Karbonische, permische, triadische und liasische Sedimente sind in den Apuanischen Alpen nachgewiesen (der berühmte Marmor von Carrara hat liasisches oder triadisches Alter); auch am Golfe von Policastro besitzt die Trias eine größere Verbreitung. Die pliocänen Subapenninenbildungen bedecken am Abfall der Apenninen die altern Schichten in großer Mächtigkeit; am Nordostabhang der etruskischen Apenninen treten auch miocäne Ablagerungen weitverbreitet zu Tage.
Der A. wird nach den Gegenden, die er durchzieht, in sechs Teile zerlegt, die wohl auch zu drei Gruppen zusammengefaßt werden. Man unterscheidet den Ligurischen und den Etruskischen A. (nördlichen A.), den Römischen A. und die Abruzzen (mittlern A.), den Neapolitanischen und den Kalabrischen (oder südlichen) A. Der Ligurische A. reicht von der Bocchetta di Altare, einer 495 m hohen Einschartung des den Golf von Genua umgürtenden Bergwalles, welche die orographisch-geologische Grenze gegen die Alpen bildet, bis zum Paß La Cisa (1042 m), Die südliche Abdachung fällt schroff gegen das Meer, die nördliche mit vielen Tälern sanft gegen die Poebene ab. Zahlreiche Straßen führen von den Küstenorten über das Gebirge, darunter die von Genua über die Pässe Bocchetta (780 m) und Giovi (472 m), während die Eisenbahn Genua-Alessandria den Kamm beim letztgenannten Passe mit einem Tunnel durchschneidet. Von hier gegen O. verbreitert sich das Gebirge um das Doppelte und wächst zugleich an Höhe, wenngleich der höchste Gipfel, der Monte Bue, nur 1803 m erreicht.
Der Etruskische A., der bis zum Metaurotal reicht, hat durchweg südöstliche Richtung und besteht aus einem System kulissenartig voreinander geschobener Ketten ohne eigentliche Zentralkette. Die hervorragendsten Gipfel sind im nördlichen Teile die Alpe di Succiso (2017 m), Monte Cusna (2121 m) und Monte Cimone (2163 m), letzterer die höchste Erhebung des nördlichen A. überhaupt. Eine besondere Stellung nehmen im nördlichen Teil die durch die Längstäler des Serchio, der Magra und Antella abgesonderten Apuanischen Alpen (s. d.) ein, die sich im Monte Pisanino zu 1946 m erheben und an der dem Meer zugekehrten Abdachung aus reinem Marmor (Carrara) aufgebaut sind. Die wichtigsten Übergänge des etruskischen A. sind die Eisenbahnlinie Bologna-Florenz, die das Gebirge bei Pracchia mit einem Kehrtunnel (617 m ü. M.) durchbohrt, und die Linie Faenza-Florenz. Zwischen beiden überschreitet den A. die schöne Straße von Florenz nach Bologna über den Paß La Futa (903 m). Der die Wasserscheide bildende Kamm tritt im weitern Verlauf an Höhe zurück (Monte Falterona 1649 m). Durch die Längstäler des Arno, der Sieve und des Tiber wird von demselben eine mehrfach durchbrochene westliche Parallelkette geschieden, in der sich der Pratomagno zu 1580 m erhebt. Der an der Bocca Trabaria (1100 m) zwischen dem Tiber- und Metaurotal beginnende römische A. reicht bis zu den Quertälern des Tronto und Velino und besteht gleichfalls aus zahlreichen Faltenzügen. Im N. erhebt sich in der Hauptkette der Monte Catria (1702 m), im S. steigt die Kette der Sibillinischen Berge im Monte Vittore bis zu 2478 m empor.
Südlich vom Trontotal setzt sich der A. in den Abruzzen (s. d.) fort, deren östliche Hauptkette im Gran Saffo d'Italia oder Monte Corno die größte Höhe in den gesamten Apenninen, nämlich 2921 m, erreicht. Die westliche Parallelkette, die mit der erstern das Hochland von Aquila einschließt, steigt im Monte Velino zu 2488 m empor, und südlich vom Pescara-Durchbruch (mit den Eisenbahnen Castellammare Adriatico-Terni und Castellammare Adriatico-Solmona-Rom) erhebt sich der gewaltige Kalkstock der Majella mit dem Monte Amaro zu 2795 m.
Vom Sangro- und Volturnotal bis zu dem des Crati reicht der Neapolitanische A., in dem die Faltung und der Parallelismus der kulissenartig gebauten Ketten völlig zurücktritt. Die Höhe des Gebirges ist geringer als im mittlern A.; das Kalkmassiv des Matesegebirges erreicht im Monte Miletto noch 2050 m. Am Ostrande des Gebirges liegt der erloschene Vulkan des Monte Vulture (1330 m). Die von der West-zur Ostküste der Halbinsel führenden Straßen und Eisenbahnen (von Neapel nach Foggia und Metaponto, von Cajanello und Benevent nach Termoli) haben hier keine bedeutenden Schwierigkeiten zu überwinden. Im S. erreicht der A. noch einmal bedeutendere Höhe, insbes. in dem Gebirgszuge des Monte Pollino mit der Serra di Dolcedorme (2271 m), um dann steil zum Cratital abzustürzen.
