Flößerei

[712] Flößerei, das Verfahren zum Transport von schwimmendem Holz auf Wasserläufen ohne Benutzung eines Schiffsgefäßes. Geflößt werden unbearbeitete Stämme (Rundholz), bearbeitetes Material (Balken, Kantholz, Schwellen etc.) und Brennholz. Die Stücke werden lose oder verbunden geflößt. Bei der F. losen Holzes wird dasselbe ins Wasser gestoßen, der Strömung überlassen und unterwegs vom Ufer aus treibend erhalten. Dieser Flößereibetrieb kommt nur auf kleinern Flüssen und Bächen zur Anwendung; zum Transport auf weite Entfernungen und auf den größern Flüssen und Strömen wird das Holz verbunden, d. h. eine Anzahl einzelner Stücke werden im Wasser nebeneinandergelegt und durch quer darübergelegte Leisten (Klampen, Kleisten) vermittelst starker Nägel zu einer zusammenhängenden Tafel (Plätze, Floß) vereinigt, deren Breite und Länge sich nach den örtlichen Polizeivorschriften richtet. Der Länge nach kann das Floß einen zusammenhängenden Boden bilden oder aus mehreren einzelnen Tafeln bestehen, die dann durch Weidenbänder (Weeden) oder Tauenden miteinander gekuppelt werden. Das auf diese Weise gebildete Fahrzeug nennt man Trift (Trast). Flöße aus stärkerm Rundholz werden nur in einem Boden verbunden, von schwachem Holz (Kantholz, Schwellen etc.) werden häufig zwei oder mehr Böden übereinandergelegt. Schwere Holzarten, die nicht schwimmen (senk gehen), werden mit leichten Hölzern (Trägern) vereinigt. Das Floß wird häufig auch als Transportgefäß benutzt und mit Waren beladen; meistens handelt es sich hierbei um Holzarten (Buche, Birke) und Holzwaren (Bretter, Latten), die mit dem Wasser nicht in Berührung kommen sollen, oder um Holzwaren, die sich aus einem andern Grunde nicht zu einem Floß verbinden lassen, wie Brennholzscheite, Grubenholz, Faßdauben, Speichen etc., aber auch andre Waren werden als Auflast befördert, beispielsweise gelangte früher russisches Getreide auf Flößen in großen Mengen zur Einfuhr. Zum Verankern des Flosses dient das Schrick, ein schwacher Baumstamm, der durch eine besonders hergerichtete Öffnung im Floß (Schricktoch) auf den Grund des Fahrwassers gestoßen und in ausgerichteter Stellung erhalten wird. Zum Fortschieben des Floßes benutzt man Staaten, lange, schwache Stangen, zum Steuern des Floßes die Pätschen, längere, schwache Baumstämme, die nach dem Stammende zu blattförmig bearbeitet sind, ungefähr in der Mitte ihrer Länge auf einem kräftigen Unterbau am Vorder- und Hinterteil des Floßes (dem Pätschsattel) liegen und auf diesem nach rechts und links geschwenkt werden können. Bei schwacher Strömung des Fahrwassers, namentlich in Kanälen, wird das Floß an dem ausgerichteten Treidelbaum vermittelst der Treidelleine fortgezogen, auch werden kleine Segel benutzt, hin und wieder kommen auch Schlepp- und Seildampfer zur Beförderung der Flöße in Anwendung. Die Bemannung der Flöße besteht aus dem Floßführer (Floßherrn, Floßmeister) und den Flößern (Floßknechten), deren Zahl je nach der Größe des Flosses sehr verschieden ist.

An den Weg stellt die F. nur geringe Anforderungen, die sich hauptsächlich auf eine genügende Wassertiefe beschränken. Um diese zu erzielen, werden wasserarme Flüsse und Bäche durch Wehre gesperrt, in die besondere Durchlässe oder je nach Bedarf auch Floßschleusen eingebaut werden. Das Floßholz muß, bevor es ins Wasser gebracht werden kann, meistens und öfter sogar meilenweit zu Lande transportiert[712] werden; bei sehr lebhaftem und anhaltendem Verkehr ist dann die Anlegung einzelner Floßkanäle (Floßgräben) vorteilhaft. Für die F. von Wichtigkeit sind die Verbandplätze, an denen das Holz zu Flößen verbunden werden kann, und die Floßhäfen, in denen es zum Verkauf gelagert oder für die Fortsetzung der Fahrt eine andre Länge und Breite erhält. An solchen Umverbindungsplätzen wechselt auch die Bemannung der Flöße. Zur Befestigung der Flöße im Lagerhafen dienen eingerammte, stärkere Baumstämme (Schrickpfähle), im Notfall auch eiserne Anker und Ketten.

Am Bestimmungsorte wird die Auflast abgetragen und das im Wasser liegende Holz auf Gleitbahnen zu Lande befördert; gewöhnlich werden die Bahnen aus geeigneten Stücken des Flosses hergestellt, für regelmäßigen Betrieb werden sie aber in dauerhafter Form erbaut. Größere Stücke werden durch Pferde oder Maschinenkraft ausgeschleppt, kleinere Stücke durch Menschen an Land geholt (ausgewaschen). Beim Verladen des Holzes vom Floß zu Schiff kommen Kräne in Anwendung; Kantholz, Eisenbahnschwellen etc. werden aber vor Hand eingeladen. Bleiben Hölzer längere Zeit im Wasserlager, so werden sie da, wo die Lagerfläche knapp bemessen und eine genügende Wassertiefe vorhanden ist, gesenkt, d. h. übereinander geschichtet, wodurch die untersten Partien tiefer in das Wasser gedrückt werden. Man bedient sich auch besonderer Senkwinden, um ganze Flöße übereinander zu lagern; zu diesem Zweck wird das Bodenfloß unter Wasser gezogen, das zweite Floß darüber gefahren und beide ins Lager eingestellt.

