Ingres

[835] Ingres (spr änggr'), Jean Auguste Dominique, franz. Maler, geb. 29. Aug. 1780 in Montauban, gest. 13. Jan. 1867 in Paris, kam 1796 in das Atelier Davids, wo er schon 1801 den römischen Preis errang. Er konnte jedoch erst 1806 nach Rom gehen, wo er bis 1820 blieb. Nachdem er sich noch vier Jahre in Florenz aufgehalten, kehrte er nach Paris zurück, wo er 1826 Mitglied des Instituts wurde. Ohne von der Davidschen Richtung, deren energievollster Vertreter er war, abzuweichen, hatte er in Italien seine Studien vornehmlich auf Raffael und die antiken Wand- und Vasenmalereien gerichtet, die seinen Stil beeinflußten und ihn in seiner Abneigung gegen die Farbe bestärkten. 1834 zu H. Vernets Nachfolger im Direktorium der französischen Akademie in Rom ernannt, hielt er sich hier abermals bis 1841 auf und lebte seitdem in Paris. Seine vorzüglichsten Bilder sind: Bonaparte als Erster Konsul (1804); Napoleon auf dem Thron (1806, im Invalidenhotel zu Paris); Ödipus und die Sphinx (Louvre, Hauptwerk); Vergil, dem Augustus und der Octavia die Äneide vorlesend; Pietro Aretino und Karls V. Abgesandter, mit dem Gegenstück: Pietro Aretino und Tintoretto; Don Pedro von Toledo, den Degen Heinrichs IV. küssend; eine Odaliske (1814, im Louvre); Philipp V. und der Marschall von Berwick; Heinrich IV. und seine Kinder, mit dem Gegenstück: der Tod Leonardo da Vincis; Angelika und Rüdiger (1819, im Louvre); Christus, dem Petrus die Himmelsschlüssel übergebend (im Louvre); Gelübde Ludwigs XIII. (Kathedrale in Montauban); Homers Apotheose (Deckengemälde, im Louvre); die Marter des heil. Symphorian (1834, Kathedrale in Autun); die Madonna mit der Hostie; Stratonike (Hauptwerk); Cherubini und die Muse (1842, im Louvre); die Geburt der Venus; Jesus unter den Schriftgelehrten (1853, Museum in Montauban); die Quelle, eine nackte weibliche Figur, begonnen 1814, vollendet erst 1856 (im Louvre, epochemachend für die Darstellung des Nackten in der französischen Malerei). Hierzu kommen noch 25 lebensgroße Heiligenfiguren, kolorierte Kartons für die Glasmalereien der heil. Ferdinandskapelle in Paris und der Gruftkapelle in Dreux, eine Reihe von Bildnissen, die wegen ihrer schlichten Auffassung und meisterhaften Zeichnung in neuerer Zeit zu hoher Schätzung gelangt sind (darunter Cordier, Bertin, Herr, Frau und Fräulein Rivière, sämtlich im Louvre), und eine große Bleistiftzeichnung, die Apotheose Homers (1865 nach seinem Bild, aber vielfach verändert, vollendet). I.' Werke blieben lange wenig beachtet. Während die frühern sich ganz in der pseudo-klassizistischen Richtung Davids halten, sind seine beiden spätern Hauptwerke, das Gelübde Ludwigs XIII. und die Apotheose Homers, nach Raffael gemalt. In seiner letzten Zeit wendete sich I. wieder der antikisierenden Richtung zu, und namentlich erscheint seine Stratonike als Nachahmung antiker Genremalerei. Der Zeichnung und Modellierung legte I. mehr Bedeutung bei als der Farbe (daher der scharfe Gegensatz, der bei Lebzeiten der beiden Schulhäupter zwischen den Ingristes oder »Dessinateurs« und den »Coloristes«, den Schülern und Bewunderern Delacroix', herrschte); dadurch erhalten seine Bilder etwas Trocknes; auch die Erfindung ist seine Stärke nicht. Anderseits verdienen jedoch seine sorgfältigen Studien, die Reinheit und Richtigkeit seiner Linien und Umrisse die größte Anerkennung, und I. wie einzelne seiner Schüler haben in dieser ernsten, strengen Richtung Hervorragendes geleistet. Nach ihm haben Richomme, Calamatta und Henriquel-Dupont treffliche Kupferstiche geliefert. Seine Werke sind von Reveil in Umrissen herausgegeben worden (Par. 1851). Seinen künstlerischen Nachlaß an Studien etc. vermachte I. seiner Vaterstadt Montauban, die ein eignes Ingresmuseum gegründet hat. Vgl. Blanc, I., sa vie et ses ouvrages (Par. 1870); Delaborde, I., sa vie, ses travaux, etc. (das. 1870); Momméja, I., biographie critique (das. 1903); Schmarsow in Dohmes »Kunst und Künstler des 19. Jahrhunderts« (Leipz. 1884).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 835.
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