Den südlichsten Teil der Halbinsel erfüllt der seinem innern Bau nach völlig verschiedene Kalabrische A., der nur noch an wenigen Punkten meist kuppenartig dem ältern Gestein aufgesetzte Reste des Apenninenkalkes[610] aufzuweisen hat. Er setzt sich im N. aus einer schmalen, steil zum Tyrrhenischen Meer abfallenden Kette (Monte Cocuzzo 1542 m), durch das tiefe Tal des Crati im O. begrenzt, und aus der mächtigen Granitplatte des Silagebirges, das eine mittlere Höhe von 1600 m hat, zusammen. Dieses nordkalabrische Bergland ist durch die bis 250 m herabsinkende, aus jungtertiärem Gestein aufgebaute kalabrische Landenge zwischen den Golfen Sant' Eufemia und Squillace von dem südkalabrischen geschieden, das, an seiner Westseite ein Herd häufiger Erdbeben, in dem gewaltigen Kegel des Aspromonte (Montalto 1958 m) an der Meerenge von Messina endigt.
Die äußere (nördliche und nordöstliche) Abdachung des A. zum Pogebiet ist sanft, die östliche, der Adria zugekehrte, fast durchaus steil, so daß nur an den Küsten Raum für eine Straße übrigbleibt. Dadurch, daß der A. südlich vom Golfe von Salerno nahe an die Westküste Italiens tritt, nördlicher aber sich immer mehr von ihr entfernt, entsteht ein dreieckiger, von den Abhängen des nördlichen A. im N., denen des mittlern im O. und der Küste im W. eingeschlossener Raum, der von den Bergzügen des sogen. Subapennin ausgefüllt wird. Diese bestehen bis auf einzelne inselartig sich erhebende Massen des Apenninenkalksteins aus jüngern Tertiärsedimenten und, was besonders charakteristisch ist, vulkanischen Bildungen verschiedener Art. So gibt es hier tätige und erloschene Vulkane, heiße Quellen, wie besonders die borsäureführenden Thermen bei Volterra etc. Durch die breiten Täler der aus dem A. kommenden Flüsse zerfällt der Subapennin in mehrere Teile, deren bedeutendster das Bergland von Toskana ist, das im N. durch das untere Arnotal von den südlichen Abhängen des etruskischen, im O. dagegen von den westlichen des römischen A. durch das Tal des mittlern Arno und die flache Ebene der Chiana getrennt wird und mit dem vulkanischen Monte Amiata 1734 m Höhe erreicht; im S. enden die Höhen dieses Berglandes am untern Tiber. Das Innere desselben bilden ausgedehnte fruchtbare Ebenen, wie die von Siena und Volterra; im W. endet das Bergland mit schroff abfallenden Ketten. Der Teil des Subapennin zwischen den Tälern des Tiber und Garigliano enthält zwei kleine, aus vulkanischen Gesteinen gebildete Berggruppen, die durch die Täler des Anio und Sacco von dem eigentlichen A. geschieden werden: das durch seine Naturschönheiten und reizenden Seen berühmte Albanergebirge (s. d.), mit dem Monte Cavo (956 m), und südöstlich davon die Volsker Berge (Monti Lepini, Semprevisa 1536 m), die einen Querriegel bis an die Küste bei Terracina vorschieben. Der südlichste Teil des Subapennin geht vom Garigliano bis zu dem Bergzug von Castellammare im N. von Salerno.
Das Klima ist im ganzen, namentlich auf dem südlichen A., rauher, als man unter diesen Breitengraden und bei der Lage Italiens erwarten sollte. Während in tief liegenden und geschützten Tälern die Hitze im Sommer einen fast unerträglichen Grad erreicht und beinahe an der ganzen Westküste Palmen und einige Gewächse fast tropischer Klimate gedeihen, kommen auf den dem Winde preisgegebenen Höhen bei 16002000 in Meereshöhe weder Obst noch Getreide fort; der Baumwuchs verkümmert und wird ärmlich. Die höchsten Kuppen sind nur wenige Wochen im Jahr schneefrei. Klimatisch ist namentlich der nördliche A. eine sehr wichtige Scheidewand, erst an seinem Südhang fängt »Italien« an. Dem Verkehr setzen nur die nördlichern Teile bis in die Breite der Abruzzen größere Schwierigkeiten entgegen, so daß jetzt das Gebirge im ganzen von zwölf Eisenbahnlinien, allerdings meist mittels Tunnels, überschritten wird. Dazu ist die ganze östliche und westliche Abdachung von Alessandria und Savona bis Reggio di Calabria von Eisenbahnlinien begleitet.
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