Von den 21,400 km langen schiff- und flößbaren Gewässern Deutschlands sind 6500 km nur flößbar. Die F. erfolgt fast stets zu Tal, zu einer Bergfahrt bei stärkerm Strom haben die Flöße keine genügende Festigkeit; in Amerika sind zwar Versuche gemacht, um Flöße für den Transport über die kanadischen Seen nach New York zu bauen und diese durch Schleppschiffe zu befördern. Diese Versuche scheinen aber nicht zur Zufriedenheit ausgefallen zu sein.

Den lebhaftesten Flößereiverkehr in Deutschland weisen die östlichen Ströme auf, und zwar die Weichsel bei Thorn an der russischen Grenze einen solchen von rund 900,000 Ton. und die Memel bei Smaleningken, ebenfalls an der russischen Grenze, von 600,000 T. Außerdem beträgt der Floßverkehr auf dem Main bei Frankfurt 300,000 T., auf der Cl be bei Schandau 300,000 T., auf der Oder bei Küstrin 250,000 T., auf dem Finowkanal bei Eberswalde 80,000 T., auf der Saale bei Ölknitz 15,000 T., auf dem Neckar bei Heilbronn 4000 T., auf der Donau bei Ingolstadt 2000 T.

Die F. wurde in frühern Zeiten gewöhnlich als Vorrecht der Landesregierung angesehen (Floßregal) und daher von dieser nur gegen eine Abgabe gestattet. Dies galt namentlich von dem Flößen mit verbundenen Hölzern oder der Floßfahrt (jus ratium), das nur auf öffentlichen Flüssen ausgeübt wird. Das Flößen mit ungebundenen Hölzern oder die Trift (jus grutiae) kommt dagegen auch auf Gewässern vor, die im Privateigentum stehen; doch steht auch hier dem Staate die polizeiliche Regelung und Aussicht zu (Floß- und Triftordnungen). Die Ufereigentümer müssen das Betreten der Ufer zu Zwecken der F. und den Lein- oder Flößerpfad dulden. Nach preußischem Recht kann der Staat den Eigentümer eines Privatflusses nötigen, das Holzflößen auf diesem zu gestatten, muß aber für vollständige Entschädigung des Eigentümers sorgen, wie denn überhaupt nach den meisten Landesgesetzen der Staat befugt ist, gegen Entschädigung der bisher Berechtigten ein nicht schiffbares Gewässer in ein schiffbares umzuwandeln und also auch für die F. brauchbar zu machen. Nach der deutschen Reichsverfassung (Art. 4) gehört die Gesetzgebung über die F. auf Wasserstraßen, die mehreren Staaten gemeinschaftlich sind, zu der Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung. Dazu kommt die Bestimmung (Art. 54), daß auf schiffbaren natürlichen Wasserstraßen von der F. Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten erhoben werden dürfen, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, und die Bestimmungen des norddeutschen, jetzt deutschen Reichsgesetzes vom 1. Juni 1870 über die Abgaben von der F. Hiernach sollen auch auf den nicht schiffbaren, sondern nur flößbaren Strecken derjenigen natürlichen Wasserstraßen, die mehreren Bundesstaaten gemeinschaftlich sind, von der F. mit verbundenen Hölzern Abgaben nur für die Benutzung besonderer, zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter Anstalten erhoben werden. In Kanälen wird für Befahrung mit Flößen eine Gebühr entrichtet, die durch polizeiliche Verfügung festgesetzt worden ist. Das Reichsgesetz vom 15. Juni 1895 über die privatrechtlichen Verhältnisse der F. regelt den Inhalt des Floßfahrtvertrages im Anschluß an die seerechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches. Die landesrechtlichen Vorschriften über die F. sind durch Art. 65 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufrecht erhalten worden.

Zur Versorgung der südlichen Staaten Nordamerikas mit Holz aus den nördlichen Staaten, aus Oregon und Washington, vereinigt man nach dem Verfahren von Robertson die Baumstämme zu Riesenflößen, welche die 1100 km lange Ozeanfahrt vom Columbiastrom nach San Francisco ohne Unfall zurücklegen. Die Flöße werden in Stella am Columbiastrom auf einer Art Helling zusammengebaut und ähnlich einem Schiff zu Wasser gelassen. Das Gerüst besteht aus Hölzern, die vom Grunde schiffsbodenartig aufsteigen, und aus spantenähnlichen senkrechten Ständern. In diesem Gerüst werden die 30–55 m langen Stämme, im ganzen etwa 152,000 laufende Meter, zu einem Floß von etwa 120 m Länge zweckmäßig zusammengelegt. Das Floß hat in der Mitte 30 m Umfang und verjüngt sich nach den beiden Enden; es wird in Abständen von 4 m mit starken Ketten umschnürt, die durch eine durch das ganze Floß von einem Ende zum andern laufende starke Kette, die als Schleppkette dient, beim Schleppen in der See um so stärker angezogen werden, je größern Widerstand das feste Gefüge des Flosses gegen den Wogenprall zu leisten hat. Die obern Enden der Spanten des Gerüstes werden nach der Fertigstellung des Flosses durch Quertaue verbunden, damit das Gerüst für den Stapellauf den nötigen Zusammenhalt mit dem Floß besitzt. Im Wasser werden die Taue gelöst und die Teile des Gerüstes aus dem Wasser gezogen. Das Floß wird durch Dampfer geschleppt und macht die Fahrt in zwölf Tagen. Vgl. Förtsch, Die Reichsgesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und der F. (2. Aufl., Leipz. 1900); Mittelstein, Deutsches Binnenschiffahrtsrecht (2. Aufl., das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 712-713.
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